OFD Nordrhein-Westfalen, Verfügung v. 9.2.2017, Kurzinformation ESt Nr. 05/2017
Im Zuständigkeitsbereich der OFD Nordrhein-Westfalen werden zunehmend durch verschiedene Stromnetzbetreiber neue Strommasten und -trassen auf zum Privatvermögen gehörenden Grundstücken errichtet. Vor der Errichtung schließt der jeweilige Stromnetzbetreiber Verträge mit den betroffenen Grundstückseigentümern, da die Grundstücke mit Grunddienstbarkeiten und Nutzungsrechten belastet werden. Diese Vereinbarung beinhaltet entweder für den Stromnetzbetreiber eine Nutzungsbefugnis (d.h. Nutzung des Luftraums oder eines Teils des Grundstücks) oder für den Grundstückseigentümer eine Nutzungsbeschränkung (d.h. Unterlassung bestimmter Handlungen auf dem Grundstück). Die Grundstückseigentümer erhalten hierfür von dem Stromnetzbetreiber i.d.R. eine Einmalzahlung.
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie diese Entschädigungszahlung bei dem zum Privatvermögen gehörenden Grundstück einkommensteuerrechtlich zu behandeln ist, insb. ob Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gem. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG oder sonstige Einkünfte gem. § 22 Nr. 3 EStG vorliegen. Die Qualifikation dieser Entschädigung ist anhand des jeweiligen Einzelfalls vorzunehmen, wobei auf den wirtschaftlichen Gehalt des Entgelts nach dem Inhalt der getroffenen Vereinbarungen abzustellen ist.
1. Nutzungsbefugnis
Durch die persönliche Dienstbarkeit kann dem Berechtigten (dem Stromnetzbetreiber) die Nutzungsbefugnis eingeräumt werden, das Grundstück in einzelnen Beziehungen zu nutzen, ohne dass diese Belastung den endgültigen Eigentumsverlust zur Folge hat (z.B. Überspannung eines Grundstücks mit einer Hochspannungsleitung, Aufstellung eines Mastens oder Verlegung von Leitungen). Das Entgelt für die Belastung eines Grundstücks mit einer Dienstbarkeit ist dann insgesamt als Einnahme aus Vermietung und Verpachtung zu beurteilen, wenn es sich als Gegenleistung für die Nutzung eines Grundstücks des Privatvermögens darstellt (BFH vom 19.4.1994, IX R 19/90, BStBl 1994 II S. 640).
2. Nutzungsbeschränkung
In Fällen, in denen das Grundstück nicht zur Nutzung an den Stromnetzbetreiber überlassen wird, ist keine Nutzungsbefugnis gegeben, sodass keine Einkünfte aus § 21 EStG vorliegen. Soweit das Grundstück im angrenzenden Schutzbereich liegt und dem Eigentümer eine Nutzungsbeschränkung auferlegt wird, können die Entgelte für wertmindernde Einschränkungen der Rechte eines Grundstückseigentümers als Einkünfte nach § 22 Nr. 3 EStG behandelt werden, wenn ein vertraglich vereinbartes Dulden vorliegt. Ein solches Dulden fehlt bei hoheitlichen Eingriffen in das Eigentumsrecht. Wirkt der Grundstückseigentümer zur Vermeidung einer ansonsten zulässigen förmlichen Enteignung mit und wird durch vertragliche Vereinbarung lediglich das Ergebnis eines sonst rechtlich möglichen Enteignungsverfahrens vorweggenommen, fehlt es, nicht anders als bei dem vermiedenen hoheitlichen Eingriff, an einer Leistung i.S. des § 22 Nr. 3 EStG (BFH vom 17.5.1995, X R 64/92, BStBl 1995 II S. 640).
Gewährt der Eigentümer neben der Nutzungsbeschränkung zusätzlich eine Nutzungsbefugnis, hängt die Qualifizierung des Entgelts davon ab, welche der beiden Leistungen (Nutzungsbefugnis oder -beschränkung) der Gesamtleistung das Gepräge gibt.
3. Besteuerungszeitpunkt
Eine von den Steuerpflichtigen beantragte Verteilung der einmaligen Entschädigungszahlung auf die Vertragslaufzeit gem. § 11 Abs. 1 Satz 3 EStG kommt nur in Betracht, wenn aus dem Vertrag eine konkrete Festlegung, für welchen Zeitraum die Zahlung erfolgen soll, ersichtlich ist. Anderenfalls unterliegt die Entschädigungszahlung im Jahr des Zuflusses der Besteuerung.
4. Anhängiges Revisionsverfahren
Mit Urteil FG Düsseldorf vom 20.9.2016, 10 K 2412/13 wurde entschieden, dass die anlässlich einer Überspannung eines zu eigenen Wohnzwecken genutzten Grundstücks gezahlte Entschädigung eines Stromnetzbetreibers zu den Einkünften nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG führe. Die dagegen eingelegte Revision ist unter IX R 31/16 vor dem BFH anhängig. Einsprüche, die sich auf das o.g. BFH-Verfahren beziehen, ruhen insoweit nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO kraft Gesetzes.
Normenkette
EStG § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
EStG § 22 Nr. 3