Entscheidungsstichwort (Thema)

Landwirtschaftliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz eines Begehungsscheininhabers bei der Jagd. Gleichstellung mit einem nicht versicherten Jagdgast

 

Orientierungssatz

Ein Begehungsscheininhaber, der während einer Gesellschaftsjagd verunglückt, steht nicht gem § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a SGB 7 unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Er ist vielmehr rechtlich wie ein zur Jagd befugter Jagdgast (§ 4 Abs 2 S 1 Nr 1 Alt 2 SGB 7) zu behandeln.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 19.03.2019; Aktenzeichen B 2 U 252/18 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts

Osnabrück vom 18. Juni 2015 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung eines Unfalles als Arbeitsunfall.

Der im Jahre 1970 geborene Kläger ist von Beruf selbstständiger Generalvertreter der I. Versicherung. Er ist im Besitz eines Jagderlaubnisscheines. Seit April 2008 hat er einen entgeltlichen Begehungsschein der Reviergemeinschaft J. Revier IV, deren Jagdpächter die Herren K. L. und M. N. sind.

Am 28. Dezember 2012 fand im o. g. Revier eine Gesellschaftsjagd statt, an welcher der Kläger auch teilnahm. Weil der Kläger gemeinsam mit einem Jagdkollegen einen Jagdwagen an einen Traktor hängen wollte, stellte er sich für die kurze Fahrt zum Jagdwagen auf die Halterung der Ackerschiene des Traktors. Bei der Fahrt durch ein Schlagloch stürzte er mit dem Gesäß und Kopf auf den gepflasterten Boden. Laut Durchgangsarztbericht des Herrn O. vom 28. Dezember 2012 erlitt der Kläger hierbei eine Becken-, Hüft- und Kreuzbeinprellung sowie die Fraktur eines Lendenwirbels.

Die Beklagte zog daraufhin neben diversen medizinischen Unterlagen zur Verletzung des Klägers dessen Unfallanzeige vom 12. Januar 2013 bei und holte die Stellungnahmen der Reviergemeinschaft Jagd J. IV vom 12. (Herr N.) und vom 19. Januar 2013 (Herren N. und L.) ein. Danach sind die Begehungsscheininhaber aufgrund einer mündlichen Vereinbarung in Bezug auf Rechte und Pflichten den Pächtern gleichgestellt. Der Kläger nehme alle notwendigen Aufgaben wahr, wozu auch die Hege, Instandhaltung, das Füttern, die Jagdleitung bei Gesellschaftsjagden sowie die eigenständige Jagdausübung zählten. Darüber hinaus holte die Beklagte die Stellungnahme des Klägers vom 23. April 2013 ein, wonach die Jagdpacht jährlich zu gleichen Teilen nach Köpfen abgerechnet und bezahlt wird. Herr N. führe den Schriftverkehr im Namen aller Reviermitglieder, die Jagdorganisation werde in der Regel gemeinschaftlich vorgenommen. Hierzu zähle auch die wechselnde Jagdleitung.

Mit Bescheid vom 17. Juli 2013 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 28. Dezember 2012 als Arbeitsunfall ab, weil es sich hierbei nicht um einen entschädigungspflichtigen Arbeitsunfall gehandelt habe. Der Kläger unterliege als Begehungsscheininhaber bei der Jagdausübung generell nicht dem Versicherungsschutz in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung. Dies gelte auch dann, wenn der Begehungsscheininhaber faktisch die gleichen Rechte und Pflichten wie der Jagdpächter habe.

Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 19. Februar 2014): Der Begehungsscheininhaber erlange seine Berechtigung zur Jagdausübung allein durch die Jagderlaubnis des Jagdherrn, also durch den Revierinhaber selbst. Die faktischen, aber nur im Binnenverhältnis zwischen Jagdpächter und einem Dritten bestehenden Strukturen einer gemeinsamen Bewirtschaftung allein genügten nicht, um eine (Mit-)Unternehmereigenschaft im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 5 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) zu begründen. Ein Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 SGB VII habe auch nicht vorgelegen, weil der Kläger zum fraglichen Zeitpunkt an einer Gesellschaftsjagd teilgenommen habe. Bei der Ausübung einer Jagd und den damit zusammenhängenden Wegen stünden Jagdscheininhaber und Begehungsscheininhaber nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, selbst wenn zugleich Aufgaben des Jagdpächters wahrgenommen würden. Der Gesetzgeber unterstelle den Begehungsscheininhabern wie auch allgemein dem Jagdgast im Regelfall keine wirtschaftlichen, sondern privatdienlichen Motive für deren Tätigwerden, so dass er diesen Personenkreis gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VII bei der Jagdausübung vom Versicherungsschutz freigestellt habe.

Hiergegen hat der Kläger am 18. März 2014 beim Sozialgericht (SG) Osnabrück Klage erhoben und seine Auffassung bekräftigt. Entgegen der Auffassung der Beklagten habe er zum Unfallzeitpunkt eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt. Die Anzahl der Pächter im Pachtvertrag habe auf Initiative des Landkreises auf zwei Personen begrenzt werden müssen. Durch die mit den Jagdpächtern des Reviers J. IV getroffene (mündliche) Vereinbarung sei er den eigentlichen Pächtern gleichgestellt worden.

Die Beklagte h...

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