Dipl.-Finanzwirt Karl-Heinz Günther
Leitsatz
Das Betreten einer Wohnung zu Ermittlungsmaßnahmen erfüllt nicht die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Verwaltungsakts, da der Steuerpflichtige den Zutritt verweigern kann.
Sachverhalt
Im Streitfall ging es um die steuerliche Anerkennung eines häuslichen Arbeitszimmers. Die Steuerpflichtige reichte hierzu eine Skizze zur Lage und Ausstattung des Arbeitszimmers ein, die das Veranlagungsfinanzamt durch den sog. "Flankenschutz" unangekündigt vor Ort überprüfen ließ. Die Steuerpflichtige ließ die Ortsbesichtigung zu, die zu einem von der mit der Steuererklärung eingereichten Skizze abweichenden Ergebnis führte. Gegen die Ortsbesichtigungsmaßnahme legte sie Einspruch ein, den das Finanzamt jedoch als unzulässig verwarf, da die Maßnahme bereits abgeschlossen sei.
Entscheidung
Das Finanzgericht entschied, dass die Klage als Feststellungsklage, durch die das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses begehrt werden kann (§ 41 Abs. 1 Halbsatz 1 Alternative 1 FGO), zwar statthaft sei, es jedoch an dem notwendigen Feststellungsinteresse fehle.
Denn im Streitfall war nicht die Rechtmäßigkeit eines - erledigten - Verwaltungsakts im Sinne des § 118 Satz 1 AO streitig, sondern die Rechtmäßigkeit eines bloßen Realakts. Das Betreten der Wohnung von Steuerpflichtigen zu Ermittlungsmaßnahmen erfüllt nicht die Voraussetzungen eines Verwaltungsakts, da es an einer Regelung fehlt. Das bloße Betreten ist tatsächlicher Natur, solange dem Steuerpflichtigen kein bestimmtes Verhalten (Tun, Dulden oder Unterlassen) aufgegeben wird.
Der im Streitfall unangekündigt erscheinende Finanzbeamte hatte von Gesetzes wegen keine Zutrittsberechtigung, so dass das Betreten der Wohnung von der Steuerpflichtigen hätte verweigert werden können, d. h. ihr wurde kein Tun, Dulden oder Unterlassen auferlegt.
Im Streitfall mangelte es an den Voraussetzungen für ein notwendiges Feststellungsinteresse im Sinne von § 41 Abs. 1 Halbsatz 2 FGO, da die Steuerpflichtige weder substantiiert dargelegt hatte, dass die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ortsbesichtigung durch den Steuerfahnder ihre Position verbessern kann, noch, dass dieser Besuch einen derart schwerwiegenden Grundrechtseingriff darstellt, dass eine derartige Feststellung geboten ist. Auch bestand im Streitfall kein Grund für die Annahme, die Finanzbehörde werde die von der Steuerpflichtigen für rechtswidrig erachtete Maßnahme in absehbarer Zeit wiederholen.
Hinweis
Der Fall wäre hinsichtlich des Rechtsschutzinteresses anders zu beurteilen, wenn ein Betreten von Grundstücken und Räumen im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 1 AO vorliegt, das zuvor durch Erlass eines Duldungsbescheides gegenüber dem Steuerpflichtigen angeordnet werden muss. In einem solchen Fall besteht keine Möglichkeit der bloßen Zutrittsverweigerung, so dass es dann eines gerichtlichen Rechtsschutzes bedarf. Gegen die Entscheidung wurde Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesfinanzhof eingelegt (Az beim BFH VIII B 142/18).
Link zur Entscheidung
FG Münster, Urteil vom 11.07.2018, 9 K 2384/17