Rz. 27

Mit der Neuregelung des begünstigten Vermögens in § 13b ErbStG hat der Gesetzgeber der Kritik des BVerfG am früheren Verwaltungsvermögenstest Rechnung getragen. Die mehrstufigen Berechnungen und die zahlreichen Missbrauchsvorschriften schließen sachlich nicht gerechtfertigte Begünstigungen aus.

 

Rz. 28

Allerdings entspricht die jetzige Regelung nicht den Ansprüchen an eine klare und verständliche Regelung. Das BVerfG hat das Erfordernis der Normenklarheit allgemein wie folgt umschrieben[1]:

Zitat

Das Gebot der Normenbestimmtheit und der Normenklarheit (…) soll die Betroffenen befähigen, die Rechtslage anhand der gesetzlichen Regelung zu erkennen, damit sie ihr Verhalten danach ausrichten können. Die Bestimmtheitsanforderungen dienen auch dazu, die Verwaltung zu binden und ihr Verhalten nach Inhalt, Zweck und Ausmaß zu begrenzen sowie, soweit sie zum Schutz anderer tätig wird, den Schutzauftrag näher zu konkretisieren.

 

Rz. 29

Diesen Anforderungen genügt die jetzige Regelung des § 13b ErbStG zum begünstigten Vermögen nicht.[2] Selbst nach mehrfacher Lektüre der Vorschrift des § 13b ErbStG (die allein im Bundesgesetzblatt 3 Seiten umfasst) ist die Rechtslage nicht klar zu erkennen (und zwar weder für den Steuerpflichtigen noch für die FinVerw). Aufbau, Systematik und Sprache sind in weiten Teilen unklar und widersprüchlich.

 

Rz. 30

Hinzu kommt Folgendes: Der Gesetzgeber stellt in unterschiedlichen Zusammenhang auf bestimmte Quoten des Verwaltungsvermögen am gesamten Vermögen ab.[3] Diese Berechnungen erfolgen aber nicht etwa nach einem einheitlichen Verfahren. Vielmehr wird bei jeder dieser Berechnungen von völlig unterschiedlichen Zahlen ausgegangen, ohne dass dies inhaltlich nachvollziehbar oder sachlich begründet ist. Dieses Regelungskonzept ist unverständlich, unsystematisch und unbillig.

 

Rz. 31

Die FinVerw hat in zahlreichen Erlassen zu dem neuen Unternehmenserbschaftsteuerrecht Stellung genommen (zuletzt vor allem in den ErbStR 2019 samt Hinweisen und zuvor in den AE ErbStR 2017). Die Ausführungen der FinVerw belegen einmal mehr die enorme Komplexität der Regelungen. Allein die ErbStR 2019 (samt den Hinweisen) haben einen Umfang von fast 400 Seiten; dies ist beinahe das 10-fache des Gesetzestextes. Offensichtlich ist das Gesetz in weiten Teilen aus sich heraus nicht mehr verständlich. Die FinVerw fungiert insoweit als eine Art "Ersatzgesetzgeber". Die Entscheidung über die steuerliche Belastung lässt sich in vielen Fällen nicht mehr auf den Willen des Gesetzgebers zurückführen. Verfassungsrechtlich ist dieser Zustand nicht hinnehmbar.

 

Rz. 32

Mit den ErbStR 2019 (samt Hinweisen) soll der einheitliche Vollzug des ErbStG sichergestellt werden. Die Richtlinien und Hinweise können das Gesetz aber immer nur auslegen und nicht etwa ändern oder ergänzen. Viele Regelungen in den ErbStR 2019 (samt Hinweisen) lassen sich dem Gesetz aber (auch im Wege der Auslegung) nicht mehr entnehmen. Dies gilt z. B. für die Bestimmungen zur Lohnsumme bei Umwandlungsfällen und Unternehmensbeteiligungen, zu den jungen Finanzmitteln und der Verbundvermögensaufstellung. Darüber hinaus weichen die Richtlinien und die Hinweise ihrerseits teilweise voneinander ab (s. etwa R E 13b.29 ErbStR 2019 und die Bsp. in den Hinweisen).

 
Wichtig

Die Stellungnahmen der FinVerw sind daher in jedem Einzelfall auf ihre rechtliche Zulässigkeit zu prüfen, insbesondere bei einer Anwendung zulasten der Steuerpflichtigen.

 

Rz. 33

Der Vollzug des Unternehmenserbschaftsteuerrechts erfolgt in der Praxis zudem sehr unterschiedlich. Die Handhabung in den einzelnen Bundesländern erfolgt (trotz der bundesweit einheitlich geltenden ErbStR 2019) keineswegs immer einheitlich. Selbst zwischen einzelnen Finanzämtern finden sich mitunter verschiedene Auffassungen.

Die gesetzlichen Vorgaben zu den gesonderten Feststellungen werden insbesondere bei größeren und komplexen Fällen nicht immer eingehalten; vielfach erfolgen hier "pragmatische" Lösungen mit "gesundem Menschenverstand" und formlose Absprachen zwischen FinVerw und Beratern. Die personellen und fachlichen Kapazitäten sind bei manchen Finanzbehörden zudem nicht ausreichend, um die Regelungen des Unternehmenserbschaftsteuerrechts gesetzkonform anzuwenden und zu kontrollieren.

Bei den veröffentlichten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs zum Unternehmenserbschaftsteuerrecht fällt auf, dass sich die zugrundeliegenden Fälle nicht gleichmäßig auf das Bundesgebiet verteilen. Bei den Entscheidungen der Vorinstanzen finden sich überproportional häufig Urteile des Finanzgerichts Münster; dagegen finden sich nur wenige Urteile von Finanzgerichten aus Süddeutschland. Dies überrascht vor allem auch deshalb, weil nicht nur in Westfalen viele mittelständische Unternehmen ansässig sind. Z. B. ist Baden-Württemberg ("The Länd") weltweit bekannt als Sitz vieler Weltmarktführer und "Hidden Champions". Dementsprechend müsste es dort auch zu zahlreichen Unternehmensnachfolgen mit steuerlichen Folgeproblemen kommen. In den veröffentlichten E...

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