Entscheidungsstichwort (Thema)

Entgegennahme einer Einkommensteuererklärung und Verwendung für Zwecke der Veranlagung ist Datenverarbeitung im Sinne der DSGVO. Nachweispflicht für einen Datenschutzverstoß und einen infolgedessen erlittenen Schaden

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Entgegennahme einer Einkommensteuererklärung mit Anlagen und Belegen und deren Sichtung und Verwendung für Zwecke der Einkommensteuerveranlagung stellt eine Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 2 DSGVO durch die Finanzbehörde als Verantwortliche dar.

2. Der Beweis sowohl eines Datenschutzverstoßes im Sinne von Art. 4 Nr. 12 DSGVO als auch eines durch den Verstoß erlittenen materiellen oder immateriellen Schadens obliegt dem Verletzten.

3. Im Streitfall sah der Senat den behaupteten Datenschutzverstoß des Finanzamts durch irrtümliche Übersendung der der Steuererklärung des Klägers beigefügten Belege an eine dritte Person (Zeugin) angsichts widersprüchlicher Einlassungen sowohl des Klägers als auch der Zeugin als nicht erwiesen an; es sei nicht ausgeschlossen, dass der Kläger und die Zeugin bewusst und gewollt in gemeinsamer Absprache falsch ausgesagt haben, um dem Kläger finanzielle Vorteile zu verschaffen.

 

Normenkette

AO § 32i Abs. 4; BGB § 839; DSGVO Art. 4 Nrn. 2, 12, Art. 79, 82 Abs. 1

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, welche den Kläger und seine Familie betreffenden Unterlagen vom Finanzamt C (Beklagter) an eine dritte Person (Frau D, …) übersandt wurden, wen diese betrafen und ob und ggf. in welcher Höhe sich hieraus Ansprüche des Klägers auf Schmerzensgeld nach Art. 82 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ergeben.

Der Kläger wird zusammen mit seiner Ehefrau B.B. einkommensteuerlich beim Beklagten geführt. […]

Nach Aktenlage versendeten der Kläger und seine Ehefrau ihre Einkommensteuererklärung 2018 am 9. Juli 2019 elektronisch mittels ELSTER an den Beklagten (…).

Mit Schreiben vom 15. Juli 2019 teilte der Beklagte mit, dass die Erklärung nicht anerkannt werden könne, da kein Papierausdruck vorliege. Die Eheleute wurden aufgefordert, eine Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben. Sie wurden gebeten, den entsprechenden Papierausdruck vollständig zu erstellen, diesen zu unterschreiben und an den Beklagten zu übersenden. Das Schreiben vom 15. Juli 2019 solle beigefügt werden. Des Weiteren wird ausgeführt, dass in der Anlage die eingereichten Belege/Anlagen übersendet werden. Auf dem von Klägerseite vorgelegten Schreiben des Beklagten befindet sich ein Eingangsstempel des Beklagten mit dem Datum 19. Juli 2019 (…).

Mit Schreiben vom 17. Juli 2019 übersandten der Kläger und seine Ehefrau nach Aktenlage die Einkommensteuererklärung 2018 in Papierform. Auf dem von Klägerseite vorgelegten Schreiben befindet sich ein Eingangsstempel des Beklagten mit dem Datum 19. Juli 2019 (…).

Mit Schreiben vom 19. August 2019 erinnerte der Beklagte an die Abgabe der Einkommensteuererklärung 2018.

Am 20. August 2019 rief Frau B.B. lt. einem Aktenvermerk des Beklagten vom 26. August 2019 beim Beklagten an und teilte mit, dass die Erklärung bereits Anfang Juli 2019 abgegeben worden sei. Die Mitarbeiterin des Beklagten habe um nochmalige Übersendung der Einkommensteuererklärung gebeten, da kein Eingang festgestellt werden könne. Auf Frage von Frau B.B., was mit den bereits eingereichten Belegen geschehen sei, habe die Mitarbeiterin mitgeteilt, dass diese wahrscheinlich im Beleglager seien.

Die Einkommensteuererklärung 2018 ging nach Aktenlage am 22. August 2019 in elektronischer Form beim Beklagten ein.

Am 23. August 2019 führte lt. einem Aktenvermerk des Beklagten vom 26. August 2019 eine andere Mitarbeiterin des Beklagten ein Telefonat mit Frau B.B.. Frau B.B. habe mitgeteilt, dass sie am 22. August 2019 die Einkommensteuererklärung 2018 direkt bei der Zentralen Informations- und Annahmestelle (ZIA) in E abgegeben habe. Als sie wieder zuhause gewesen sei, seien ihr von Frau D, die sie bis dahin nicht gekannt habe, die im Juli eingereichten Belege mit einem Anschreiben („ALLVA Stufe 1”) übergeben worden. Frau D hätte auch ein solches Schreiben erhalten, es aber einige Zeit liegen lassen und erst später bemerkt, dass fremde Belege beigefügt gewesen seien.

Im Laufe des Klageverfahrens legte der Prozessbevollmächtigte des Klägers das Schreiben des Beklagten an Frau D vom 11. April 2019 betreffend deren Einkommensteuererklärung 2018 vor. Es enthält keinen Hinweis auf mitübersandte Anlagen.

Mit E-Mail vom 23. August 2019 verfasste der Kläger wegen dieses Vorfalls eine Eingabe beim Bundesbeauftragten für Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI).

In einer E-Mail an den Beklagten vom 24. August 2019 führte der Kläger aus, nach dem Einreichen der Einkommensteuererklärung 2018 Anfang Juli 2019 habe er die Nachricht erhalten, dass noch Dokumente fehlten. Diese hätten er und seine Ehefr...

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