Rz. 102

§ 2 Abs. 5 UmwStG (s. § 2 Rz. 182ff.) wurde durch das AbzStEntModG v. 2.6.2021[1] eingefügt und beschränkt auf der Ebene des übernehmenden Rechtsträgers die steuerwirksame Realisierung bestimmter stiller Lasten aus Finanzinstrumenten oder Anteilen an einer Körperschaft. Die Norm enthält weitere Regelungen zur Verhinderung missbräuchlicher Gestaltungen unter Inanspruchnahme der Regelungen zum steuerlichen Rückbezug.[2] Durch die Verweisungen in § 9 S. 3 UmwStG ggf. i. V. m. § 25 S. 2 UmwStG und in § 20 Abs. 6 S. 4 UmwStG ggf. i. V. m. § 24 Abs. 4 2. Halbs. UmwStG gilt diese Verschärfung auch für den Formwechsel und für Einbringungsfälle. Die Verschärfung gilt grundsätzlich für alle Umwandlungs- bzw. Einbringungsfälle, in denen die Anmeldung zur Eintragung in das maßgebende öffentliche Register nach dem 20.11.2020, dem Tag der Veröffentlichung des Referenzenentwurfs, erfolgt. In den Fällen, in denen es keiner Handelsregistereintragung bedarf, ist der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums entscheidend.

 

Rz. 103

Das AbzStEntModG wurde am 8.6.2021 im Bundesgesetzblatt verkündet und trat am 9.6.2021 in Kraft. Soweit durch die Anknüpfung an den 20.11.2020 Sachverhalte erfasst werden, die tatbestandlich zum Zeitpunkt der Gesetzesverkündung bereits abgeschlossen waren, handelt es sich dabei um eine verfassungswidrige rückwirkende Inkraftsetzung einer belastenden Steuernorm.. Eine Rechtfertigung für diese echte Rückanknüpfung ergibt sich nicht schon daraus, dass der Bürger nach der rechtlichen Situation in dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der Rechtsfolge zurückbezogen wird, mit dieser Regelung rechnen musste.[3] Zwar trat die Regelung zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Referentenentwurfs in Kraft; durch das rückwirkende Inkrafttreten sollte wohl verhindert werden, dass Steuerpflichtige durch die Veröffentlichung des Referentenentwurfs zu den entsprechenden Gestaltungen animiert werden. Allein die Aussicht auf eine gesetzliche Neuregelung genügt indessen nicht, den Grundsatz zu durchbrechen, dass die rückwirkende Inkraftsetzung belastender Steuernormen generell unzulässig ist.[4]

Zwar ist das generelle Verbot der Rückanknüpfung durch den Vorbehalt eingeschränkt, der Einzelne könne sich nur dann auf den Schutz seines Vertrauens berufen, wenn sein Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage sachlich gerechtfertigt und aus diesem Grunde schutzwürdig sei. Es kommt damit letztlich auf eine Abwägung im Einzelfall an, bei der das Vertrauen des Einzelnen auf den Fortbestand der gesetzlichen Regelung der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit gegenübergestellt werden soll. Bei der so vorgegebenen Anwendung der Allgemeinformel bleibt das Interesse des Einzelnen im Regelfall auf der Strecke. Aufgrund des Widerspruchs zu allgemeinen Besteuerungsgrundsätzen (Subjektsteuerprinzip, Prinzip nach der Besteuerung nach der persönlichen Leistungsfähigkeit, Zweck des UmwStG), waren die Gestaltungen, welche von § 2 Abs. 5 UmwStG erfasst werden, zwar auch vor Inkrafttreten der Norm strittig, dies allein kann indessen nicht dazu führen, dass die Abwägung zuungunsten des Einzelnen ausfallen muss.

 

Rz. 104

Darüber hinaus soll die Verschärfung auch in anderen (Handelsregisteranmeldung bzw. Übergang des wirtschaftlichen Eigentum bereits vor dem 20.11.2020) noch offenen Fällen anzuwenden sein, in denen die äußeren Umstände darauf schließen lassen, dass die Verlustnutzung durch die übernehmende Gesellschaft wesentlicher Zweck der Umwandlung war und der Steuerpflichtige dies nicht widerlegen kann, § 27 Abs. 16 S. 2 UmwStG. Da in diesen Fällen die Tatbestandverwirklichung immer bereits vor dem 20.11.2020 in Gang gesetzt worden sein muss, handelt es sich um eine verfassungswidrige echte Rückanknüpfung, welche den zeitlichen Anwendungsbereich im Vergleich zu § 27 Abs. 16 S. 1 UmwStG nochmals erheblich ausweiten kann.[5] Wie der Nachweis durch den Steuerpflichtigen zu führen ist, ist unklar. Ebenfalls unklar ist, "wann die äußeren Umstände darauf schließen lassen", dass die Verlustnutzung durch die übernehmende Gesellschaft wesentlicher Zweck der Umwandlung war. Die Norm ist daher auch nicht als ausreichend bestimmt anzusehen.

Allein die Tatsache, dass Gestaltungen, welche § 2 Abs. 5 UmwStG zugrunde liegen, schon vor Inkrafttreten der Norm strittig waren, kann die echte Rückwirkung des § 27 Abs. 16 S. 2 UmwStG nicht rechtfertigen. Ferner legitimieren zwingende Gründe des gemeinen Wohls diese Rückanknüpfung nicht. Dieser Rechtfertigungsgrund soll auf ganz extreme Ausnahmefälle beschränkt werden und allein die Möglichkeit von Einnahmeausfällen rechtfertigt eine Durchbrechung des Rückwirkungsverbots nicht.[6]

Ausweislich des Gesetzeswortlauts soll nur die Verrechnung negativer Einkünfte (des übernehmenden Rechtsträgers) infolge des Übergangs "stiller Lasten" betroffen sein. Bei strenger Wortlautauslegung sind mithin im Rückwirkungszeitraum auf Ebene des übertragenden Rechtsträgers bereits realisierte negative Einkün...

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