Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung von Beiträgen und Spenden am kommunale Wählervereinigungen bei der Einkommensbesteuerung
Leitsatz (amtlich)
Der völlige Ausschluß der kommunalen Wählervereinigungen von steuerlichen Entlastungen gemäß § 10 b und § 34 g des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des Parteiengesetzes und anderer Gesetze vom 22. Dezember 1983 (BGBl I S. 1577) ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 9, 20, 28 Abs. 1 S. 2, Art. 38 Abs. 1 S. 1; EStG §§ 106, 349; PartG § 2
Tatbestand
A.
Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, daß Beiträge und Spenden an kommunale Wählervereinigungen anders als Beiträge und Spenden an politische Parteien im Sinne des § 2 PartG bei der Besteuerung des Einkommens keine Berücksichtigung finden.
I.
§ 10 b und § 34 g des Einkommensteuergesetzes (zur Zeit gültig i.d.F. der Bekanntmachung vom 27. Februar 1987 [BGBl I S. 657]) – EStG – erhielten durch Art. 4 Nrn. 3 und 4 des am 28. Dezember 1983 verkündeten und am 1. Januar 1984 in Kraft getretenen Gesetzes zur Änderung des Parteiengesetzes und anderer Gesetze vom 22. Dezember 1983 (BGBl I S. 1577) – Änderungsgesetz (ÄndG) – die folgende Fassung:
§ 10 b
Steuerbegünstigte Zwecke
(1) Ausgaben zur Förderung mildtätiger, kirchlicher, religiöser, wissenschaftlicher und staatspolitischer Zwecke und der als besonders förderungswürdig anerkannten gemeinnützigen Zwecke sind bis zur Höhe von insgesamt 5 vom Hundert des Gesamtbetrags der Einkünfte oder 2 vom Tausend der Summe der gesamten Umsätze und der im Kalenderjahr aufgewendeten Löhne und Gehälter als Sonderausgaben abzugsfähig. Ausgaben zur Förderung staatspolitischer Zwecke können nur insoweit als Sonderausgaben abgezogen werden, als für sie nicht eine Steuerermäßigung nach § 34 g gewährt worden ist. Für wissenschaftliche und als besonders förderungswürdig anerkannte kulturelle Zwecke erhöht sich der Vomhundertsatz von 5 um weitere 5 vom Hundert. Als Ausgabe im Sinne dieser Vorschrift gilt auch die Zuwendung von Wirtschaftsgütern mit Ausnahme von Nutzungen und Leistungen. Ist das Wirtschaftsgut unmittelbar vor seiner Zuwendung einem Betriebsvermögen entnommen worden, so darf bei der Ermittlung der Ausgabenhöhe der bei der Entnahme angesetzte Wert nicht überschritten werden. In allen übrigen Fällen bestimmt sich die Höhe der Ausgabe nach dem gemeinen Wert des zugewendeten Wirtschaftsguts.
(2) Ausgaben zur Förderung staatspolitischer Zwecke sind Mitgliedsbeiträge und Spenden an politische Parteien im Sinne des § 2 des Parteiengesetzes. Spenden an eine Partei oder einen oder mehrere ihrer Gebietsverbände, deren Gesamtwert in einem Kalenderjahr 20.000 Deutsche Mark übersteigt, können nur abgezogen werden, wenn sie nach § 25 Abs. 2 des Parteiengesetzes im Rechenschaftsbericht verzeichnet worden sind.
§ 34 g
Bei Steuerpflichtigen, die Ausgaben zur Förderung staatspolitischer Zwecke leisten, ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die sonstigen Steuerermäßigungen mit Ausnahme des § 35, um 50 vom Hundert der Ausgaben, höchstens um 600 Deutsche Mark, im Fall der Zusammenveranlagung von Ehegatten höchstens um 1.200 Deutsche Mark.
Zu § 10 b Abs. 1 Satz 1 EStG hat das Bundesverfassungsgericht – Zweiter Senat – in seinem Urteil vom 14. Juli 1986 (BVerfGE 73, 40) entschieden: Die Vorschrift sei mit Art. 3 Abs. 1 GG insoweit unvereinbar, als danach die Abzugsfähigkeit von Ausgaben zur Förderung staatspolitischer Zwecke nach bestimmten Vomhundertsätzen des Gesamtbetrages der Einkünfte, des Einkommens oder der Summe der gesamten Umsätze und der im Kalenderjahr aufgewendeten Löhne und Gehälter bemessen werde; sie verletze Art. 3 Abs. 1 GG ferner insofern, als die steuerliche Abzugsfähigkeit nicht auf einen für alle Steuerpflichtigen gleichen Höchstbetrag begrenzt sei, der 100.000 DM nicht überschreiten dürfe; bis zu einer gesetzlichen Neuregelung sei § 10 b EStG im Wege vorläufiger Steuerfestsetzung (§ 165 Abgabenordnung) mit der Maßgabe anzuwenden, daß Ausgaben zur Förderung staatspolitischer Zwecke für jeden Steuerpflichtigen – unter Wegfall der Begrenzungen auf die bisher vorgesehenen Vomhundertsätze – bis zu einem Höchstbetrag von 100.000 DM abzugsfähig seien.
II.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen § 10 b Abs. 2 EStG in der Fassung, welche die Vorschrift durch Art. 4 Nr. 3 b ÄndG erhalten hat. Der Beschwerdeführer ist ein im Jahr 1979 gegründeter eingetragener Verein mit Sitz in W/B. Er hat seitdem an den Kommunalwahlen in der Stadt W teilgenommen; einige der von ihm aufgestellten Kandidaten konnten jeweils Mandate im Gemeinderat erringen. Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei dadurch beschwert, daß er bezüglich der einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung von Spenden den politischen Parteien nicht gleichgestellt werde. Diese sich aus § 10 b Abs. 2 EStG ergebende Rechtslage verletze ihn in seinem Grundrecht auf Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) und verstoße außerdem gegen die aus Art. 21 und Art. 28 Abs. 2 GG folgenden Grundsätze der Chancengleichheit der politischen Parteien und anderer Wählergruppen im kommunalen Bereich:
Träten kommunale Wählervereinigungen – die sogenannten Rathausparteien – zu Wahlen an, seien sie den politischen Parteien im Sinne des Art. 21 GG und des § 2 PartG gleichzustellen. Das Gebot der grundsätzlich strengen Gleichbehandlung durch den Gesetzgeber im Bereich der politischen Willensbildung des Volkes müsse – wie das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 15. Januar 1985 (BVerfGE 69, 92) ausgeführt habe – nicht nur im Verhältnis der politischen Parteien zueinander, sondern auch gegenüber anderen Gruppen oder Bewerbern, die mit den politischen Parteien um Wählerstimmen kämpften, gelten.
Der Gesetzgeber dürfe das Recht des Einzelnen auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung grundsätzlich nicht in der Weise beeinträchtigen, daß er bestimmten Bürgern eine größere Einflußnahme auf den Willensbildungsprozeß ermögliche als anderen. Dies sei indes durch die angegriffene Vorschrift in einer verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbaren Weise geschehen; durch sie sei die schon früher bestehende, den Gegenstand der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Januar 1985 (BVerfGE 69, 92) bildende Steuervergünstigung für politische Parteien mit Wirkung ab 1984 massiv angehoben worden.
Die steuerliche Ungleichbehandlung der kommunalen Wählervereinigungen gegenüber den politischen Parteien wiege um so schwerer, als sie an Bundes- und Landtagswahlen nicht teilnahmen und deshalb keine Erstattung von Wahlkampfkosten erhielten. Die Parteien bekämen so einen doppelten Vorsprung im politischen Wettbewerb, für den es einen rechtfertigenden Grund nicht gebe.
III.
Zu der Verfassungsbeschwerde hat sich für die Bundesregierung der Bundesminister der Finanzen geäußert. Er hat mitgeteilt, die Bundesregierung gehe von der Verfassungsmäßigkeit des geltenden Rechts aus, erwäge jedoch im Blick auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Januar 1985 (BVerfGE 69, 92), ob wegen der zwischenzeitlichen Erweiterung der steuerlichen Begünstigung politischer Parteien eine steuerliche Absetzbarkeit von Geldzuwendungen an freie Wählergemeinschaften vorzusehen sei.
Der Präsident des Bundesfinanzhofs hat mitgeteilt, der IV. Senat des Bundesfinanzhofs habe Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift; der Ausschluß kommunaler Wählervereinigungen von den für die Parteien geltenden Steuervergünstigungen sei wohl kaum mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
Entscheidungsgründe
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.
1. Der Beschwerdeführer ist in dem hier erforderlichen Umfang „grundrechtsfähig” und befugt, zur Verteidigung des von ihm als verletzt gerügten Grundrechts Verfassungsbeschwerde zu erheben (vgl. BVerfGE 53, 366 [386 ff.]).
2. Der Beschwerdeführer ist durch die angegriffene Rechtsnorm selbst, gegenwärtig und unmittelbar in seinen Rechten nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG betroffen.
Der Beschwerdeführer ist zwar nicht Adressat des angegriffenen Gesetzes. Denn § 10 b Abs. 2 EStG wendet sich nicht an kommunale Wählervereinigungen; die Vorschrift ermöglicht es vielmehr Steuerpflichtigen, Mitgliedsbeiträge und Spenden an politische Parteien als Sonderausgaben abzuziehen. Der Beschwerdeführer ist gleichwohl selbst betroffen, weil die angegriffene Regelung ihn rechtlich, also nicht bloß mittelbar faktisch berührt, ihn mithin nicht lediglich eine Reflexwirkung der Norm trifft (vgl. BVerfGE 6, 273 [278]). Zweck und Wirkung des § 10 b EStG bestehen gerade darin, den politischen Parteien eine finanzielle Förderung zukommen zu lassen, die in vergleichbarer Weise den kommunalen Wählervereinigungen nicht zuteil wird.
Die Betroffenheit des Beschwerdeführers ist gegenwärtig, weil er aktuell durch die Vorenthaltung steuerlicher Vergünstigungen für ihm zufließende Mitgliedsbeiträge und Spenden benachteiligt ist.
Der Beschwerdeführer ist auch unmittelbar betroffen, weil die angegriffene Regelung, um ihren Zweck zu erreichen, nicht noch des behördlichen Vollzugs bedarf. Vielmehr wird der Rechtsnachteil, der den kommunalen Wählervereinigungen aufgrund des § 10 b Abs. 2 EStG erwächst, durch das bloße Vorhandensein der Vorschrift bewirkt: Weil Beiträge und Spenden an kommunale Wählervereinigungen weder von der Steuerschuld noch als Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden können, sind diese Vereinigungen bei der Mitgliederwerbung und der Bemühung um Spenden benachteiligt. Dadurch vermindern sich ihre Chancen im Wettbewerb mit den politischen Parteien.
3. Der in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG niedergelegte Grundsatz der Subsidiarität steht der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde nicht entgegen. Er verfangt von jedem, der die Verletzung seiner Grundrechte geltend machen will, vor der Inanspruchnahme des Bundesverfassungsgerichts einen ihm gegebenen Rechtsweg zu beschreiten. Auch wenn ein fachgerichtlicher Rechtsweg unmittelbar gegen die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Norm nicht eröffnet ist, ist der Beschwerdeführer gehalten, einen wirkungsvollen Rechtsschutz zunächst durch Anrufung der Fachgerichte zu suchen, sofern dies möglich und dem Beschwerdeführer zumutbar ist (vgl. BVerfGE 71, 305 [335 ff.]).
Der Beschwerdeführer kann hier nicht auf den fachgerichtlichen Rechtsschutz verwiesen werden. Es ist nicht ersichtlich, wie er auf diesem Wege zeitgerecht einen tatsächlich und rechtlich wirkungsvollen Rechtsschutz erlangen könnte: Der Beschwerdeführer will geklärt wissen, daß Personen, die Beiträge oder Spenden an ihn entrichten, so zu behandeln sind wie diejenigen, die politischen Parteien Beiträge und Spenden zukommen lassen. Ein Verfahren, in dem eine solche Feststellung mit verbindlicher Wirkung für den Beschwerdeführer und zugleich verläßlich für Beitragszahler und Spender getroffen werden könnte, steht ihm nicht zur Verfügung. Ein solches Verfahren gibt es nicht einmal für die Anerkennung, ein Verein verfolge gemeinnützige Zwecke im Sinne des Steuerrechts, obgleich es dafür aus rechtsstaatlicher Sicht ein Bedürfnis gibt. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, der die Praxis folgt, hat eine entsprechende Bescheinigung des Finanzamts nur den Charakter einer unverbindlichen Auskunft, deren Erteilung mit förmlichen Rechtsmitteln nicht erzwungen werden kann (vgl. Urteil vom 11. September 1956, BStBl III 1956, S. 309; Beschluß vom 7. Mai 1986, BStBl II 1986, S. 677, 678).
4. Die Verfassungsbeschwerde ist rechtzeitig innerhalb der Jahresfrist des § 93 Abs. 2 BVerfGG erhoben worden. Durch das am 1. Januar 1984 in Kraft getretene Änderungsgesetz vom 22. Dezember 1983 erhielt § 10 b Abs. 2 EStG eine neue, von der des § 10 b Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom 6. Dezember 1981 (BGBl I S. 1249) abweichende Fassung. Beide Vorschriften sind zwar insofern inhaltsgleich, als sie Mitgliedsbeiträge und Spenden an kommunale Wählervereinigungen nicht als steuerlich abzugsfähig anerkennen. Durch die im Vergleich zum früheren Rechtszustand erheblich ausgeweitete steuerliche Begünstigung finanzieller Zuwendungen an politische Parteien hat jedoch die Novellierung des Einkommensteuergesetzes der in dem genannten Punkt unverändert gebliebenen Vorschrift eine neue, den Beschwerdeführer ersichtlich stärker als bisher belastende Wirkung verliehen. Sie hat insoweit einen neuen Inhalt gewonnen. Das Änderungsgesetz hat daher die Verfassungsbeschwerdefrist neu in Lauf gesetzt.
5. Der Gegenstand des Verfahrens, die steuerliche Entlastung von Beiträgen und Spenden an politische Parteien, nicht aber auch an kommunale Wählervereinigungen, betrifft sowohl § 10 b als auch § 34 g EStG. Die Rüge des Beschwerdeführers richtet sich zwar dem Wortlaut nach nur gegen § 10 b Abs. 2 EStG; sein Begehren, Beiträge und Spenden an kommunale Wählervereinigungen einkommensteuerrechtlich denjenigen an politische Parteien gleichzustellen, zielt jedoch ebenso auf § 10 b Abs. 1 und § 34 g EStG. Demgemäß erstreckt sich die Verfassungsbeschwerde auch auf diese Bestimmungen.
C.
Die Verfassungsbeschwerde ist begründet.
Nach § 10 b Abs. 2 Satz 1 EStG i.d.F. des Art. 4 Nr. 3 b ÄndG sind als Ausgaben zur Förderung staatspolitischer Zwecke steuerlich abzugsfähig im Sinne des § 10 b Abs. 1 EStG nur Mitgliedsbeiträge und Spenden an politische Parteien im Sinne des § 2 PartG, nicht jedoch Mitgliedsbeiträge und Spenden an Wählervereinigungen, die nur im kommunalen Bereich tätig sein wollen. Eine andere Auslegung ist – wie der Senat bereits zum insoweit inhaltsgleichen § 10 b Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom 21. Juni 1979 (BGBl I S. 721) – EStG 1979 – dargelegt hat (BVerfGE 69, 92 [104 f.]) – angesichts des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift nicht möglich. Auch § 34 g i.V.m. § 10 b Abs. 2 Satz 1 EStG i.d.F. des Art. 4 Nrn. 3 und 4 ÄndG sieht eine Steuerermäßigung nur bei der Förderung politischer Parteien, nicht freier Wählervereinigungen vor. Die durch beide Vorschriften geschaffene Rechtslage verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 9, 28 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 GG). Die angegriffene Regelung ist daher in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.
I.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (zuletzt BVerfGE 69, 92 [105]) bildet den Maßstab für die Prüfung, ob Vorschriften der in Rede stehenden Art mit dem Grundgesetz vereinbar sind, Art. 3 Abs. 1 GG in seiner vom Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1 und 2 GG) gebotenen strengen, formalen Auslegung.
Die Verfassung gewährleistet für den Sachbereich der Wahlen, daß jedermann seine staatsbürgerlichen Rechte in formal möglichst gleicher Weise soll ausüben können (Art. 28 Abs. 1 Satz 2, 38 Abs. 1 Satz 1 GG). Regelt der Gesetzgeber den Bereich der politischen Willensbildung bei Wahlen, so muß er sich gegenwärtig halten, daß seinem Ermessen hier besonders enge Grenzen gezogen sind und Differenzierungen stets eines besonderen, zwingenden Grundes zu ihrer Rechtfertigung bedürfen. Das daraus folgende Gebot der grundsätzlich strengen Gleichbehandlung durch den Gesetzgeber in diesem Bereich erstreckt sich nicht nur auf die politischen Parteien, sondern auch auf andere Gruppen oder Bewerber, die mit ihnen in den Wettbewerb um Wählerstimmen treten, mithin auf der kommunalen Ebene kraft der Vereinigungsfreiheit (Art. 9 GG) auch auf die örtlich gebundenen Wählervereinigungen.
Das Recht auf Chancengleichheit gilt nicht nur für den Wahlvorgang selbst, sondern auch für dessen Vorfeld, insbesondere für mittelbare staatliche Finanzierungshilfen zugunsten der politischen Parteien und der mit ihnen auf der kommunalen Ebene konkurrierenden Gruppen durch die steuerliche Berücksichtigung von Beiträgen und Spenden (vgl. im einzelnen BVerfGE 69, 92 [106 f.]; 73, 40 [89]). Wenn der Staat solche Zuwendungen steuerlich begünstigt, so darf er dies nicht in der Weise tun, daß dadurch die vorgefundene Wettbewerbslage zwischen den konkurrierenden politischen Organisationen verfälscht wird. Ebensowenig darf er dadurch bestimmten Bürgern eine größere Einflußnahme auf den Prozeß der politischen Willensbildung einräumen als anderen (vgl. BVerfGE 69, 92 [108]).
Allerdings ist dem Gesetzgeber durch den Grundsatz der Chancengleichheit der politischen Parteien und anderer Wahlbewerber und durch das Recht des Bürgers auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung des Volkes nicht jede Differenzierung verboten. Insbesondere braucht der Gesetzgeber vorgegebene Unterschiede zwischen den konkurrierenden Bewerbern und Bewerbergruppen nicht auszugleichen. So ist er auch bei der steuermindernden Anerkennung von Beiträgen und Spenden nicht etwa gehalten, die Unterschiede zwischen den politischen Parteien und den kommunalen Wählervereinigungen außer Betracht zu lassen. Vielmehr darf er das im Vergleich zu den kommunalen Wählervereinigungen sehr viel weiter gesteckte Tätigkeitsfeld der politischen Parteien, die ihnen vom Grundgesetz und vom Parteiengesetz (§ 1) zugedachte Rolle und die daraus folgende Notwendigkeit einer auf Dauer angelegten und festgefügten, hohe Kosten verursachenden überregionalen Organisation berücksichtigen. Wenn der Gesetzgeber diese Unterschiede zu den auf den örtlichen Bereich ausgerichteten und sich nur an Kommunalwahlen beteiligenden Wählergemeinschaften zum Anlaß nimmt, Beiträge und Spenden an politische Parteien gegenüber Geldzuwendungen an kommunale Wählergruppen in verschiedener Weise steuerlich zu begünstigen, so ist dies – auch angesichts der Erstattung von Wahlkampfkosten an die an den Wahlen zum Bundestag, zu den Landtagen und zum Europäischen Parlament teilnehmenden Parteien – in gewissen Grenzen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfGE 69, 92 [108 ff.]).
II.
Mit der durch das Änderungsgesetz erfolgten Neuregelung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Mitgliedsbeiträgen und Spenden an politische Parteien im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht hat der Gesetzgeber diese Grenze überschritten. Ungeachtet einer erheblichen Erweiterung der Steuerbegünstigung für Geldzuwendungen an politische Parteien führen auch nach dieser Regelung entsprechende Zuwendungen an kommunale Wählervereinigungen zu keiner steuerlichen Entlastung. Damit hat die steuerliche Ungleichbehandlung von politischen Parteien und kommunalen Wählervereinigungen ein verfassungsrechtlich nicht hinnehmbares Ausmaß erreicht.
1. Der aufgrund der Regelung des § 10 b Abs. 2 EStG 1979 den Parteien mittelbar zugute kommende – und den sogenannten Rathausparteien vorenthaltene – staatliche Steuerverzicht führte nach der Entscheidung des Senats vom 15. Januar 1985 (BVerfGE 69, 92 [111 f.]) nicht zu einer verfassungsrechtlich ins Gewicht fallenden Differenzierung des Rechts der Bürger auf Teilhabe an der politischen Willensbildung im kommunalen Bereich und auch nicht zu einer verfassungswidrigen Beeinträchtigung der Chancengleichheit der im Wettbewerb um Wählerstimmen stehenden politischen Parteien und Wählergruppen. Eine Steuerermäßigung für Beiträge und Spenden von mehr als 600 DM für Ledige und 1.200 DM für Ehegatten bei Zusammenveranlagung sah das Gesetz damals nicht vor. Bei jedem Steuerpflichtigen betrug die Steuerersparnis im Höchstfall etwas über 300 DM. Da sich die Verwendung der den Parteien zufließenden Mittel auf die verschiedenen Ebenen ihrer politischen Betätigung verteilt, wirkte sich der staatliche Steuerverzicht auf den Wettbewerb zwischen ihnen und den kommunalen Wählervereinigungen nur geringfügig aus.
2. a) Nach neuem Recht bewirkt zunächst § 34 g EStG i.d.F. des Art. 4 Nr. 4 ÄndG, daß sich bei Steuerpflichtigen, die Ausgaben zur Förderung staatspolitischer Zwecke reisten, die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die sonstigen Steuerermäßigungen mit Ausnahme des § 35 EStG, um 50 v. H. der Ausgaben, höchstens um 600 DM, im Falle der Zusammenveranlagung von Ehegatten höchstens um 1.200 DM ermäßigt. Zuwendungen an politische Parteien führen mithin bei ledigen Steuerpflichtigen bis zu einem Höchstbetrag von 1.200 DM und bei Verheirateten bis zu einem Betrag von 2.400 DM zu einer Verminderung der Einkommensteuerschuld in Höhe von jeweils der Hälfte der geleisteten Ausgaben.
b) Die über diese Höchstbeträge hinausgehenden Zuwendungen an politische Parteien sind als Sonderausgaben abzugsfähig (§ 10 b Abs. 1 Satz 2 EStG). Sie führen zu einer Verringerung des zu versteuernden Einkommens, nach dessen Höhe sich die zu entrichtende Steuer bemißt, und zwar nach der ursprünglichen, vom Bundesverfassungsgericht durch Urteil vom 14. Juli 1986 (BVerfGE 73, 40) für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärten Fassung des Gesetzes bis zur Höhe von 5 v. H. des Gesamtbetrags der Einkünfte oder 2 v. T. der Summe der gesamten Umsätze und der im Kalenderjahr aufgewendeten Löhne und Gehälter (§ 10 b Abs. 1 Satz 1 EStG).
Die Bemessung der Abzugsfähigkeit solcher Zuwendungen nach bestimmten Vomhundertsätzen des Gesamtbetrags der Einkünfte, des Einkommens oder der Summe der gesamten Umsätze und der im Kalenderjahr aufgewendeten Löhne und Gehälter ist zwar nach dem Urteil vom 14. Juli 1986 nunmehr ausgeschlossen. § 10 b EStG bleibt jedoch, wie dargelegt, bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber mit der Maßgabe anwendbar, daß Ausgaben der genannten Art für jeden Steuerpflichtigen bis zu einem Höchstbetrag von 100.000 DM abzugsfähig sind. Diese Regelung kann – zumal in ihrem Zusammenspiel mit § 34 g EStG – zu erheblichen Steuervorteilen auf der Seite des Steuerpflichtigen und zu einem dementsprechenden Steuerverzicht des Staates führen, aus dessen Umfang sich wiederum das Maß der Ungleichbehandlung von politischen Parteien und Wählervereinigungen ergibt.
3. Damit hat der den politischen Parteien mittelbar zugute kommende staatliche Steuerverzicht – im Unterschied zu der davor bestehenden Rechtslage (dazu BVerfGE 69, 92) – ein Ausmaß erreicht, das im Verhältnis zu den von dieser Begünstigung ausgeschlossenen kommunalen Wählervereinigungen verfassungsrechtlich nicht hingenommen werden kann, und zwar um so weniger, als auch das die kommunale Ebene aussparende System der Wahlkampfkostenerstattung nur die politischen Parteien erfaßt. Zwar finden die den örtlichen Untergliederungen der Parteien zufließenden Beiträge und Spenden auch im Rahmen ihrer Mitwirkung an der politischen Willensbildung auf Landes- und Bundesebene Verwendung. Indessen werden Spenden, gerade wenn und soweit sie im Zusammenhang mit kommunalen Wahlen im örtlichen Bereich aufkommen, von den Parteien auch dort für den Wahlkampf und die laufende politische Arbeit eingesetzt. Das nunmehr gegebene Ausmaß der steuerlichen Begünstigung von Beiträgen und Spenden an politische Parteien erschwert den mit ihnen im Wettbewerb stehenden kommunalen Wählergruppen die Einweisung von Spendenmitteln erheblich, was um so stärker ins Gewicht fällt, als die Parteien bei den – vom Gesetzgeber ersichtlich beabsichtigten – höheren Spendenbeträgen einen größeren Teil für ihre Tätigkeiten im kommunalen Bereich aufzuwenden imstande sind. Zugleich ist der Bürger, der die Bestrebungen einer örtlich gebundenen Wählergemeinschaft finanziell unterstützen möchte, im Vergleich zu denjenigen, die solche Unterstützung einer politischen Partei zuwenden, wesentlich benachteiligt und dadurch in seinem Recht auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung verletzt.
4. Die durch die §§ 10 b, 34 g EStG bewirkte Benachteiligung der kommunalen Wählervereinigungen ist nicht etwa damit zu rechtfertigen, daß auch bei einer Beschränkung des Blickfeldes auf die kommunale Ebene regelmäßig Unterschiede zwischen politischen Parteien und kommunalen Wählervereinigungen bestehen. So ist die Öffentlichkeitsarbeit der Parteien, soweit sie örtliche Belange betrifft, während der Wahlperiode der Gemeindevertretungen oft wesentlich intensiver als die der Wählervereinigungen, was seine Ursache zwar auch in deren finanzieller Beengtheit, aber nicht minder in ihrer loser gefügten Organisation hat, die ihrerseits nicht etwa zufällig oder ebenfalls durch einen Mangel an Mitteln bedingt ist, sondern sich gerade aus dem gewollten Unterschied zu den politischen Parteien ergibt. Aus alledem folgt zwar ein geringerer Bedarf der Wählervereinigungen an finanziellen Mitteln; dies darf der Gesetzgeber bei seiner Regelung der Steuerabzugsfähigkeit von Beiträgen und Spenden berücksichtigen. Das Ausmaß der Begünstigung der Parteien durch die derzeitige Rechtslage im Steuerrecht ist verfassungsrechtlich dadurch jedoch nicht zu rechtfertigen.
Der Gesichtspunkt der Gefährdung der Arbeits- und Funktionsfähigkeit kommunaler Vertretungen durch die Einbeziehung kommunaler Wählervereinigungen in die steuerliche Förderung vermag ebenfalls deren Benachteiligung durch die zur Prüfung gestellte gesetzliche Regelung nicht zu begründen. Eine solche Gefährdung ist weder zu erwarten, noch wäre die Versagung des Steuervorteils das geeignete Mittel, ihr zu begegnen. Dafür stünde das Instrumentarium von Unterschriftenquoren und Mindestprozentklauseln zur Verfügung. Im übrigen werden Parteien der Vorteile des in Rede stehenden staatlichen Steuerverzichts unabhängig von Größe und Wahlerfolg teilhäftig, während sie Wählervereinigungen in keinem Falle zukommen.
Das Ausmaß der steuerrechtlichen Bevorzugung der Parteien läßt sich schließlich auch nicht mit dem Hinweis rechtfertigen, daß diese über Herkunft und Verwendung ihrer Mittel und ihr Vermögen Rechenschaft legen müssen (Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG, §§ 23 ff. PartG), kommunale Wählervereinigungen hingegen nicht. Dem Gesetzgeber steht es frei, die steuerliche Begünstigung von Beiträgen und Spenden an kommunale Wählergemeinschaften von entsprechenden Offenlegungspflichten abhängig zu machen.
III.
1. Der festgestellte Verstoß der durch die §§ 10 b, 34 g EStG i.d.F. von Art. 4 Nrn. 3 und 4 ÄndG getroffenen Regelung gegen das aus Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 9, 28 Abs. 1 Satz 2 GG folgende Grundrecht des Beschwerdeführers auf Chancengleichheit mit den zu ihm im Wettbewerb stehenden politischen Parteien führt im vorliegenden Falle angesichts der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers nicht zur Nichtigerklärung dieser Vorschriften (vgl. etwa BVerfGE 28, 227 [242 f.]); 41, 399 [425 f.]; 61, 43 [68]). Die willkürliche Benachteiligung der Wählervereinigungen zu beseitigen, hat der Gesetzgeber bei Berücksichtigung der bestehenden verfassungsrechtlichen Vorgaben verschiedene Möglichkeiten. So kann er die steuerliche Begünstigung von finanziellen Zuwendungen an politische Parteien auf ein Ausmaß zurückführen, das der früheren Rechtslage nach § 10 b Abs. 2 EStG 1979 entspricht, und die steuerliche Nichtberücksichtigung von Zuwendungen an kommunale Wählervereinigungen beibehalten; dies wäre, wie in dem Beschluß des Senats vom 15. Januar 1985 (BVerfGE 69, 92) ausgeführt, verfassungsrechtlich unbedenklich. Ebenso kann er aber auch Beiträge und Spenden an kommunale Wählervereinigungen in gleicher oder ähnlicher Weise wie diejenigen an politische Parteien steuerlich begünstigen.
Eine solche Begünstigung verstieße nicht gegen das Verfassungsgebot der grundsätzlich staatsfreien und offenen Meinungs- und Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen. Dieses Gebot steht einer Einfügung der Parteien in den Bereich der organisierten Staatlichkeit und damit auch einer völligen oder überwiegenden Deckung ihres Geldbedarfs aus öffentlichen Mitteln entgegen (vgl. BVerfGE 20, 56 [102]). Das darin zum Ausdruck kommende Prinzip der Parteienfreiheit wird durch die den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildende Regelung deshalb nicht berührt, weil durch den mit der Steuervergünstigung von Mitgliedsbeiträgen und Spenden einhergehenden staatlichen Steuerverzicht weder die Parteien der staatlichen Vorsorge überantwortet werden, noch der offene freiheitlich-demokratische Meinungs- und Willensbildungsprozeß beeinträchtigt wird. Eine mittelbare staatliche Parteienfinanzierung dieser Art eröffnet den staatlichen Organen keine Möglichkeit unangemessener Einflußnahme, die die Parteien mit dem staatsorganschaftlichen Bereich in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise verschränken würde (vgl. BVerfGE 24, 300 [359 f.]).
2. Nach § 34 a Abs. 2 BVerfGG hat die Bundesrepublik Deutschland, der der erfolgreich gerügte Verfassungsverstoß zuzurechnen ist, dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.
Fundstellen
BStBl II 1989, 67 |
BVerfGE, 350 |
NJW 1989, 285 |