Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. neue Behandlungsmethode. ambulante ärztliche Liposuktion zur Behandlung eines Lipödems. keine Leistungspflicht ohne positive Empfehlung des G-BA. kein Ausnahmefall des Systemversagens

 

Orientierungssatz

1. Ein Anspruch auf die neue Behandlungsmethode der ambulanten ärztlichen Liposuktion zur Behandlung eines Lipödems kommt zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nicht in Betracht, solange der G-BA die neue Methode der Fettabsaugung nicht positiv empfohlen hat oder ein Ausnahmefall vorliegt, in welchem die positive Empfehlung entbehrlich ist.

2. Der allein in Betracht kommende Ausnahmefall des Systemversagens setzt voraus, dass das Verfahren vor dem G-BA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen Formalien und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde (vgl BSG vom 10.5.2012 - B 1 KR 78/11 B = SozR 4-2500 § 140f Nr 1, BSG vom 16.12.2008 - B 1 KR 11/08 R = SozR 4-2500 § 13 Nr 19).

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Übernahme der Kosten für eine Liposuktion.

Die 1970 geborene und bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Klägerin leidet unter schmerzhaften Lipödemen an beiden Beinen (an Oberschenkeln, Unterschenkeln und im Kniebereich). Sie beantragte unter Einreichung einer ärztlichen Verordnung der Fachärztin für Angelologie T und unter Einreichung einer ärztlichen Stellungnahme der Dr. P, Fachärztin für plastische Chirurgie, PB vom 31. Mai 2012 im Juni 2012 bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für eine Liposuktion (Fettabsaugung) beidseits. Die Beklagte holte ein sozialmedizinisches Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg e. V. (MDK) ein. Dessen Gutachten vom 11. Juli 2012 gelangte zum Ergebnis, dass nicht belegt sei, dass die Methode der Liposuktion als Behandlungsmethode geeignet sei. In der ergänzenden Stellungnahme vom 8. August 2012 ist weiter ausgeführt, ein Lipödem sei eine schicksalhafte Diagnose, bei der es weder eine konservative noch eine operative Möglichkeit gäbe, das Leiden effizient zu behandeln. Das Ziel der Therapie bestehe darin, dass Fortschreiten der Erkrankung zu verzögern. Hierzu gäbe es konservative Behandlungsmöglichkeiten (Lymphdrainagen, Physiotherapie und Kompressionswäsche). Die Beklagte lehnte daraufhin den Antrag ab (Bescheid vom 14. August 2012).

Die Klägerin erhob Widerspruch. Sie reichte ein Attest, der sie behandelnden Ärztin Dr. P ein, wonach beim Fortschreiten des Lipödems - wie hier - in der Regel konservative Behandlungen keine Beschwerdebesserung mehr erreichten. Hingegen sei grundsätzlich von einer Besserung der Beschwerden durch eine Liposuktion auszugehen.

Die Beklagte veranlasste eine neue Begutachtung nach Aktenlage durch den MDK. Dessen Gutachter Dr. T gelangte in seinem sozialmedizinischen Gutachten vom 6. September 2012 zu dem Ergebnis, dass das Absaugen von Fettgewebe (Liposuktion) grundsätzlich ambulant erfolgen könne. Es handle sich bei der Liposuktion wegen Lipödem um eine neue Methode gemäß § 135 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V).

Die Beklagte wies daraufhin den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 2012 zurück. Für eine neue Behandlungsmethode dürfe sie Kosten nicht übernehmen. Auch aus verfassungsrechtlichen Gewährleistungen ergebe sich kein Anspruch, da es sich nicht um eine lebensbedrohliche Erkrankung handele.

Mit der am 5. November 2013 beim Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Die begehrte Operation sei medizinisch indiziert und nicht kosmetischer Natur. Die konservativen Behandlungsmethoden seien ausgeschöpft. Sie stütze sich auf eine Entscheidung des SG Chemnitz vom 1. März 2012 (S 10 KR 189/10), nach der aufgrund eines Systemversagens eine Kostenübernahme möglich sei, wenn die vertragsärztlich zugelassene Behandlungsmethoden ausgeschöpft seien und erfolgslos geblieben seien. Sie stütze sich ferner auf ein Urteil des Hessischen Landessozialgerichts (Urteil vom 5. Februar 2013 - L 1 KR 391/12), nach der die Kosten für eine Liposuktion im stationären Bereich übernommen werden müssten, wenn nach den entsprechenden Leidlinien der Fachgesellschaft der Eingriff nicht ambulant erfolgen könne, sondern stationär vorgenommen werden müsse.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 7. Oktober 2013 abgewiesen. Ein Anspruch auf eine ambulant durchgeführte Liposuktion bestehe nicht, weil es sich dabei um eine neue Behandlungsmethode handele und der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) diese nicht positiv empfohlen habe. Ein Ausnahmefall, bei welchem es keiner Empfehlung des G-BA bedürfe, sei hier nicht gegeben. Die schmerzhaften Lipödeme, an denen die Klägerin leide, beeinträchtigen zwar die Lebensqualität erheblich, seien jedoch nicht lebensbedrohlich oder stellten eine mit einer lebensbedrohlichen Krank...

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