1Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 sind im gesamten Besteuerungsverfahren, d. h. auch im Rechtsbehelfsverfahren oder im Vollstreckungsverfahren (§ 249 Abs. 2 Satz 1; BFH-Urteil vom 22. 2. 2000 - VII R 73/98 - BStBl II, S. 366), möglich. 2Im Rahmen der Außenprüfung und der Steuerfahndung sind die Regelungen in §§ 200, 208, 210 und 211 zu beachten. 3Im Steuerstraf- und -bußgeldverfahren gelten nach § 385 Abs. 1 und § 410 Abs. 1 die Vorschriften der StPO und des OWiG.

1.1 Allgemeines/Voraussetzungen

 

1.1.1

1Voraussetzung für ein Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 ist, dass die Heranziehung eines Auskunftspflichtigen im Einzelfall aufgrund hinreichender konkreter Umstände oder aufgrund allgemeiner Erfahrungen geboten ist (vgl. BFH-Urteile vom 29. 10. 1986 - VII R 82/85 - BStBl 1988 II, S. 359 und vom 18. 3. 1987 - II R 35/86 - BStBl II, S. 419). 2Unter dieser Voraussetzung sind grundsätzlich auch Sammelauskunftsersuchen zulässig (vgl. BFH-Urteil vom 24. 10. 1989 - VII R 1/87 - BStBl 1990 II, S. 198). 3Unzulässig sind Auskunftsersuchen "ins Blaue hinein" (vgl. BFH-Urteil vom 23. 10. 1990 - VIII R 1/86 - BStBl 1991 II, S. 277). 4Darüber hinaus müssen die Auskunft zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und dessen Inanspruchnahme geeignet, erforderlich und zumutbar sein (vgl. BFH-Urteile vom 29. 10. 1986 und vom 24. 10. 1989, jeweils a. a. O.). 5Die Erforderlichkeit eines Auskunftsersuchens ist von der zuständigen Finanzbehörde nach den Umständen des Einzelfalles und unter Berücksichtigung allgemeiner Erfahrungen im Wege der Prognose zu beurteilen. 6Die Erforderlichkeit setzt keinen begründeten Verdacht voraus, dass steuerrechtliche Unregelmäßigkeiten vorliegen; es genügt, wenn aufgrund konkreter Momente oder aufgrund allgemeiner Erfahrungen ein Auskunftsersuchen angezeigt ist (vgl. BFH-Urteil vom 17. 3. 1992 - VII R 122/91 - BFH/NV S. 791).

 

1.1.2

Die Finanzämter können Auskunftsersuchen an die Beteiligten (§ 78), aber auch an andere Personen richten, wenn das Ersuchen zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlich ist.

 

1.1.3

1Im Auskunftsersuchen ist anzugeben, worüber Auskunft erteilt werden soll und für die Besteuerung welcher Person die Auskunft angefordert wird (§ 93 Abs. 2 Satz 1). 2Zur Begründung des Ersuchens reicht im Allgemeinen die Angabe der Rechtsgrundlage sowie bei einem Auskunftsersuchen an einen Dritten der Hinweis aus, dass die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziele geführt hat oder keinen Erfolg verspricht. 3Eine Begründung des Auskunftsersuchens hinsichtlich der Frage, warum die Finanzbehörde einen bestimmten Auskunftspflichtigen vor einem anderen Auskunftsverpflichteten in Anspruch nimmt, ist nur erforderlich, wenn gewichtige Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der andere vorrangig in Anspruch zu nehmen sein könnte (BFH-Urteil vom 22. 2. 2000 - VII R 73/98 - BStBl II, S. 366).

 

1.1.4

1Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 sind Verwaltungsakte i. S. d. § 118. 2Für Auskunftsersuchen ist keine bestimmte Form vorgesehen (§ 119 Abs. 2). 3Regelmäßig ist jedoch Schriftform angebracht (vgl. § 93 Abs. 2 Satz 2). 4Im Auskunftsersuchen ist eine angemessene Frist zur Auskunftserteilung zu bestimmen sowie anzugeben, in welcher Form die Auskunft erteilt werden soll (vgl. § 93 Abs. 4).

1.2 Zulässigkeit von Auskunftsersuchen an Dritte

 

1.2.1

Die Auskunftspflicht anderer Personen ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BFH-Urteil vom 22. 2. 2000 - VII R 73/98 - BStBl II, S. 366, und Beschluss des BVerfG vom 15. 11. 2000 - 1 BvR 1213/00 - BStBl 2002 II, S. 142). Eine Auskunftspflicht besteht nicht, soweit dem Dritten ein Auskunftsverweigerungsrecht zusteht (vgl. §§ 101-103). Zu Auskunftsersuchen gegenüber Telekommunikationdienstleistern siehe Nummer 1.2.7.

 

1.2.2

An Dritte soll mit Auskunftsersuchen erst herangetreten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten selbst nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht (§ 93 Abs. 1 Satz 3). Unerheblich ist dabei, worauf dies zurückzuführen ist. Ob die Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 Satz 3 vorliegen, entscheidet die Finanzbehörde im Einzelfall anhand einer Prognoseentscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen (vgl. BFH-Urteil vom 22. 2. 2000 - a. a. O.).

Die Sachaufklärung durch die Beteiligten hat nicht zum Ziel geführt, wenn sie zwar versucht worden ist, aber letztlich nicht gelungen ist. Unerheblich ist dabei insbesondere, ob die Beteiligten den Sachverhalt nicht aufklären konnten oder wollten.

Die Sachaufklärung durch die Beteiligten verspricht keinen Erfolg, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalles oder nach den bisherigen Erfahrungen der Finanzbehörde mit den Beteiligten nicht zu erwarten ist.

 

1.2.3

Auskunftsersuchen an Dritte können insbesondere geboten sein, wenn die Beteiligten keine eigenen Kenntnisse über den relevanten Sachverhal...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge