4.2.1 Allgemeines

 

Rz. 24

Maßgeblich ist der Ausländerbegriff nach dem ab 2005 geltenden Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Danach ist Ausländer jeder, der nicht Deutscher i. S. d. Art. 116 Abs. 1 GG ist, d. h. fremde Staatsangehörige und Staatenlose (§ 2 Abs. 1 AufenthG). § 62 Abs. 2 EStG gilt nur für nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländer. Freizügigkeitsberechtigt sind EU-Bürger, deren Einreise- und Aufenthaltsrecht sich nach Art. 2 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) richtet. Das sind im Wesentlichen Unionsbürger, die sich zur Arbeitssuche, Ausbildung, selbstständiger Erwerbstätigkeit und Empfänger von Dienstleistungen im Inland aufhalten, sowie ihre Familienangehörigen (§§ 2ff. FreizügG/EU). Außerdem gilt § 62 Abs. 2 EStG nicht für Bürger aus EWR-Staaten aufgrund vorrangigem Abkommensrecht (Rz. 25).

Vertriebene[1] und Spätaussiedler[2] nebst Ehegatten und Abkömmlingen sind Deutsche. Sie bedürfen zur Begründung eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts im Inland keines Aufenthaltstitels nach dem AufenthG.[3]

Ob jemand Statusdeutscher ist, richtet sich nach dem BVFG.[4] Der Status als Spätaussiedler wird durch eine Bescheinigung nach § 15 BVFG festgestellt.[5] Der Ausländerbegriff in § 62 Abs. 2 EStG und in § 1 Abs. 3 BKGG ist deckungsgleich. Erfüllt ein Ausländer nicht die Voraussetzungen für die Kindergeldgewährung, erhält er lediglich die steuerliche Entlastung des Familienexistenzminimums durch die Gewährung des Kinderfreibetrags und des Freibetrags für den Betreuungs-, Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf (Rz. 17).

[1] Deutsche Volkszugehörige, die vor 1993 die in § 1 Abs. 2 Nr. 3 Bundesvertriebenengesetz, BVFG, bezeichneten Gebiete – die deutschen Ostgebiete usw. – verlassen haben.
[2] Deutsche Volkszugehörige, die seit 1993 die ehemaligen Sowjetrepubliken im Rahmen eines Aufnahmeverfahrens verlassen haben, § 4 BVFG.
[3] A 2.1 Abs. 5 DA-KG 2016.
[4] Thüringer FG v. 19.1.2000, III R 358/98, EFG 2000, 573.

4.2.2 Sonderrechte für EU-Bürger

4.2.2.1 Freizügigkeitsberechtigte EU-Bürger

 

Rz. 25

Für EU-Bürger[1] und Staatsangehörige aus einem anderen EWR-Staat[2] sowie die sie begleitenden Familienangehörigen hat § 62 Abs. 2 EStG insofern keine Bedeutung, als diese Personen, wenn sie im Inland wohnen (Abs. 1), nach vorrangigem Gemeinschafts- bzw. Abkommensrecht unter denselben Voraussetzungen wie Deutsche Anspruch auf Kindergeld haben.[3]

Innerhalb der EU-/EWR-Staaten werden – unabhängig von den jeweiligen nationalen Kindergeldvorschriften – die Vorschriften über die soziale Sicherheit seit dem 1.5.2010 durch die VO 883/2004/EG[4] geregelt. Davon umfasst sind auch die Regelungen zu den Familienleistungen[5], zu denen das Kindergeld – auch in seiner Ausgestaltung als Steuervergütung – gehört.[6] Diese Verordnungen haben als Unionsrecht Anwendungsvorrang[7] für diejenigen Stpfl., die in ihren persönlichen Anwendungsbereich fallen.[8]

 

Rz. 26

Die am 1.1.2011 in Kraft getretene VO (EU) Nr. 1231/2010 bringt eine Erleichterung für Ausländer aus Drittstaaten, die in einem EU-Staat – nicht jedoch in Dänemark und Großbritannien – leben. Seit 2011 gilt auch für Drittstaatsangehörige mit rechtmäßigem Wohnsitz in einem EU-Land die VO (EG) Nr. 883/2004. Die Richtlinie 2011/98 EU v. 13.12.2011, die zum 25.12.2013 in deutsches Recht umgesetzt wurde, regelt in Art. 12 Abs. 1 Buchst. e, dass Drittstaatsarbeitnehmer beim Anspruch auf Familienleistungen das Recht auf Gleichbehandlung mit deutschen Staatsangehörigen haben.[9]

[1] Belgien, Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Polen, Österreich, Portugal, Rumänien, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik, Ungarn und Zypern.
[2] Island, Liechtenstein, Norwegen.
[3] A 4.5 Abs. 3 S. 1 DA-KG 2016.
[4] Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 29.4.2004 zur Koordinierung des Systeme der sozialen Sicherheit, AblEG 2004 Nr. L 166, 1-123 und die Durchführungsverordnung (EG) Nr. 987/2009 v.16.9.2009, ABl. EU 2004 Nr. L 166, 1.
[8] BFH v. 5.7.2012, III R 76/10, BFH/NV 2012, 1710 zur VO 1408/71/EWG; Bauhaus, in Korn, EStG, § 62 EStG Rz. 29.

4.2.2.2 Geltungsvorrang des Unionsrechts vor nationalem Recht

 

Rz. 27

Die VO 883/2004/EG gilt für EU-/EWR Bürger (einschließlich der Schweiz), Staatenlose und Flüchtlinge sowie für deren Familienangehörige und Hinterbliebene.[1] Entfallen ist die früher in Art. 2 VO 1408/71/EWG enthaltene Beschränkung auf Arbeitnehmer, Selbstständige und Studierende. Zunächst muss der persönliche Anwendungsbereich der VO eröffnet sein. Danach ist nach Art. 11ff. VO 883/2004/EG der zuständige Staat zu ermitteln. Dieser richtet sich primär nach dem Beschäftigungsstaat, hilfsweise nach dem Wohnsitzs...

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