Leitsatz
Nachzahlungszinsen sind zu erlassen, wenn diese auf einen Zeitraum entfallen, in dem ein Anspruch auf eine zinsfreie Stundung bestand.
Sachverhalt
Gegenüber dem Kläger wurde am 13.5.2020 der Körperschaftsteuerbescheid 2018 erlassen. Mit diesem Bescheid setzte das Finanzamt auch Nachzahlungszinsen für den April 2020 fest. Mit Schreiben vom 18.5.2020 beantragte der Kläger unter Hinweis auf ein BMF-Schreiben zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie die zinsfreie Stundung aller Zahlungsansprüche sowie den Erlass der Nachzahlungszinsen wegen sachlicher Unbilligkeit der Zinsfestsetzung. Er verwies darauf, dass bei einem Erlass des Bescheids vor dem 1.4.2020 etwaige Zahlungsansprüche zinslos zu stunden gewesen wären. Das Finanzamt gewährte die Stundung, lehnte aber den Erlass der festgesetzten Zinsen ab. Nach einem erfolglosen Einspruchsverfahren wandte sich der Kläger an das zuständige Finanzgericht.
Entscheidung
Das Finanzgericht Münster gab dem Begehren des Klägers statt. Es entschied, dass die Zinsen aus sachlichen Billigkeitserwägungen zu erlassen seien. Eine Steuer oder eine steuerliche Nebenleistungen seien entweder aus persönlichen oder sachlichen Gründen zu erlassen. Eine sachliche Unbilligkeit liege dabei nach der Rechtsprechung des BFH vor, wenn ein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis zwar dem gesetzlichen Tatbestand nach bestehe, seine Geltendmachung aber mit dem Zweck des Gesetzes nicht zu rechtfertigen sei. Zweck der Regelung zu den Nachzahlungszinsen nach § 233a AO sei es, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass die Steuer bei einzelnen Steuerpflichtigen zu einem unterschiedlichen Zeitpunkt festgesetzt wird. Dabei soll der Liquiditätsvorteil eines Steuerpflichtigen abgeschöpft werden, der dadurch entsteht, dass eine Steuer erst nach einem Ablauf von 15 Monaten nach dem Entstehungszeitraum festgesetzt wird. Dieser gesetzliche Grund greife hier indes nicht durch. Zwar bestehe ein abstrakter Liquiditätsvorteil des Klägers; er entfällt im Sachverhalt aber, da der Kläger unstreitig aufgrund des BMF-Schreibens BMF, Schreiben v. 19.3.2020, IV A 3 – S 0336/19/10007 :002, zu steuerlichen Maßnahmen zur Berücksichtigung der Auswirkungen des Coronavirus bereits ab 19.3.2020 einen Anspruch auf zinsfreie Stundung der Körperschaftsteuer-Nachzahlung 2018 gehabt habe. Dieses Schreiben sei somit bereits vor dem Erlass des Steuerbescheids ergangen. Insofern bestehe ein Anspruch auf Erlass der Nachzahlungszinsen.
Hinweis
Die Entscheidung ist in vollem Umfang zu begrüßen. Die Voraussetzungen für einen Erlass der festgesetzten Zinsen aus sachlichen Billigkeitserwägungen liegen offenbar vor. Aus dem BMF-Schreiben vom 19.3.2020 geht eindeutig hervor, dass die Finanzverwaltung einen Anspruch auf eine zinsfreie Stundung gewährt, um die seinerzeit unabsehbaren Auswirkungen der Corona-Pandemie abzumildern. Der Kläger hätte also unstreitig einen Anspruch auf eine zinsfreie Stundung der Körperschaftsteuer 2018 gehabt. In einer solchen Konstellation ist es nur folgerichtig, dass auch Zinsen, die festgesetzt wurden, zu erlassen sind. Die Einwendungen, die das Finanzamt hiergegen vorgebracht hat, überzeugen nicht. Insbesondere kann es dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen, dass er nicht freiwillig eine Vorauszahlung geleistet hat. Schließlich war aufgrund des Schreibens vom 19.3.2020 auch die Nachzahlung zur Körperschaftsteuer 2018 (zinslos) zu stunden. Bleibt zu hoffen, dass der BFH das Urteil bestätigt. Die Revision zum BFH wurde nämlich wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.
Link zur Entscheidung
FG Münster, Urteil v. 26.10.2022, 13 K 1920/21