Rz. 90

Nach Abs. 3 Satz 2 können die Aufwendungen der Unterkunft nach Ablauf der Karenzzeit und die Aufwendungen für Heizung (für die keine Karenzzeit gilt; s. o.) nur für eine Übergangszeit übernommen werden, sofern sie nach entsprechender Beurteilung (der abstrakten und konkreten Angemessenheit) als unangemessen hoch anzusehen sind. Die Betroffenen trifft eine Obliegenheit zur Kostensenkung (BSG, Urteil v. 19.2.2009, B 4 AS 30/08 R Rz. 30 m. w. N.). Entscheidend ist insoweit, in welchem Zeitraum es der leistungsberechtigten Person unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls möglich und zumutbar ist, eine angemessene (Miet-)Wohnung zu finden bzw. bei selbstgenutztem Eigentum durch Vermietung oder auf sonstige Weise die Aufwendungen zu reduzieren.

 

Rz. 91

Abweichend zu § 3 Abs. 1 Verordnung zu § 22 BSHG, der bis zum 31.12.2004 galt, enthält das Gesetz in Abs. 3 Satz 2 (ebenso wie § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II) zusätzlich die Bestimmung, dass die unangemessenen Kosten "in der Regel" längstens für 6 Monate zu übernehmen sind (zum Kostensenkungsverfahren und zur 6-Monats-Frist allgemein vgl. Lauterbach, Unterkunft/Sechsmonatsfrist – Anmerkung zum Urteil des BSG v. 16.4.2013, B 14 AS 28/12 R, SGb 2014, 523). Durch diese Formulierung wird zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Durchschnittsbetrachtung handelt. Der Zeitraum kann daher im Einzelfall länger, aber auch kürzer sein. Das LSG Bayern (Urteil v. 12.8.2013, L 7 AS 589/11 Rz. 64 ff.) hat eine Verkürzung der 6-Monats-Frist etwa in einem Fall angenommen, in dem eine – den Leistungsbezug unterbrechende – bedarfsdeckende Erwerbstätigkeit von vornherein auf wenige Monate befristet war. Entscheidend ist, ob angemessener Wohnraum tatsächlich zur Verfügung steht und in welchem Zeitraum ein Umzug möglich ist. Die Vorschrift zur Regelübergangszeit entspricht inhaltlich (abgesehen von deren Beginn für Unterkunftsbedarfe) der bereits zu § 3 Abs. 1 Verordnung zu § 22 BSHG entwickelten Rechtsprechung (vgl. OVG Lüneburg, Urteil v. 28.9.1994, 4 L 5583/93, und Beschluss v. 12.6.1995, 12 M 3410/95).

 

Rz. 92

Es handelt sich wie bei § 22 Abs. 1 Satz 7 SGB II (vgl. BSG, Urteil v. 7.11.2006, B 7b AS 10/06 R zu § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II a. F.) um eine Zumutbarkeitsregelung, die verhindern soll, dass die leistungsberechtigte Person sofort (bzw. bezüglich der Bedarfe für Unterkunft unmittelbar nach Ablauf der Karenzzeit) gezwungen ist, ihre bisherige Wohnung aufzugeben bzw. sonstige Bemühungen zur Kostensenkung zu entfalten. Schutzbedürftig sind danach insbesondere solche Personen, die bei Eintritt der Hilfebedürftigkeit bereits in einer unangemessen teuren Wohnung leben bzw. bei denen die Unterkunfts- und/oder Heizkosten – z. B. durch eine Mieterhöhung oder Verringerung der Zahl, der an einer Haushalts-/Wohngemeinschaft beteiligten Personen (vgl. zu letzterem BSG, Urteil v. 16.4.2013, B 14 AS 28/12 R Rz. 19 f.) – unangemessen werden. Die Unmöglichkeit bzw. Unzumutbarkeit des Kostensenkung (insbesondere durch Umzug) beinhaltet einerseits eine tatsächliche und andererseits eine verfahrensrechtliche Komponente. Nach § 35 Abs. 3 Satz 3 sind auch wirtschaftliche Gesichtspunkte bei der Unzumutbarkeit zu berücksichtigen. Satz 4 trifft eine besondere Regelung bei Versterben eines Mitglieds der Haushaltsgemeinschaft.

2.3.2.6.1 Tatsächliche (Un-)Zumutbarkeit der Kostensenkung

 

Rz. 93

§ 35 Abs. 3 Satz 2 unterscheidet zwischen 3 Varianten, die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung zu senken: einen Wohnungswechsel, Vermieten oder "auf andere Weise". Diese müssen jeweils nicht nur objektiv möglich, sondern auch subjektiv zumutbar sein.

 

Rz. 94

Ein Wohnungswechsel ist (objektiv) nur möglich, wenn eine angemessene Wohnung tatsächlich zur Verfügung steht.

Die tatsächliche (Un-)Zumutbarkeit eines Wohnungswechsels bemisst sich nach den Umständen des Einzelfalles, wobei vom Grundsatz her der Umzug von einer unangemessenen in eine angemessene Wohnung innerhalb des örtlichen Vergleichsraums (s. o.) (subjektiv) zugemutet werden kann, insoweit also eher ein strenger Maßstab anzulegen ist (BSG, Urteil v. 19.2.2009, B 4 AS 30/08 R Rz. 32). Ein Umzug in eine Wohnung außerhalb des maßgebenden Vergleichsraumes ist hingegen nicht zumutbar (vgl. BSG, Urteil v. 1.6.2010, B 4 AS 60/09 R Rz. 18 ff., allerdings zu § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II a. F.).

 

Rz. 95

Bei der (subjektiven) Zumutbarkeitsprüfung können verschiedene Aspekte Bedeutung erlangen, die in Relation zueinander zu setzen bzw. gegeneinander abzuwägen sind. Für den hier fraglichen Personenkreis, der vom Dritten und Vierten Kapitel SGB XII erfasst wird, dürfte oftmals insbesondere eine Rolle spielen, wie lange der/die Betroffene voraussichtlich noch im Leistungsbezug stehen wird, wie alt er/sie ist, wie lange er/sie bereits in einer Wohnung gelebt hat, welche Folgekosten durch einen Umzug möglicherweise entstehen, wie sein/ihr Gesundheitszustand ist, ob die Wohnung auf die gesundheitlichen Einschränkungen besonders zugeschnitten ist und wie hoch sein/ihr (berechtigtes) Interesse einzuschätzen ist, in sein...

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