Rz. 30

Die Regelung des Abs. 2 Satz 1 ist nicht sehr glücklich und macht das Sozialrecht für den betroffenen Bürger nicht durchschaubarer (nach BT-Drs. 7/868 S. 19 war das Gegenteil Ziel des Gesetzes), als sie pauschal die notwendigen Maßnahmen zum Schutz, zur Erhaltung, zur Besserung und zur Wiederherstellung der Gesundheit und der Leistungsfähigkeit (Nr. 1) und die wirtschaftliche Sicherung bei Krankheit, Mutterschaft, Minderung der Erwerbsfähigkeit und Alter der Sozialversicherung (Nr. 2) zuordnet. Die einzelnen angesprochenen Leistungsansprüche ergeben sich jedoch differenziert nach dem jeweiligen Versicherungszweig aus einem dort bestehenden Versicherungsverhältnis. Zugleich bestimmt der jeweilige Versicherungszweig, unter welchen Voraussetzungen und durch welchen Träger die Leistungen zu erbringen sind. Die Leistungen zum Erhalt und Schutz der Gesundheit (Nr. 1) und der wirtschaftlichen Sicherung (Nr. 2) lassen sich nicht bestimmten Trägern zuordnen. Auch soweit die Regelung auf die notwendigen Maßnahmen verweist und damit klarstellt, dass nicht alle wünschenswerten oder nützlichen Maßnahmen beansprucht werden können, fehlt eine differenzierte Zuordnung. Das bedeutet jedoch nicht, dass damit auch jedes Defizit vollständig ausgeglichen wird oder werden muss, insbesondere hinsichtlich der wirtschaftlichen Sicherung.

 

Rz. 31

Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 räumt das Recht auf Maßnahmen ein, die unmittelbar auf Schutz, Erhalt oder Besserung der Gesundheit und Leistungsfähigkeit gerichtet sind. Dabei ist unter Gesundheit das körperliche, aber auch das geistig-seelische Wohlbefinden zu verstehen. Mit dem Oberbegriff "Leistungsfähigkeit" sollten die in den verschiedenen Versicherungszweigen gebräuchlichen Begriffe der "Arbeitsfähigkeit" und "Erwerbsfähigkeit" umfasst werden (BT-Drs. 7/868 S. 23). Die Bezeichnung "Maßnahmen" wurde dabei als Oberbegriff für alle Leistungsarten gewählt, weil die Sozialleistungsträger diese als Dienst-, Sach- oder Geldleistung (§ 11) selbst erbringen oder durch Dritte erbringen lassen können. Ob und in welchem Umfang Leistungsansprüche und nach welchen rechtlichen Vorgaben und Voraussetzungen bestehen, richtet sich nach den für die einzelnen Versicherungszweige geltenden Vorschriften.

 

Rz. 32

Die Aufgabe, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern, obliegt in erster Linie der Krankenversicherung als Solidargemeinschaft (§ 1 Abs. 1 SGB V). Anknüpfungspunkt für Leistungen als Versicherungsfall ist in der Krankenversicherung die Krankheit (§ 27 SGB V), unter der man einen regelwidrigen Körper- und Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder – zugleich oder ausschließlich – Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Als "regelwidrig" ist dabei ein Zustand anzusehen, der von der Norm, also vom Leitbild des gesunden Menschen abweicht (st. Rspr. vgl. z. B. BSG, Urteil v. 10.2.1993, 1 RK 14/92). Weitere Leistungen werden, insbesondere auch bei Schwangerschaft und Mutterschaft, die an sich keine Krankheiten sind und die in § 21 angesprochen werden, der gesetzlichen Krankenversicherung zugewiesen (vgl. Komm. dort). Der Krankenversicherung werden aber auch Leistungen zugewiesen, die nicht an eine Krankheit anknüpfen, z. B. zur Empfängnisverhütung, bei Sterilisation und bei Schwangerschaftsabbruch (§§ 20 bis 24b SGB V) und der künstlichen Befruchtung (§ 27a SGB V). Während für Leistungen bei Schwangerschaftsabbrüchen mit § 21b eine eigenständige Einweisungsvorschrift besteht, weil Leistungen bei Schwangerschaftsabbrüchen nicht an eine Krankheit i. S. d. § 27 SGB V anknüpfen (vgl. Komm. zu § 21b), fehlt eine Einweisungsvorschrift für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung nach § 27a SGB V. Ursprünglich ging der Gesetzgeber davon aus, dass die künstliche Befruchtung außerhalb des Aufgabenbereichs der gesetzlichen Krankenversicherung liegen würde (so BT-Drs. 11/2237 S. 170). Mit dem KOV-Anpassungsgesetz 1990 v. 26.6.1990 (BGBl. I S. 1211) wurden die Kosten für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung rückwirkend ab 1.1.1989 zu Leistungen, die von der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringen sind. Allerdings war die künstliche Befruchtung nur deshalb der Krankenbehandlung gleichgestellt worden, damit die einschlägigen Regelungen des SGB V auf sie anwendbar und damit besondere Verweisungsvorschriften entbehrlich wurden (vgl. BT-Drs. 11/6760 S. 14). Diese Leistungen der künstlichen Befruchtung können aber erst in Anspruch genommen werden, wenn Leistungen nach § 27 SGB V nicht ausreichend sind (vgl. Komm. zu § 27a SGB V). Da die Leistungen "den Ehegatten" einen Anspruch auf Maßnahmen der künstlichen Befruchtung einräumt, ist die Abgrenzung des Leistungsumfangs zu beachten, wenn nur einer der Ehegatten in der gesetzlichen Krankenversicherung oder andere Ehegatte dagegen privat versichert ist.

 

Rz. 32a

Die wirtschaftliche Sicherung (Abs. 2 Satz 1 Nr. 2) bei Mutterschaft erfolgt in der Krankenversicherung durch Mutterschaftsgeld (§ 24i SGB V) oder ggf. dur...

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