Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsetzungsantrag eines Berufsträgers

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Beruft sich ein Berufsträger in einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auf ein entschuldbares Büroversehen, muss substantiiert und in sich schlüssig vorgetragen werden, wie die Fristen im Büro des Prozessbevollmächtigten überwacht werden.

2. Sofern ein Mitarbeiter als Bote für schriftwahrende Schriftsätze verwendet wird, ist für eine zuverlässige und nachvollziehbare Ausgangskontrolle erforderlich, dass im Postausgangsbuch vermerkt wird, wem welche Ausgangspost als Bote übergeben wurde.

3. Der Grundsatz, dass ein festgestellter Organisationsmangel dann nicht ursächlich für die Fristversäumnis ist, wenn eine diesen Mangel ausgleichende konkrete Einzelanweisung ergangen, jedoch vom Büro nicht befolgt worden ist, gilt nur in den Fällen, in denen die Ausführung der erteilten Anweisungen nicht mittels organisatorischer Vorkehrungen institutionell überwacht werden kann.

4. Die bloße Möglichkeit einer Einzelanweisung reicht zur Glaubhaftmachung nicht aus.

 

Normenkette

AO §§ 355, 347, 122, 110

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten sind verschiedene Feststellungen im Rahmen einer Betriebsprüfung streitig, im Einzelnen Hinzuschätzungen aufgrund einer nicht ordnungsgemäßen Buchführung und Zweifeln an der Vollständigkeit der erklärten Umsätze, verdeckte Gewinnausschüttungen im Zusammenhang mit der Ausbuchung von Darlehensforderungen sowie die Erhöhung der Lohnversteuerung einer Pkw-Nutzung. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist zwischen den Beteiligten zudem streitig, ob der Klägerin Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist zu gewähren ist.

Die Klägerin wurde mit Beschluss vom xx.xx.2013 als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) durch Herrn B als Alleingesellschafter gegründet und ist im Handelsregister beim Amtsgericht D unter HRB xxxxx eingetragen. Zum ersten Geschäftsführer wurde Herr B bestellt (vgl. notarielle Gründungsurkunde UR-Nr. xxx/2013 vom xx.xx.2013 des beurkundenden Notars E mit dem Amtssitz in F), der während des gesamten Streitzeitraums als Geschäftsführer bestellt war.

Der Gründungsgesellschafter B hielt den Geschäftsanteil an der Klägerin in Höhe von EUR 25.000,– bis einschließlich … 2022 treuhänderisch für Frau G (vgl. notarielle Urkunde UR-Nr. xxx/2013 vom xx.xx.2013 des beurkundenden Notars E mit dem Amtssitz in F). Frau G war seit dem 1.10.2013 bei der Klägerin als kaufmännische Angestellte zu einem Bruttolohn in Höhe von EUR 1.100,– beschäftigt (vgl. Niederschrift über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen der Klägerin und Frau G vom 30.9.2013). Unternehmensgegenstand der Klägerin ist ausweislich der Handelsregistereintragung […]. Im Zeitraum vom 1.1.1993 bis zum 13.11.2007 führte Frau G zunächst selbst ein Büro in der Rechtsform eines Einzelunternehmens unter der Anschrift „…, xxxxx H”, unter der auch die Klägerin bis ins Jahr 2016 ihre Geschäftsanschrift hatte. Am xx.11.2007 meldete Frau G ihren Gewerbebetrieb ab. Der Gewerbebetrieb wurde unter derselben Anschrift mit der gleichen Tätigkeitsbeschreibung auf ihren Sohn K angemeldet. Frau G war weiterhin in dem Betrieb tätig. Ab dem 1.9.2009 wurde das Büro wiederum unter derselben Anschrift sodann auf Frau Gs Mutter, J, angemeldet, bevor am xx.8.2013 die Klägerin gegründet wurde und den Betrieb fortführte.

Unter dem Datum vom 17.9.2013 vereinbarten die Klägerin und Frau G, dass für Frau G ein verzinsliches Verrechnungskonto ohne betragsmäßige Fixierung geführt wird, auf dem Belastungen und Gutschriften zu Gunsten oder zu Lasten beider Parteien verbucht werden. Auf die Vereinbarung über die Führung eines Verrechnungskontos zwischen der Klägerin und Frau G vom 17.9.2013 wird Bezug genommen. Mit Vertrag vom 30.10.2013 gewährte die Klägerin Frau G ein endfälliges Darlehen über EUR 97.500,–. Dieser Betrag wurde der Klägerin zuvor unter dem Datum vom 1.10.2013 durch Herrn B darlehensweise zur Verfügung gestellt (vgl. Darlehensvertrag zwischen Herrn B und der Klägerin vom 1.10.2013) und sodann an Frau G „durchgereicht”. Das Darlehen zwischen der Klägerin und Frau G war mit 6 % zu verzinsen und bis zum 31.12.2018 zurückzuzahlen. Unter dem Datum vom 1.1.2015 wurde die Laufzeit des Darlehens bis zum 31.12.2023 verlängert. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Darlehensvereinbarung wird auf den Darlehensvertrag vom 30.10.2013 Bezug genommen.

Ihren Gewinn ermittelte die Klägerin in den Streitjahren durch Betriebsvermögensvergleich gemäß §§ 4 Abs. 1, 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG).

Ab dem 20.11.2017 führte der Beklagte (Finanzamt –FA–) bei der Klägerin eine Betriebsprüfung betreffend Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer für die Jahre 2013 bis 2015 durch. Die Betriebsprüfung machte dabei unter anderem folgende Feststellungen:

a. Die Buchführung der Klägerin sei nicht ordnungsgemäß i.S.d. § 158 der Abgabenord-nung (AO). Mangels Vorlage sämtlicher Ausgangs...

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