Rz. 110

Abs. 1 Satz 2 bestimmt 4 Ausschlussgründe für Ausländer. Sie sind von dem erwerbsfähigen Personenkreis nach Abs. 1 Satz 1 ausgenommen, gleich, ob sie erwerbsfähig sind oder nicht. Betroffen sind grundsätzlich alle Ausländer und deren Familienangehörige während der ersten 3 Monate nach ihrer Einreise, wenn sie nicht einen besonderen Status erworben haben (Arbeitnehmer, Selbständiger oder Freizügigkeitsberechtigter, Abs. 1 Satz 2 Nr. 1), Ausländer ohne Aufenthaltsrecht (Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a), arbeitsuchende Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt (Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b), sowie Asylbewerber als Leistungsberechtigte i. S. v. § 1 AsylbLG (Abs. 1 Satz 2 Nr. 3). Die Regelungen waren unter verschiedenen Aspekten heftig umstritten, verschiedene Verfahren waren beim EuGH anhängig; durch eine erhöhte Zuwanderung im Anschluss an eine deutlich erweiterte Europäische Union, insbesondere seit dem 1.1.2014 möglicherweise durch Personen bulgarischer und rumänischer Staatsbürgerschaft wurde und wird das Thema auch unter politischen Aspekten diskutiert. Schließlich wurde die Rechtsprechung des BSG im Anschluss an die maßgebenden Entscheidungen des EuGH im Hinblick auf die Frist bis zu einem verfestigten Aufenthalt eines Ausländers in Deutschland und ggf. vorhandenen Ansprüchen auf Leistungen nach dem SGB XII vom Gesetzgeber zum Anlass genommen, andere politische Vorstellungen Ende 2016 in geltendes Recht umzusetzen. Ungeachtet dessen hat die Bundesregierung gegenüber kroatischen Staatsangehörigen für die Zeit ab 1.7.2015 auf die zweite Phase der 7 Jahre dauernden Übergangsoption für Arbeitnehmerfreizügigkeit verzichtet.

 

Rz. 111

Es zeigte sich, dass die vielen Rechtsquellen aus dem überstaatlichen Recht erheblich zur Rechtsunsicherheit beitragen. Eine abschließende Klärung der Rechtmäßigkeit und Anwendbarkeit des Leistungsausschlusses für Ausländer mit ausschließlichem Aufenthalt zur Arbeitsuche lässt sich nicht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren herbeiführen (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 8.5.2014, L 19 AS 678/14 B ER). In diesem Sinne hat auch das Bay. LSG entschieden (Beschluss v. 27.5.2014, L 16 AS 344/14 B ER). Die Unanwendbarkeit des Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 lasse sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht feststellen. Kritischer Punkt ist weiterhin die Eigenschaft als Arbeitnehmer oder Selbstständiger (bzw. ein entsprechender nachwirkender Status), die sehr missbrauchsanfällig ist. Die Fassung des Abs. 1 Satz 2, die seit dem 29.12.2016 in Kraft ist, wird teilweise vor verfassungsrechtlichem Hintergrund infrage gestellt, weil sie Lücken bei der Existenzsicherung hinterlässt. Damit ist durch die gesetzliche Neuregelung allein weder Rechtsfrieden noch Rechtssicherheit hergestellt. Dies wurde durch die Rechtsprechung des EuGH v. 6.10.2020 zu Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. c a. F. bestätigt.

 

Rz. 112

Ist der Leistungsausschluss für Ausländer Gegenstand eines Verfahrens vor dem BVerfG oder dem EuGH, steht die Ablehnung eines Antrages auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende durch das Jobcenter der Geltendmachung eines Anspruchs auf vorläufige Leistungen nach § 328 SGB III dann nicht entgegen, wenn der Ablehnungsbescheid noch nicht bestandskräftig ist (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 13.2.2015, L 6 AS 127/15 B ER; a. A. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 20.3.2014, L 29 AS 514/14). Im Falle der Hilfebedürftigkeit ist das Ermessen des Jobcenters demnach auf null reduziert, wenn die in Rede stehende Gültigkeit der Vorschrift sich auf eine Einschränkung oder den Ausschluss von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende bezieht. Vorläufige Entscheidungen sind seit dem 1.8.2016 nach Maßgabe des § 41a zu treffen.

 

Rz. 113

Spätaussiedler sind keine Ausländer, sondern ab dem Zeitpunkt der Anerkennung ihrer Spätaussiedlereigenschaft deutsche Staatsangehörige (Art. 116 Abs. 1 GG).

 

Rz. 114 -124

(unbesetzt)

2.2.2.1 Leistungsausschluss nach Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 (erste 3 Monate des Aufenthalts)

 

Rz. 125

Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 beruht auf Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG v. 29.4.2004, der es den Mitgliedstaaten der EU erlaubt, neu einreisende Ausländer für die ersten 3 Monate des Aufenthalts von Sozialleistungen auszuschließen. Unionsbürger genießen für diese Zeit ein Aufenthaltsrecht, ohne dass dafür Aufenthaltsvoraussetzungen zu erfüllen wären (vgl. § 2 Abs. 5 FreizügG/EU a. F.). Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 schließt unterschiedslos alle Ausländer von Leistungen nach dem SGB II aus, unabhängig davon, ob es sich um Unionsbürger oder um Drittstaatsangehörige handelt (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 13.12.2022, L 3 AS 50/20). Die Vorschrift ist nicht einschränkend dahingehend auszulegen, dass Drittstaatsangehörige, die zu einem Familienangehörigen, der über eine unbefristete Niederlassungserlaubnis verfügt, nachziehen, vom 3-monatigen Leistungsausschluss ausgenommen sind. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Voraussetzungen zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Familiennachzug nach § 29 AufenthG nicht vorgelegen haben und weder ein en...

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