Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsrecht; Kontrollbefugnisse der Zollbehörden: Aufzeichnungspflichten nach § 19 Arbeitnehmer-Entsendegesetz bei tariflichen Mindestlöhnen

 

Leitsatz (amtlich)

Im Anwendungsbereich von Tarifverträgen, die gemäß § 7a Arbeitnehmer-Entsendegesetz für allgemein anwendbar erklärt worden sind, richten sich während des Übergangszeitraums vom 01.01.2015 bis 31 12. 2017 die Aufzeichnungspflichten der Arbeitgeber auch dann nach § 19 Arbeitnehmer-Entsendegesetz - und nicht nach § 17 Mindestlohngesetz -, wenn der tarifliche Mindestlohn unter dem gesetzlichen Mindestlohn (§ 1 Abs. 2 Mindestlohngesetz) liegt. (Abweichung von OLG Hamm, Beschl. vom 18.10.2016, III-3 RBs 277/16)

 

Normenkette

SchwarzArbG §§ 23, 2 Abs. 1 Nr. 5; AEntG § 4 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, §§ 7a, 8 Abs. 2, §§ 17, 19 Abs. 1 S. 1, § 23 Abs. 1 Nr. 8; MiLoG § 1 Abs. 2-3, §§ 17, 24 Abs. 1 S. 1; TVG § 5; Landwirtschaftsarbeitsbedingungenverordnung

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über den Umfang der Aufzeichnungspflichten in Bezug auf Arbeitszeiten von Arbeitnehmern.

Der Kläger zu 1. ist Landwirt und beschäftigt in seinem Betrieb ... Festangestellte in Voll- und Teilzeit, geringfügig Beschäftigte sowie Auszubildende. Die Klägerin zu 2. betreibt ... und beschäftigt Festangestellte sowie ... Saisonarbeitskräfte.

Am 29.08.2014 wurde für den Bereich Landwirtschaft und Gartenbau ein Mindestentgelt-Tarifvertrag (TV Mindestentgelt) mit einer Laufzeit vom 01.01.2015 bis 31.12.2017 geschlossen. Der Tarifvertrag wurde nach § 7a Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) mit Geltung bis zum 31.12.2017 für allgemein verbindlich erklärt.

Mit Schreiben vom 13.04.2015 wandten sich die Kläger an den Beklagten. Sie wiesen darauf hin, dass umstritten sei, ob sich während der Laufzeit des TV Mindestentgelt die Aufzeichnungspflichten in Bezug auf die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG) oder dem AEntG richten. Anders als das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) seien sie der Meinung, dass das AEntG weder im Falle von § 1 Abs. 3 MiLoG noch im Falle des § 24 Abs. 1 MiLoG anzuwenden sei. Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 MiLoG sei das AEntG nur dann vorrangig anzuwenden, soweit die auf seiner Grundlage festgesetzten Branchenmindestlöhne den Mindestlohn nach dem MiLoG nicht unterschritten. Dies sei nach dem im TV Mindestentgelt festgelegten Branchenmindestlohn nicht der Fall. § 1 Abs. 3 MiLoG sei gerade kein Alternativverhältnis in der Form zu entnehmen, dass ausschließlich das AEntG oder das MiLoG gelten sollten. Auch aus § 24 Abs. 1 MiLoG ergebe sich nicht die Anwendbarkeit des AEntG. Dort sei das AEntG nicht erwähnt, sondern die "Regelungen eines Tarifvertrages repräsentativer Tarifvertragsparteien", die "dem Mindestlohn" - und nicht dem MiLoG insgesamt - vorgingen. Auch der Gesetzesbegründung zu § 24 Abs. 1 MiLoG sei zu entnehmen, dass sich die Übergangsvorschrift lediglich auf die Höhe des zu zahlenden Mindestentgelts beziehe.

Der Beklagte verwies in seinem Antwortschreiben vom 20.04.2015 auf das Schreiben der Bundesfinanzdirektion West (BFD) vom 18.03.2015. Hierin verwies die BFD auf ein Schreiben des BMAS vom 22.12.2014. Danach sei in § 1 Abs. 3 MiLoG die Grundregel enthalten, dass die spezielleren Branchenmindestlöhne nach dem AEntG den Vorschriften des allgemeinen Mindestlohns vorgingen. Dies gelte selbstverständlich nur unter der Voraussetzung, dass der allgemeine Mindestlohn nicht unterschritten werde. Dieser Vorrang umfasse alle im AEntG enthaltenen Aspekte eines Branchenmindestlohns, also auch die Kontrollvorschriften. Gleiches gelte während der Übergangszeit nach § 24 Abs.1 MiLoG. Der einzige Unterschied zwischen § 1 Abs. 3 MiLoG und § 24 Abs. 1 MiLoG sei, dass während der Übergangszeit ausnahmsweise der Branchenmindestlohn nach dem AEntG den allgemeinen Mindestlohn unterschreiten dürfe. Dies bedeute in der Praxis, dass jeweils nur das eine oder das andere Gesetz - MiLoG oder AEntG - zu Anwendung kommen könne. Die vom Bauernverband gewünschte Kombination eines den Mindestlohn unterschreitenden Branchenmindestlohns für die Landwirtschaft nach dem AEntG einerseits und einer Aufzeichnungspflicht nach § 17 MiLoG andererseits entbehre einer rechtlichen Grundlage. Auf den Einwand des Bauernverbandes, dass nach der dreijährigen Übergangszeit nach § 24 MiLoG ohnehin das MiLoG zur Anwendung komme und daher die Aufzeichnungspflicht nach dem AEntG auf maximal drei Jahre begrenzt sei, wies das BMAS darauf hin, dass die strengeren Aufzeichnungspflichten nach dem AEntG eine Kompensationswirkung zu Gunsten von Arbeitnehmern zukomme. Wenn Arbeitnehmer während der Übergangszeit einen geringeren als den allgemeinen Mindestlohn erhielten, würde die restriktive Aufzeichnungspflicht nach dem AEntG dazu beitragen, dass dieser Mindestlohn tatsächlich gezahlt würde.

Am 08.05.2015 haben die Kläger Feststellungsklage erhoben. Sie verweisen zunächst auf ihren vorgerichtlichen Vortrag und führen ergänzend aus: Nach einer Entscheidung des OLG Hamm sei §...

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