Haftung nach § 69 AO bedeutet das Einstehenmüssen für die Schuld eines Dritten, so dass sich Haftungs- und Steuerschuldnerschaft gegenseitig ausschließen (BFH v. 8.3.2022 – VI R 19/20, BStBl. II 2022, 633; BFH v. 23.6.2020 – VII R 56/18, BFH/NV 2021, 217 = AO-StB 2021, 7 (Tormöhlen); BFH v. 2.10.2017 – BFH v. 24.10.2017 – VII B 99/17, BFH/NV 2018, 933; BFH v. 21.6.2022 – VIII R 26/19, BStBl. II 2023, 210 = AO-StB 2022, 375 (Gehm)). Insoweit unterscheidet sich der zivilrechtliche Haftungsbegriff vom steuerlichen.

Ein GmbH-Geschäftsführer ist als gesetzlicher Vertreter seiner GmbH Haftungsschuldner für die Steuerschulden der GmbH. Unerheblich ist dabei, wenn er denn ordnungsgemäß bestellt worden ist, ob er nur als Strohmann tätig geworden ist (BFH v. 15.11.2022 – VII R 23/19, BB 2023, 661).

Somit haftet auch derjenige, der faktisch gar keinen Einfluss auf die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH nimmt bzw. nehmen kann. Will er dieser Haftung entgehen, muss er sein Amt niederlegen (FG Münster v. 12.8.2022 – 4 K 1469/20 U, EFG 2022, 1797). Dabei wird bei Kenntnis um die mangelnde Einflussnahmemöglichkeit bei Antreten der Geschäftsführerposition von einem Übernahmeverschulden ausgegangen (FG Münster v. 19.12.2022 – 4 K 1158/20 L, StB 2023, 65, Rev. beim BFH unter VII R 4/23).

Allerdings entfällt die Haftung dann nach § 36 AO für ihn nicht rückwirkend, sondern erst ab dem Zeitpunkt, zu dem seine Vertreterstellung endet (FG Münster v. 19.12.2022 – 4 K 1158/20 L, StB 2023, 65, Rev. beim BFH unter VII R 4/23; FG Düsseldorf v. 7.3.2023 – 7 K 883/20 H, BeckRS 2023, 4432). Bei der Beendigung wie der Bestellung zum Geschäftsführer hat die Eintragung ins Handelsregister nur deklaratorische Bedeutung, so dass es regelmäßig auf den Zeitpunkt eines entsprechenden Gesellschafterbeschlusses ankommt (FG Düsseldorf v. 18.11.2022 – 3 K 590/21 H, EFG 2023, 169). Zudem soll die Bestellung eines zunächst wirksam bestellten Geschäftsführers aufgrund einer rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Straftat nach § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 Buchst. a GmbHG kraft Gesetzes die Geschäftsführerstellung und somit die Haftung nach § 69 AO entfallen (FG Münster v. 19.12.2022 – 4 K 1158/20 L, StB 2023, 65, Rev. beim BFH unter VII R 4/23).

Da faktische Geschäftsführer Verfügungsberechtigte i.S.v. § 35 AO sind, haften sie allerdings auch gem. § 69 AO (Kohler in Zugmaier/Nöcker, AO, § 35 Rz. 6 [Stand 1.2.2023] und § 69 Rz. 9 [Stand 1.3.2023]).

Insofern steht dann die Haftung des Strohmannes ggf. neben der des faktischen Geschäftsführers. Ob beide oder nur einer von ihnen in Haftung genommen wird, ist eine Frage der Ermessensausübung (FG Münster v. 12.8.2022 – 4 K 1469/20 U, EFG 2022, 1797; FG Münster v. 19.12.2022 – 4 K 1158/20 L, StB 2023, 65, Rev. beim BFH unter VII R 4/23; BFH v. 11.3.2004 – VII R 52/02, BStBl. II 2004, 579 = AO-StB 2004, 244). Prüft die Finanzverwaltung jedoch nicht einmal die Inanspruchnahme des faktischen Geschäftsführers, ist dies ermessensfehlerhaft (Hess. FG v. 23.2.2022 – 6 V 1556/21, BeckRS 2022, 30022).

In diesem Zusammenhang gilt, dass "bei mehreren Haftungsschuldnern, von denen nur einer in Anspruch genommen wird, (...) das Auswahlermessen nur dann ausreichend ausgeübt und begründet" ist, "wenn spätestens aus der Einspruchsentscheidung hervorgeht, warum der eine in Anspruch genommen, der oder die anderen aber von der Haftung freigestellt werde" (FG Hamburg v. 22.2.2022 – 2 V 16/21, GmbH-StB 2022, 220).

Beraterhinweis Auch ein nur als Strohmann agierender, formell aber ordnungsgemäß bestellter Geschäftsführer einer GmbH haftet nach § 69 AO, auch wenn er in der Realität keinerlei eigene Entscheidungsbefugnis bei der Geschäftsführung besitzt. Es ist dann aber eine Frage der Ermessensausübung, ob er neben einem faktischen Geschäftsführer vom Finanzamt für die Steuerschulden der GmbH herangezogen wird.

Allein, dass ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wird, entbindet den Geschäftsführer nicht von seiner Verpflichtung, für die Erfüllung der Steuerpflichten der GmbH Sorge zu tragen (BFH v. 14.12.2021 – VII R 32/20, BStBl. II 2022, 537 = AO-StB 2022, 174 (Marfels)).

Da auch Liquidatoren von der Haftung nach § 69 AO umfasst sind, denn nach § 70 GmbHG sind sie gesetzliche Vertreter der GmbH (FG Münster v. 12.8.2022 – 4 K 1469/20 U, EFG 2022, 1797), und regelmäßig nach § 66 GmbHG die bisherigen Geschäftsführer als Liquidatoren fungieren, setzt sich deren Haftung in der Liquidationsphase der GmbH fort.

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