Rz. 27

In den Fällen des § 31a Abs. 1 Satz 6 ist die Minderung ab dem Zeitpunkt der Pflichterfüllung oder der Erklärung der Bereitschaft zur Pflichterfüllung aufzuheben, soweit der Minderungszeitraum mindestens einen Monat betragen hat, andernfalls nach Ablauf dieses Monats. Es kommen also nur Verkürzungen nach § 31b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 in Betracht. Fälle des § 31a Abs. 1 Satz 6 sind diejenigen, in denen erwerbsfähige Leistungsberechtigte ihre Mitwirkungspflicht erfüllen oder sich nachträglich ernsthaft und nachhaltig dazu bereit erklären, diesen künftig nachzukommen. Sobald dies geschieht, sind die Minderungen nach § 31a Abs. 1 Satz 2 und 3 nach Maßgabe des Abs. 2 Satz 2 aufzuheben. Durch die Regelung wird die starre Dauer der Leistungsminderung von 2 oder 3 Monaten nach Abs. 2 Satz 1 bzw. § 31a Abs. 7 durchbrochen und damit Bedenken des BVerfG Rechnung getragen.

 

Rz. 28

Die Regelung ist aus § 31a Abs. 1 Satz 6 a. F. bzw. § 31a Abs. 2 Satz 4 a. F. überführt worden. Die Vorschrift des § 31a Abs. 2 Satz 4 a. F. war bereits als Pendantregelung zu § 31a Abs. 1 Satz 6 a. F. (für die mindestens 25 Jahre alten Leistungsberechtigten) anzusehen. Die Anwendungsgrundsätze für diese Vorschrift konnten daher auf die Anwendung des § 31a Abs. 2 Satz 4 a. F. übertragen werden. Die betroffenen Leistungsberechtigten hatten einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung des Jobcenters. Das Gesetz benannte keine besonderen Voraussetzungen an die Bereitschaftserklärung, das BVerfG hingegen verlangt eine ernsthafte und nachhaltige Erklärung. Diese Qualität wurde auch von den Jobcentern verlangt und ist in der Neuregelung des Abs. 2 Satz 2 zum 1.1.2023 aufgegangen. Allerdings hat der Gesetzgeber aus dem Urteil des BVerfG v. 5.11.2019 auch die beschriebene Möglichkeit aufgegriffen, die Leistungsminderung erst nach Ablauf eines Monats der Leistungsminderung aufzuheben.

 

Rz. 29

Voraussetzung für eine Verringerung der Dauer der Leistungsminderung, nach der der Leistungsberechtigte die Leistung wieder in der gesamten Höhe erhält, ist jedoch, dass der erwerbsfähige Leistungsberechtigte seine Mitwirkungspflicht nachträglich erfüllt oder sich nachträglich bereit erklärt, seinen Pflichten nachzukommen. So können ggf. Bewerbungen auf offene Stellen noch nachgeschoben, Eigenbemühungen durchgeführt werden, an Maßnahmen mit verspäteter Eintrittsmöglichkeit noch teilgenommen werden. Diese Möglichkeit des § 31a Abs. 1 Satz 3 wird von den Jobcentern vorrangig verfolgt, insbesondere auch deshalb, weil dadurch ein Bruch in den Eingliederungsbemühungen bzw. des eingeschlagenen Weges noch vermieden werden kann. Das Nachholen der Mitwirkung ist auch eine glaubhafte Darlegung des Willens, den Mitwirkungspflichten nachkommen zu wollen.

 

Rz. 30

Allerdings ist es oftmals nicht mehr möglich, die Mitwirkung noch nachzuholen, etwa, weil Termine abgelaufen oder Fristen verstrichen sind. Auch kann ein verspäteter Eintritt in eine Maßnahme keinen Sinn mehr ergeben, weil der Maßnahmeverlauf bereits zu weit fortgeschritten ist. Auch kann ein Arbeitgeber eine freie Stelle bereits besetzt haben oder nicht mehr bereit sein, noch Bewerbungen entgegenzunehmen. Für diesen Fall räumt der Gesetzgeber die Alternative ein, für die Zukunft das Nachkommen von Mitwirkungsaufforderungen zu erklären.

 

Rz. 31

In solchen Fällen darf der Leistungsberechtigte seinen Rechtsstandpunkt beibehalten, wenn die Pflichtverletzung selbst noch umstritten ist. Das Jobcenter darf auch nicht verlangen, dass der Leistungsberechtigte einen beabsichtigten Widerspruch nicht einlegt oder einen solchen zurücknimmt. Tatsächlich wird die vom BVerfG eingeräumte Frist von einem Monat der Leistungsminderung seit dem 1.7.2023 genutzt. Hierfür sind Gleichbehandlungsgesichtspunkte nicht ausschlaggebend, es kann vom Zufall abhängen, ob eine Leistung früher oder später wieder vollständig gezahlt wird, je nach Entscheidungstempo im Jobcenter.

 

Rz. 32

Eine Entscheidung nach Abs. 2 Satz 2 ist nach dem Wortlaut des Gesetzes faktisch nur einmal möglich. Es kommt aber auf den jeweiligen Einzelfall an. Käme der Leistungsberechtigte nach einer Entscheidung nach Abs. 2 Satz 2 erneut seinen Pflichten nicht nach, sodass wegen eines erneuten Pflichtverstoßes das Bürgergeld zu mindern wäre, ergäbe sich für die dann notwendige Entscheidung die Situation, dass die frühere begünstigende Entscheidung nach Abs. 2 Satz 2 sich als falsch erwiesen hat, sie nicht hätte getroffen werden dürfen, weil die Erklärung des Leistungsberechtigten i. S. v. § 31a Abs. 1 Satz 6 nicht glaubhaft war. Das Jobcenter kann sie allerdings nicht korrigieren. Aufgrund einer erneuten Erklärung ist auch unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nur in besonders begründeten Einzelfällen vorstellbar, dass eine Aufhebung der Leistungsminderung für die Zeit ab der Erklärung wegen dieser gerechtfertigt wäre. Auf tätige Reue kommt es dafür nicht unbedingt an. Dem müssten unterschiedliche Gesichtspunkte von erheblicher Relevanz zugrunde lieg...

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