Entscheidungsstichwort (Thema)

BVerfG-Vorlage: Verfassungsmäßigkeit der rückwirkenden Neuregelung der Tonnagesteuer. - siehe dazu anhängiges Verfahren beim BVerfG: 2 BvL 5/23

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das vorlegende Gericht ist davon überzeugt, dass § 52 Abs. 10 Satz 4 EStG verfassungswidrig ist, weil diese Regelung eine unzulässige echte Rückwirkung (Rückbewirkung von Rechtsfolgen) für § 5a Abs. 4 Sätze 5, 6 und 7 EStG zu Lasten der Steuerpflichtigen darstellt.

2. Es liegt keine der vom BVerfG anerkannten Fallgruppen zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der (echten) Rückwirkung vor.

3. Für die Frage des Vertrauensschutzes kommt es nicht auf das Vertrauen in eine konkrete Rechtslage an, sondern vornehmlich auf die Verlässlichkeit und Berechenbarkeit der unter der Geltung des Grundgesetzes geschaffenen Rechtsordnung und der auf ihrer Grundlage erworbenen Rechte.

 

Normenkette

EStG § 5a Abs. 4 Sätze 5-7; GG Art. 100 Abs. 1 S. 1; BVerfGG § 80 Abs. 1

 

Tatbestand

1. Das Verfahren wird ausgesetzt.

2. Es wird eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt, ob § 52 Abs. 10 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der Fassung des Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetzes (AbzStEntModG) vom 2. Juni 2021 (BGBl. I 2021, 1259) insoweit mit den verfassungsrechtlichen Grundsätzen des Vertrauensschutzes ausArt. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) vereinbar ist, als darin die rückwirkende Anwendung des § 5a Abs. 4 Satz 5 bis 7 EStG in der Fassung des AbzStEntModG für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31. Dezember 1998 beginnen, angeordnet wird.

 

Entscheidungsgründe

Teil A: Gegenstand der Vorlage (Sachverhalt und Beteiligtenvortrag)

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob es bei der Klägerin im Zusammenhang mit einem geschenkten Anteil an einer Schiffsgesellschaft zu einer Auflösung des Unterschiedsbetrags gemäß § 5a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und damit zu einer Besteuerung gekommen ist, obwohl für sie vorher kein entsprechender Unterschiedsbetrag festgestellt wurde.

Die Beigeladene zu 1) ist eine im Jahr 1994 gegründete GmbH & Co. KG, deren Geschäftsgegenstand der Erwerb und der Betrieb eines Seeschiffes, der 1995 ausgelieferten MS "XX", und allen damit im Zusammenhang stehenden Geschäften war.

Der Vater der Klägerin war seit 1994 mit einer Einlage in Höhe von ... DM an der Beigeladenen zu 1) beteiligt (als Beteiligter Nr. xx). Die Klägerin beteiligte sich, ebenfalls in 1994, mit einer Einlage in Höhe von ... DM (als Beteiligte Nr. xx).

Zum 1. Januar 1999 optierte die Beigeladene zu 1) zur Gewinnermittlung nach der im Betrieb geführten Tonnage gemäß § 5a EStG.

Mit Bescheid vom 24. August 2006, geändert durch Bescheid vom 25. Oktober 2006, über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Unterschiedsbetrages gemäß § 5a Abs. 4 EStG auf den 31. Dezember 1998 stellte das Finanzamt einen Unterschiedsbetrag für das Handelsschiff in Höhe von ... DM (... €) und einen Unterschiedsbetrag für Fremdwährungsverbindlichkeiten in Höhe von ... DM (... €) fest.

Hiervon entfielen unter anderem auf den seit dem 11. Oktober 1994 mit ... € am Gesamtkapital von ... € Beteiligten Nr. xx, dem Vater der Klägerin, ein anteiliger Unterschiedsbetrag Handelsschiff in Höhe von ... DM (... €) und ein anteiliger Unterschiedsbetrag Fremdwährungsverbindlichkeiten in Höhe von ... DM (... €).

Mit Vertrag vom ... 2005 übertrug der Vater der Klägerin seine gesamten Anteile an der Beigeladenen zusammen mit zwölf anderen Schifffahrtskommandit-Beteiligungen mit wirtschaftlicher Wirkung zum 1. Juni 2005 im Wege der unentgeltlichen Schenkung zu gleichen Teilen an seine Töchter, die Klägerin und ihre Schwester.

Die Beigeladene zu 1) wies der Klägerin und ihrer Schwester als Beteiligte Nr. xx und xx ab dem 1. Juni 2005 den anteiligen Gewinn an der Beigeladenen zu; ebenfalls führte sie die beiden Beteiligten als Rechtsnachfolgerinnen nach dem Vater der Klägerin in der Übersicht über die Entwicklung der Unterschiedsbeträge und wies ihnen diese Unterschiedsbeträge zu. Die in den Folgejahren aufgelösten anteiligen Unterschiedsbeträge für die Fremdwährungsverbindlichkeiten wurden in den jeweiligen Feststellungserklärungen den Beschenkten zugerechnet und auch vom Finanzamt erklärungsgemäß für diese fortentwickelt.

Zum 1. Januar 2012 optierte die Beigeladene zu 1) gemäߧ 5a Abs. 3 Satz 8 EStG zurück zur Gewinnermittlung nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 4 Abs.1, 5 EStG). Zu diesem Zeitpunkt war der Unterschiedsbetrag für die Fremdwährungsverbindlichkeiten bereits in vollem Umfang aufgelöst worden. Durch teilweise Auflösung des Unterschiedsbetrags für das Handelsschiff aufgrund von Anteilsveräußerungen betrug der Unterschiedsbetrag auf den 1. Januar 2012 noch ... €.

Die Klägerin gründete in 2013 zusammen mit der A GmbH (Beigeladene zu 2), ihrem Ehemann und ihrer Schwester die B GmbH & Co. KG (die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2; im Folgenden: B KG). Mit Vertrag vom ... 2013 brachte die Klägerin diverse Schiffsbeteiligungen, unter anderem au...

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