BU-Rente darf nur nach fundierter Einstellungsmitteilung enden

Ein Versicherer, der die Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente einstellt, nachdem er die Berufsunfähigkeit zunächst schriftlich und zeitlich unbefristet anerkannt und Leistungen erbracht hat, muss dies nachvollziehbar begründen. Ein 2. ärztliches Gutachten allein reicht nicht, denn unterschiedliche Bewertung des Gesundheitszustandes kommt auch aufgrund subjektiver Maßstäbe verschiedener Gutachter in Betracht.

Ein Unfall hatte zur Konsequenz, dass einen Mann seinen Beruf nicht mehr ausüben konnte. Die von ihm abgeschlossene Lebensversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung hatte die eingetretene Berufsunfähigkeit erst einmal schriftlich und zeitlich unbefristet anerkannt und entsprechende Leistungen erbracht.

BU-Leistungen zeitlich unbefristet anerkannt, aber nach einem knappen Jahr gestoppt

Schon nach knapp einem Jahr teilte die Versicherung dem Versicherten mit, dass die Leistungsvoraussetzungen nicht mehr vorlägen und sie deshalb keine Versicherungsleistungen mehr erbringen würde.

Der Fall landete vor dem Oberlandesgericht Celle, nachdem das Landgericht den Anspruch des Versicherten bestätigt hatte. Doch auch das OLG sah die Versicherung in der Pflicht zu zahlen.

Darum konnte die BU-Versicherung die Leistungen nicht einstellen

Durch das uneingeschränkte Anerkenntnis habe der Versicherer die Möglichkeit verloren, sich später auf das Fehlen der beruflichen oder gesundheitlichen Voraussetzungen des Versicherungsfalls zu berufen.

  • Ebenso habe der Versicherer dadurch keine Möglichkeit mehr, eine zum Zeitpunkt der Abgabe bereits vorhandene Verweisungsmöglichkeit nachzuschieben.
  • Die Versicherung könne vor ihrer Leistungspflicht nur unter den in den Versicherungsbedingungen vereinbarten besonderen Voraussetzungen wieder frei werden.

Danach muss der Versicherer keine Leistungen mehr erbringen, wenn der Versicherte aufgrund eingetretener Veränderungen nicht mehr (zu mindestens 50 %) berufsunfähig ist und der Versicherer dies mitteilt.

So detailliert muss der Versicherer eine Einstellungsmitteilung begründen

Das OLG führte zudem aus, dass für eine Einstellungsmitteilung des Versicherers besondere Anforderungen gelten:

  • Sie muss eine für den Versicherungsnehmer nachvollziehbare Begründung enthalten, warum die Leistungen eingestellt werden.
  • Sie muss den Versicherungsnehmer in die Lage versetzen, seine Prozessrisiken abzuschätzen, für den Fall, dass er die Mitteilung nicht akzeptiert.
  • Dazu gehöre, dass der Versicherer dem Versicherungsnehmer etwaig eingeholte Gutachten oder ärztliche Bescheinigungen zugänglich macht,
  • auf die der Versicherer seine Entscheidung stützt.

Vergleichsbetrachtung muss dem Versicherungsnehmern vorgelegt werden

Dem Versicherten muss die Vergleichsbetrachtung aufgezeigt werde, die nach Ansicht des Versicherers zur Beendigung der Leistungspflicht geführt hat. Bei dieser Vergleichsbetrachtung

  • muss der Gesundheitszustand des Versicherten zu dem Zeitpunkt, zu dem die Versicherung ihre Anerkenntnis der Leistungspflicht mitgeteilt hat,
  • mit dem – angeblich – veränderten Gesundheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Leistungseinstellung verglichen werden.

Ärztlichen Gutachten mit unterschiedlichen Ergebnissen reichen nicht

Im vorliegenden Fall hatte der Versicherer nach Ansicht des OLG nicht ausreichend vorgetragen, warum seine Leistungspflicht nicht mehr fortbestanden haben sollte. Unter Hinweis auf die BGH-Rechtsprechung (Urteil v. 28.04.1999, IV ZR 123/98) hob das Gericht hervor, dass es nicht genüge, dass der Versicherer lediglich die von ärztlichen Gutachtern geschätzten Grade der Berufsunfähigkeit zum damaligen und jetzigen Zeitpunkt gegenüberstelle:

  • Ärzten müsse ein Beurteilungsspielraum zugebilligt werden, der Raum für individuell unterschiedliche Schätzungen lasse.
  • Es bestehe die Möglichkeit, dass verschiedene Ärzte demselben Gesundheitszustand verschiedene Grade der Berufsunfähigkeit zuordneten.
  • Es lasse sich deshalb nicht ausschließen, dass, wenn ein früheres und ein späteres Gutachten verschiedene Grade der Berufsunfähigkeit ergäben,
  • dem Unterschied keine Gesundheitsänderung, sondern lediglich verschiedene subjektive Maßstäbe der verschiedenen Gutachter zugrunde lägen.

Conclusio: Eine unterschiedliche Bewertung eines unveränderten Gesundheitszustandes gibt dem Versicherer nicht das Recht, seine Leistungen einzustellen.

(OLG Celle, Entscheidung v. 19.11.2018, 8 U 139/18).

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Schlagworte zum Thema:  Berufsunfähigkeitsversicherung, Rente