rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Kindergelderstattung mit schuldbefreiender Wirkung auf ein Konto des Kindes bei Angabe des eigenen Kontos des Elternteils im Einspruchsverfahren sowie Angabe des Kontos des Kindes in einem parallel laufenden neuen Kindergeldantragsverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Hat ein Elternteil eine Kindergeldrückforderung für zurückliegende Zeiträume bezahlt sowie im hiergegen eingeleiteten Einspruchsverfahren ausdrücklich schriftlich eine eigene Bankverbindung für die angestrebte Erstattung durch die Familienkasse angegeben und hat er kurz danach für das volljährige Kind einen neuen Kindergeldantrag für die Zukunft gestellt, weil die Familienkasse eine Antragstellung durch das Kind selbst nicht zugelassen hatte, und wurde in diesem Antrag ein Konto des Kindes als Auszahlungskonto für das künftige Kindergeld angegeben, so kann in der Angabe des Kontos der Tochter für künftige Kindergeldzeiträume in dem neuen Kindergeldantrag kein Widerruf der zuvor angegebenen eigenen Bankverbindung für die Erstattung des Kindergelds für die im Einspruchsverfahren streitigen früheren Zeiträume gesehen werden. Die Familienkasse konnte daher nach Stattgabe des Einspruchs die Kindergelderstattung nicht mit schuldbefreiender Wirkung auf das Konto des Kindes leisten; bei Zweifeln wegen des zutreffenden Kontos hätte sie ggf. anfragen müssen.

2. In der Angabe einer neuen Bankverbindung kann grundsätzlich der Widerruf der zuvor angegebenen Bankverbindung gesehen werden, so dass die Finanzbehörde bzw. Familienkasse auf das neu angegebene Konto zu leisten hat. Diese Auffassung kann allerdings nicht abstrakt gelten, sondern setzt voraus, dass die Auslegung nach Treu und Glauben und die Verkehrssitte dazu führen, dass die Angabe einer neuen Bankverbindung als Widerruf der alten Bankverbindung zu verstehen ist.

3. Ihrer Obliegenheit, die Kindergeld-Antragsformulare so verständlich wie möglich auszugestalten, genügt die Bundesagentur für Arbeit in dem Punkt des Zahlungsweges nicht. Deswegen trifft sie eine erhöhte Pflicht, bei Zweifelsfällen selbst zur Klärung initiativ zu werden.

4. Die gegen das Urteil eingelegte Revision (Az beim BFH III R 30/17) wurde wieder zurückgenommen.

 

Normenkette

AO §§ 47, 37 Abs. 1, § 224; BGB §§ 185, 362 Abs. 2, § 270 Abs. 1, §§ 133, 157; EStG § 67 S. 2

 

Tenor

1. Der Abrechnungsbescheid vom 18. November 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. Dezember 2015 wird dahingehend geändert, dass ein Auszahlungsbetrag von Kindergeld an die Klägerin i.H.v. 3.680 Euro festgestellt wird.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der noch zu erlassende Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500,– EUR, hat die Klägerin in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit zu leisten. Liegt der vollstreckbare Kostenerstattungsanspruch im Wert bei 1.500,– EUR oder darunter, ist das Urteil hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vollstreckbar. In diesem Fall kann die Beklagte der Vollstreckung widersprechen, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit leistet.

5. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Beklagte eine Kindergeldnachzahlung mit schuldbefreiender Wirkung auf ein Konto der Tochter der Klägerin leisten konnte.

Die Klägerin bezog zunächst für ihre am xx.xx. 1993 geborene Tochter T Kindergeld.

Mit Bescheid vom 6. Februar 2015 hob die Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes ab Oktober 2011 auf und forderte Kindergeld für den Zeitraum von Oktober 2011 bis Mai 2014 i.H.v. 5.888 EUR zurück (Kindergeldakte Bl. 279).

Hiergegen legte die Klägerin am 21. Februar 2015 Einspruch ein (Kindergeldakte Bl. 283).

Das Kindergeld zahlte sie am 14. April 2015 zurück (Kindergeldakte Bl. 394), und zwar nicht von ihrem für den Empfang von Kindergeldzahlungen verwendeten Konto bei einer Volksbank, sondern von einem anderen Konto bei der A Bank.

Unter dem Datum des 3. August 2015 stellte die Tochter der Klägerin in eigenem Namen einen Antrag auf Zahlung von Kindergeld (Kindergeldakte Bl. 328). Dabei gab sie ihre eigene Kontonummer bei der Volksbank X an. In dem beigefügten Antrag auf Auszahlung des anteiligen Kindergeldes für über 18 Jahre alte Kinder behauptet die Tochter der Klägerin, dass diese und ihr Vater ihr keinen Unterhalt bezahlen würden (Kindergeldakte Bl. 335).

Mit Schreiben vom 11. August 2015 übersandte die Beklagte unter Hinweis auf ein Telefonat, das aus der Akte nicht ersichtlich ist, die Formulare KG 1 (Antrag auf Kindergeld) und KG 1 Anlage Kind (Anlage Kind zum Antrag auf Kindergeld) an die Klägerin (Kindergeldakte Bl. 338).

Die Klägerin schickte unter dem Datum des 11. August 2015 ein Schreiben, das am 19. August 2015 bei der Beklagten eingescannt wurde, mit Unterlagen zu de...

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