Welche Streu- und Räumpflichten bestehen für Parkplätze?

Bei Schnee und Eis müssen Grundstückseigentümer Vorsorge treffen, um Stürze von Passanten, Mietern, Postboten etc. auf ihrem Grundstück zu verhindern. Dabei gelten auf Parkplätzen niedrigere Anforderungen als auf Gehwegen. Ein Unfall auf einem erkennbar nicht gestreuten oder geräumten Teil eines Parkplatzes löst keinen Schadensersatzanspruch aus, wenn es sichere Wege gab, die man hätte nutzen können.

Grundsätzlich sind Betreiber von öffentlichen und privaten Parkplätzen zum Winterdienst verpflichtet (OLG München, Beschluss v. 21.08.2006, 1 U 3569/06). Ihre Räum- und Streupflicht setzt eine konkrete Gefahrenlage, also Gefährdung durch Glättebildung bzw. Schneebelag, voraus. Doch auch dann ist die Räumpflicht ist nicht umfassend.

Die winterliche Räum- und Streupflicht hat Grenzen

In einem typischen Fall war eine Klägerin bei winterlichem Wetter mit ihrem E-Bike unterwegs, um Post auszuliefern. Dazu fuhr sie auf einen Parkplatz, der erkennbar glatt und nicht geräumt war. Die Frau verlor auf dem eisigen Untergrund das Gleichgewicht und stürzte. Dabei verletzte sie sich an Steißbein, Becken und Knie. Zudem war sie als Folge des Unfalls vier Wochen arbeitsunfähig.

Wenn glatte Stellen auf dem Parkplatz ungeräumt und nicht gestreut sind

Die Frau brachte ihren Fall vor Gericht. Ihre Klage begründete sie damit, dass der Beklagte seine Verkehrssicherungspflicht verletzt habe. Konkret: Er habe die glatten Stellen auf dem Parkplatz nicht geräumt und auch nicht gestreut. Insgesamt verlangte die gestürzte Radlerin 1.000 EUR von dem Beklagten.

Allgemeine Anforderungen an Grundstückseigentümer bei Schnee und Eis

Das Amtsgericht Augsburg hat die Klage abgewiesen. Zwar habe jeder Eigentümer eines Grundstücks bei winterlichen Verhältnissen folgendes sicherzustellen:

  • Der öffentlich zugängliche Bereich eines Grundstücks muss von Schnee und Eis befreit werden.
  • Er muss zudem für die Begehbarkeit des Grundstücks sorgen.

Wie sich der Winterdienst auf Parkplätzen von Gehwegen unterscheidet

Doch gibt es unterschiedlich strenge Anforderungen zum notwendigen Winterdienst, je nachdem, um welchen Bereich des Grundstücks es sich handelt:

  • Grundsätzlich gelten auf Gehwegen strengere Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht als auf Parkplätzen.
  • Parkplätze müssen nicht komplett geräumt werden.
  • Bei Parkplätzen ist es ausreichend, wenn der Eigentümer für einen sicheren Zugang zu den abgestellten Fahrzeugen sorgt.

Nach der Beweisaufnahme kam das Gericht zu der Einschätzung, dass der Beklagte seine Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt habe. Begründung: Der Parkplatz war nicht vollständig vereist. Zudem habe es sichere Wege zu den abgestellten Fahrzeugen gegeben. Diesen Weg hätte auch die Klägerin nehmen müssen, so das Gericht. Konkret hätte die Fahrradfahrerin absteigen und ihr beladenes Fahrrad an den glatten Stellen vorbeischieben müssen (AG Augsburg, Urteil v. 5.9.2018, 74 C 1611/18).

Streupflicht für dem Parkplatz für verkehrswesentlichen Flächen

Im Allgemeinen beschränkt sich die Streupflicht für einen Parkplatz auf die verkehrswesentlichen Flächen und umfasst z. B. keine Verpflichtung, die einzelnen Parkbuchten zu streuen und zu räumen. Der sichere Weg zum Ausgang aus dem Parkplatz kann auch der Fahrweg für die Kraftfahrzeuge sein (OLG Düsseldorf, Urteil v. 10.9.1999, 22 U 53/99). Geradlinige Verbindungen zu verschieden Zielorten muss nicht gewährleistet sein und es kann hinnehmbar sein, wenige Schritte auf nicht geräumtem und nicht gestreutem Terrain zurückzulegen, ehe verkehrssichere Flächen erreicht werden.

Vorbehalt der Zumutbarkeit

Grundsätzlich besteht auch für diese Verkehrssicherungspflicht der Vorbehalt der Zumutbarkeit. Daraus kann sich ergeben, dass die Streupflicht bei einem privaten Parkplatz von geringer Größe und Verkehrsbedeutung entfällt. Hier kann der Vermieter von den Benutzern des Parkplatzes erwarten, dass diese selbst für ihre Sicherheit sorgen. Dem Benutzer des Parkplatzes ist es zuzumuten, auf die Beschaffenheit der Parkfläche zu achten und einzelne, eventuell gefährliche Bereiche zu meiden. Deshalb haftet der Verkehrssicherungspflichtige nicht, wenn der Parkplatzbenutzer nur wenige Schritte auf vereistem Untergrund zurücklegen muss (OLG Koblenz, Beschluss v. 10.01.2012, 5 U 1418/11).

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HintergrundZeitlicher Umfang der Räum- und Streupflicht

Für den Verkehrssicherungspflichtigen heißt es im Winter regelmäßig: Früh aufstehen! Denn grundsätzlich sind Gehwege zu den allgemeinen „Betriebszeiten“, d.h. werktags von 7 Uhr bis 20 Uhr von Schnee und Eis freizuhalten (BGH, Urteil v 20.11.1984, VI ZR 169/83).

Bei besonderen örtlichen Gegebenheiten kann dies aber auch länger sein. Ein Ladenbesitzer, der sein Geschäft für den Publikumsverkehr bis 22 Uhr öffnet, muss auch bis dahin den zu seinem Laden führenden Gehweg frei halten. Sonn- und feiertags wird dar Beginn der Streu und Räumpflicht allgemein erst mit 9 Uhr angenommen.

Räumlicher Umfang: Wie breit muss die Schneise sein?

Auf normalen Gehwegen hat die Räumung in einer Breite zu erfolgen, die es ermöglicht, dass zwei Fußgänger problemlos aneinander vorbei gehen können. Dies entspricht einem Breitenmaß von ca. 1,2 m. Bei wenig frequentierten Gehsteigen soll eine Breite von 50 cm ausreichend sein (OLG Frankfurt a.M., Urteil v. 22.08.2001, 23 U 195/00).

Bei welchen Wetterlagen?

Die Räum- und Streupflicht entsteht nicht erst dann, wenn bereits Schnee gefallen ist und Glatteis sich gebildet hat. Sobald die Wetterlage das Entstehen von Schnee und Glatteislagen wahrscheinlich erscheinen lässt und die entsprechende Lageveränderung unmittelbar bevorsteht, entsteht die Verpflichtung, vorsorglich Streugut auszubringen um Gefahrenlagen zu verhindern.

Salz oder Granulat?

Eine besonders tückische Frage: Viele Kommunen erlauben auf ihrem Gebiet nämlich kein Streusalz und drohen für Zuwiderhandlungen sogar Geldbuße an ( z.B. München, Hamburg und Berlin). Die Zivilgerichte sehen das nicht selten anders und urteilen auf Verletzung der Verkehrssicherungspflicht, wenn bei anders nicht vermeidbaren Glatteislagen kein Salz gestreut wurde. Hier ist dringend eine Harmonisierung erforderlich.

Wohin mit den Schneemassen?

Diese Frage ist ebenfalls nicht einfach zu beantworten. Größere Schneemengen dürfen jedenfalls nicht einfach in die Ablaufrinne der Straße verbracht werden, da sie dort den Straßenverkehr behindern können.

Der Schnee soll so verräumt werden, dass er auf dem Gehweg verbleibt. Sind die Witterungsverhältnisse so katastrophal, dass ein Räumen des Schnees ohne Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer nicht möglich ist, so soll die Räumungspflicht im Einzelfall auch ganz entfallen können (OLG Hamm, Urteil v. 03.07.1995, 6 U 16/95).

Bei Stürzen: Schadensersatz und Schmerzensgeld

Kommt es infolge einer nicht ordnungsgemäßen Ausübung der Salz- und Streupflicht zu Sach – und/oder Personenschäden so haftet der Verkehrssicherungspflichtige in vollem Umfange für entstandene Schäden und muss ggfls. auch Schmerzensgeld zahlen. Der Abschluss einer Haftpflichtversicherung für diese Fälle ist daher unbedingt zu empfehlen.

Schlagworte zum Thema:  Verkehrssicherungspflicht, Verkehrsunfall