Den überwiegenden Teil des inländischen Grundvermögens machen die Wohngrundstücke aus. In § 250 Abs. 2 BewG ist normiert, dass der Grundsteuerwert von Ein- und Zweifamilienhäusern, Mietwohngrundstücken und Wohnungseigentum im Ertragswertverfahren zu ermitteln ist. Das Ertragswertverfahren basiert auf der Ermittlung des für das Grundstück marktüblich erzielbaren Ertrags. Dabei wird auf den Bewertungsstichtag der Barwert der in der Zukunft erwarteten Erträge des Gebäudes berechnet.

Für das Ertragswertverfahren hat sich der Gesetzgeber aus Gründen der Verfahrensökonomie standardisierter und typisierter Bewertungsparameter, wie den statistisch ermittelten monatlichen Nettokaltmieten in Anlage 39 zu § 254 BewG (basierend auf den vom Statistischen Bundesamt erhobenen Daten des Mikrozensus 2018) oder der sich aus pauschalierten Erfahrungssätzen abgeleiteten Bewirtschaftungskosten in Anlage 40 zu § 255 BewG, bedient. Eine detaillierte, auf den Einzelfall angepasste Wertermittlung ist bei einem Masseverfahren wie der Grundsteuerfestsetzung nicht umsetzbar und deshalb kommen keine tatsächlichen Werte (z. B. die tatsächlich vereinbarte oder sich aus einem Mietspiegel ergebende ortsübliche Miete) zum Ansatz.

Im Ertragswertverfahren setzt sich der Grundsteuerwert aus den 2 Komponenten "kapitalisierter Reinertrag"[2] und "abgezinster Bodenwert"[3] zusammen. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass die zukünftigen Erträge bzw. Ertragsanteile des Grundstücks, die auf das Gebäude entfallen, auf die im Bewertungsstichtag verbleibende wirtschaftliche Restnutzungsdauer des Gebäudes als Zeitrente kapitalisiert werden, wohingegen die Erträge bzw. Ertragsanteile, die dem Grund und Boden zuzurechnen sind, wegen seiner unbeschränkten Nutzungsdauer als unendliche Rente zu kapitalisieren sind.

[1] §§ 250 Abs. 2, 252 bis 257 BewG.

4.1.1 Ermittlung kapitalisierter Reinertrag

Zunächst ist der jährliche Rohertrag des Grundstücks zu ermitteln. Dazu wird die Wohnfläche (in qm) des Grundstücks mit der typisierten monatlichen Nettokaltmiete (in EUR pro qm) nach Anlage 39 zum BewG multipliziert. Die monatlichen durchschnittlichen Nettokaltmieten differenzieren dabei je nach Bundesland, Gebäudeart, Wohnungsgröße und Baujahr des Gebäudes. Je nachdem, in welcher Gemeinde sich das Grundstück befindet, ist ggf. ein Zu- oder Abschlag bei den Mietansätzen über die sog. Mietniveaustufe [2] zu berücksichtigen. Durch die 7 Mietniveaustufen, in die jede Gemeinde in Deutschland eingestuft wurde, wird den lagebedingten Wertunterschieden, die sich regelmäßig im Mietzins niederschlagen, Rechnung getragen. Wertunterschiede innerhalb einer Gemeinde bleiben jedoch unberücksichtigt und wirken sich nur über den Bodenrichtwert bei der Ermittlung des abgezinsten Bodenwerts aus. Sollten sich auf dem Grundstück (Tief-)Garagenstellplätze für Kfz befinden, ist pro Stellplatz ein Festwert von 35 EUR monatlich zu berücksichtigen. Carports und andere Außenstellplätze werden nicht gesondert angesetzt. Die Mietsätze sind Monatsbeträge und sind für alle Wohnungen und Garagenstellplätze der wirtschaftlichen Einheit auf einen Jahresbetrag hochzurechnen. Im Ergebnis erhält man den jährlichen Rohertrag.

Von dem jährlichen Rohertrag sind im nächsten Schritt die Bewirtschaftungskosten lt. Anlage 40 zu § 255 BewG abzuziehen. Diese sind in Abhängigkeit von der Grundstücksart nach § 249 BewG und der Restnutzungsdauer des Gebäudes zu bestimmen.

Die Restnutzungsdauer des Gebäudes berechnet sich aus der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes nach Anlage 38 zu § 253 BewG abzüglich des Alters des Gebäudes am Bewertungsstichtag. Für Gebäude die überwiegend zu Wohnzwecken genutzt werden, wird einheitlich eine wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer von 80 Jahren vorgegeben. Nach Ablauf der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes wird jedoch gleichwohl ein Restwert des Gebäudes angesetzt, da man auch bei älteren Gebäuden davon ausgeht, dass sie durch Instandhaltungsmaßnahmen weiterhin benutzbar und von gewissem Wert sind. Aus diesem Grund ist eine Mindestrestnutzungsdauer von 30 % der Gesamtnutzungsdauer zu berücksichtigen. Im Ertragswertverfahren ist daher von einer Mindestrestnutzungsdauer von 24 Jahren auszugehen.

Dies gilt allerdings nicht, wenn für das Gebäude eine Abbruchverpflichtung besteht. In diesem Fall wird die Restnutzungsdauer eines Gebäudes zum Bewertungsstichtag auf die tatsächlich verbleibende Restnutzungsdauer verkürzt. Wurde das Gebäude hingegen kernsaniert, so wird von einer entsprechend verlängerten Restnutzungsdauer ausgegangen. Die verlängerte Restnutzungsdauer wirkt sich aus Vereinfachungsgründen dergestalt auf die Bewertung des Gebäudes aus, dass im Jahr des Abschlusses der Kernsanierung von einer Restnutzungsdauer i. H. v. 90 % ausgegangen wird. Für Gebäude, die im Ertragswertverfahren bewertet werden, bedeutet das konkret, dass die Restnutzungsdauer im Jahr der Kernsanierung 72 Jahre beträgt und auf dieser Basis entsprechend die Restnutzungsdauer zum Feststellungszeitp...

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