Ehrenamtsstärkungsgesetz Änderungen in der Abgabenordnung Teil 1

Verfahrenserleichterungen für die Mittelverwendung und die Rücklagenbildung sind die wesentlichen Maßnahmen des Ehrenamtsstärkungsgesetzes und führen neben anderen Neuregelungen zu umfangreichen Änderungen in der AO.

Nachweis der Hilfebedürftigkeit vereinfacht (§ 53 AO)

Eine mildtätige Körperschaft muss die Hilfebedürftigkeit jeder unterstützten Person prüfen und nachweisen können. Neben dem Einkommen wird auch das Vermögen in die Prüfung der Hilfebedürftigkeit mit einbezogen.

Zu berücksichtigen sind auch gezahlte und empfangene Unterhaltsleistungen (§ 53 Nr. 2 Satz 5 AO n.F.). Dadurch entfällt die Prüfung, ob und in welcher Höhe die unterstützte Person Anspruch auf Sozialleistungen hätte.

Der Nachweis der Hilfebedürftigkeit kann im Einzelfall schwierig bis unmöglich sein (z. B. bei der Versorgung mit Lebensmitteln durch die Tafeln) und wird deshalb vereinfacht:

  • Wer Leistungen nach SGB II (Grundsicherung für Arbeitsuchende, Hartz IV), SGB XII (Sozialhilfe), Wohngeldgesetz, § 27a Bundesversorgungsgesetz (Ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt) oder nach § 6a Bundeskindergeldgesetz (Kinderzuschlag) erhält, gilt als hilfebedürftig. Für den Nachweis der Hilfebedürftigkeit genügt der jeweilige Leistungsbescheid, der für den Unterstützungszeitraum maßgebend ist, oder die Bestätigung des Sozialleistungsträgers.

  • Ist sichergestellt, dass aufgrund der besonderen Art der gewährten Unterstützungsleistung nur hilfebedürftige Personen unterstützt werden, kann sich die Körperschaft auf Antrag von der Nachweispflicht befreien lassen.

Durch diese Neuregelungen sollen mildtätige Körperschaften von überflüssiger Bürokratie entlastet werden.

Dies tritt mit Wirkung zum 1.1.2013 in Kraft.

Frist zur Mittelverwendung verlängert (§ 55 Abs. 1 Nr. 5 AO)

Gemeinnützige Organisationen müssen ihre Mittel grundsätzlich zeitnah für ihre steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke verwenden.

Zeitnah bedeutete bisher, dass die Einnahmen im folgenden Jahr ausgegeben werden mussten. Mit dem „Gesetz zur Stärkung des Ehrenamts“ wurde die Frist zur Mittelverwendung auf zwei Jahre verlängert. Damit will der Gesetzgeber den Körperschaften den Druck nehmen, Mittel kurzfristig verwenden zu müssen, und größere Flexibilität beim Einsatz der Mittel schaffen.

Allerdings müssen nicht alle Mittel zeitnah verwendet werden. Die Ausnahmen, z. B. Zuwendungen von Todes wegen, finden sich jetzt in § 62 Abs. 3 AO, der der bisherigen Regelung in § 58 Nr. 11 AO entspricht.

§ 55 Abs. 1 Nr. 5 Satz 3 AO tritt mit Wirkung zum 1.1.2013 in Kraft, § 62 Abs. 3 AO am 1.1.2014.

Bildung von Rücklagen und Wiederbeschaffungsrücklagen (§ 62 AO neu)

Die Bildung von Rücklagen widerspricht eigentlich dem Grundsatz, dass Mittel zeitnah für steuerbegünstigte satzungsmäßige Zwecke verwendet werden müssen. Trotzdem können Rücklagen in Ausnahmefällen erlaubt sein, wenn dadurch die Zweckerfüllung dauerhaft gesichert wird.

Im neu formulierten § 62 AO sind jetzt die Voraussetzungen zur Rücklagenbildung, die sich vorher meist in anderen Vorschriften fanden, zusammengefasst. Eine Rücklage ist demnach möglich

  • soweit diese erforderlich ist, um ihre steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke nachhaltig zu erfüllen (bisher § 58 Nr. 6 AO, jetzt § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO).

  • wenn diese für eine Wiederbeschaffung von Wirtschaftsgütern erforderlich ist. Für eine teurere Ersatzinvestition darf also Geld angespart werden (z. B. für einen neuen Kleinbus für den Verein). In welcher Höhe Mittel einer Wiederbeschaffungsrücklage zugeführt werden dürfen, richtet sich nach der Höhe der regulären Absetzung für Abnutzung (AfA) des Wirtschaftsguts, das ersetzt werden soll. Wird ein höherer Betrag zurückgelegt, müssen die Voraussetzungen dafür nachgewiesen werden (§ 62 Abs. 1 Nr. 2 AO). Damit wird die bisherige Verwaltungspraxis jetzt gesetzlich normiert.

  • in Form der freien Rücklage. Hier ist aber ein Höchstbetrag zu beachten: Höchstens ein Drittel des Überschusses aus der Vermögensverwaltung darf zurückgelegt werden; darüber hinaus höchstens 10 % der sonstigen nach § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO zeitnah zu verwendenden Mittel. Wird dieser Höchstbetrag für die freie Rücklage in einem Jahr nicht ausgeschöpft, darf das nicht genutzte Volumen auf die folgenden zwei Jahren vorgetragen und die Mittel dann der Rücklage zugeführt werden (bisher § 58 Nr. 7a AO, jetzt § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO).

  • für den Erwerb von Gesellschaftsrechten zur Erhaltung der prozentualen Beteiligung an Kapitalgesellschaften. Zu beachten ist allerdings, dass die Höhe dieser Rücklage die freie Rücklage mindert (bisher teilweise § 58 Nr. 7b AO, jetzt § 62 Abs. 1 Nr. 4 AO).

Die Rücklage muss innerhalb einer Frist von zwei Jahren gebildet werden, entsprechend der Frist zur Mittelverwendung in § 55 Abs. 1 Nr. 5 Satz 3 AO. Darüber hinaus müssen die zweckgebundenen Rücklagen nach § 62 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 AO unverzüglich aufgelöst werden, sobald der Grund für die Rücklage wegfällt Die freigewordenen Mittel sind innerhalb von zwei Jahren zu verwenden, ebenfalls entsprechend der Frist in § 55 Abs. 1 Nr. 5 Satz 3 AO. Diese Regelungen wurden mit dem „Gesetz zur Stärkung des Ehrenamts“ jetzt gesetzlich festgeschrieben und finden sich im neuen § 62 Abs. 2 AO.

§ 62 AO tritt am 1.1.2014 in Kraft.

Rücklagenbildung ohne Vorliegen der Voraussetzungen (§ 63 Abs. 4 AO)

Die Bildung von Rücklagen ist nur in bestimmten Fällen erlaubt (vgl. § 62 Abs. 1 AO neu). Werden Mittel angesammelt, obwohl die Voraussetzungen für eine Rücklagenbildung nicht vorliegen, kann das Finanzamt verlangen, dass diese Mittel satzungsgemäß verwendet werden.

Die hier ursprünglich vorgesehene Frist von zwei Jahren - entsprechend der neuen Mittelverwendungsfrist nach § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO - wurde ersetzt durch eine „angemessene“ Frist. Diese Regelung soll ermöglichen, die Frist der Mittelverwendung individuell festzulegen und der steuerbegünstigten Körperschaft ausreichend Zeit zu geben, damit sie die Mittel satzungsgemäß einsetzen kann.

§ 63 Abs. 4 AO tritt am Tag nach der Verkündung des Gesetzes in Kraft.