Commercial-Courts Wirtschaftsverfahren auf Englisch

Die Bundesregierung will u. a. durch Commercial Courts die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit stärken. Damit sollen internationale Wirtschaftsverfahren in englischer Sprache möglich werden.

Die Attraktivität des Justizstandortes Deutschland für die Austragung internationaler Wirtschaftsstreitigkeiten ist eher gering. Nicht zuletzt der zu erhebliche Rückgang der Rechtsstreitigkeiten bei den Landgerichtskammern für Handelssachen belegt diese Beobachtung. Dabei dürfte die weitgehend zwingende Verwendung der deutschen Sprache vor Gericht eine nicht unerhebliche Bremserrolle spielen.

Öffnung der deutschen Zivilgerichtsbarkeit für internationale Rechtsstreitigkeiten 

Der Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung sieht vor diesem Hintergrund eine Öffnung der deutschen Zivilgerichtsbarkeit für internationale Rechtsstreitigkeiten in englischer Sprache vor. Das BMJ hat nun ein Eckpunktepapier zur Reform zivilprozessualer Regeln vorgelegt. Danach soll den Ländern für Streitwerte ab einer bestimmten Schwelle die Einrichtung von spezialisierten Wirtschaftskammern bei den Landgerichten sowie von speziellen Wirtschaftssenaten bei ausgewählten Oberlandesgerichten ermöglicht werden.  Das Papier baut teilweise auf einem Vorschlag der Landesregierungen von Nordrhein-Westfalen und Hamburg auf, der bereits im März 2022 vom Bundesrat beschlossen wurde. 

Problem der deutschen Gerichtssprache

Die Einführung der Option englischsprachig geführter Wirtschaftsprozesse vor spezialisierten deutschen Gerichten wird angesichts globaler Lieferketten und internationaler Wirtschaftsverflechtungen zur Stärkung des deutschen Justizstandortes als dringend erforderlich angesehen. Die Möglichkeiten, einen Wirtschaftsrechtsstreit vor einem deutschen Gericht in englischer Sprache zu führen, sind derzeit äußerst begrenzt. Die Gerichtssprache ist deutsch, § 184 Abs. 1 GVG. Urteile sind nach derzeitigem Prozessrecht grundsätzlich in deutscher Sprache abzufassen, Schriftsätze und Urkunden müssen in der Regel in deutscher Sprache oder deutscher Übersetzung eingereicht werden. 

Verhandlungen in englischer Sprache sollen möglich werden

Vorreiter bei der Einführung der Option englischsprachiger Wirtschaftsprozesse sind die Länder Baden-Württemberg, Hessen und Hamburg, die unter weiter Auslegung des § 185 Abs. 2 GVG bereits über Commercial Courts, vor denen in englischer Sprache verhandelt werden kann, verfügen. Diese Option soll nach dem Willen des BMJ nun deutschlandweit eingeführt werden. Die spezialisierten Spruchkörper sollen in unmittelbare Konkurrenz zu ausländischen Handelsgerichten und Schiedsgerichten treten, wie sie etwa in London, Singapur, Paris und Amsterdam existieren.

Spezielle Wirtschaftskammern bei den Landgerichten

Das vom BMJ vorgelegten Eckpunktepapier sieht bei den Landgerichten die Einführung spezieller Wirtschaftskammern vor. Folgende Regelungen sind geplant:

  • Den Bundesländern soll das Recht zur Einführung von Regelungen eingeräumt werden, wonach Handelsstreitigkeiten an ausgewählten Landgerichten komplett in englischer Sprache geführt werden dürfen. 
  • Voraussetzung hierfür ist ein Einvernehmen zwischen den prozessführenden Parteien und 
  • das Vorliegen eines sachlichen Grundes für die Wahl der englischen Sprache.
  • Die Länder sollen im Wege der Kooperation auch gemeinsame englischsprachige Kammern einrichten können.
  • In diesen Verfahren soll dann auch in Berufungs- und Beschwerdeverfahren in Englisch vor dem Senat des jeweils zuständigen Oberlandesgerichts verhandelt werden können. 
  • Die Länder sollen darüber hinaus die Möglichkeit erhalten, für die Verhandlungen über Rechtsmittel gegen entsprechende Entscheidungen der Landgerichte besondere Rechtsmittelsenate bei speziellen Oberlandesgerichten einzurichten und die Rechtsmittelverhandlungen dort zu konzentrieren. 

Commercial-Courts bei den Oberlandesgerichten

Für größere Handelsverfahren ab einem noch festzulegenden Streitwert – im Gespräch ist ein Streitwert von 1 oder 2 Mio. Euro – sollen die Länder bei den Oberlandesgerichten spezielle Senate als Commercial Courts einrichten dürfen. Ähnlich wie bei den Kammern an den Landgerichten werden

  • die Verfahren komplett in englischer Sprache geführt werden können, 
  • soweit die Parteien einverstanden sind und 
  • ein sachlicher Grund für die Sprachwahl vorliegt.
  • Für das Verfahren selbst soll die Möglichkeit zur Erstellung eines Wortprotokolls, wie es aus der Schiedsgerichtsbarkeit bekannt ist, ermöglicht werden. 
  • In den Verhandlungen wird der Einsatz von Videokonferenztechnik ermöglicht werden.
  • Die Besetzung der Commercial-Courts wird mit spezialisierten Richterinnen und Richtern mit sehr guten englischen Sprachkenntnissen erfolgen, 
  • darüber hinaus sollen diese Senate über eine besonders hochwertige digitale Ausstattung verfügen.
  • Auch hier ist die Möglichkeit der Kooperation der Länder zur Errichtung gemeinsamer Commercial Courts vorgesehen. 
  • Die Verfahrenskosten sollen sich nach den bisherigen Kostenvorschriften der Oberlandesgerichte richten. 
  • Entscheidungen der Commercial-Courts können mit der Revision zum BGH angegriffen werden. 
  • Auch beim BGH soll für diese Fälle eine Verfahrensführung in englischer Sprache ermöglicht werden. 

BMJ plant zügige Umsetzung

Das BMJ hat angekündigt, auf Grundlage der vorgelegten Eckpunkte zügig einen Referentenentwurf zu erarbeiten, der dann den zuständigen Ressorts und Verbänden zur Stellungnahme zugeleitet wird. Hierbei sind sowohl Änderungen der ZPO als auch des GVG erforderlich. Ob der Bundestag noch in der laufenden Legislaturperiode ein entsprechendes Gesetz verabschieden wird, bleibt abzuwarten.
 

Schlagworte zum Thema:  Gerichtsstand, Handelsrecht