LG Ellwangen: KFZ-Unfall beim Kolonnenspringen

Kolonnenspringen ist zwar nicht grundsätzlich unzulässig, aber häufig recht riskant. Dass die vorausfahrenden Fahrzeuge am äußersten rechten Fahrbahnrand fahren, darauf kann ein Kolonnenspringer nicht bauen.

Ein Tesla-Fahrer näherte sich auf einer Landstraße von hinten einer Kolonne von mindestens 10 Fahrzeugen, die er sukzessive überholte. Beim Versuch, die aus seiner Sicht letzten 3 Fahrzeuge der Kolonne zu überholen, streifte er das Beklagtenfahrzeug, einen Opel Astra.

Kolonnenfahrer will sämtliche Schäden ersetzt bekommen

Der Teslafahrer behauptete, dass der Astra plötzlich und unerwartet nach links ausgeschert sei, als er ihn überholt habe. In der ersten Instanz vertrat der Teslafahrer die Ansicht, dass der Astra-Fahrer für den kompletten Schaden an seinem Fahrzeug aufkommen müsse.

Der Beweis des ersten Anscheins würde für ein Alleinverschulden des Beklagten sprechen. Wer nach links ausschere und dabei mit einem links vorbeifahrenden Fahrzeug kollidiere genüge seinen Pflichten beim Überholt werden aus § 5 Abs. 4 StVO nicht und sei deshalb alleinverantwortlich für einen Unfall.

Das Amtsgericht hatte die Klage abgewiesen. Das Landgericht Ellwangen hat entschieden, dass die zulässige Berufung unbegründet ist.

Der Unfall war für den Teslafahrer nicht unvermeidbar i.S.V. § 17 Abs. 3 StVG. Das Überholen sei zwar nicht unzulässig gewesen. Ein Idealfahrer hätte es aber angesichts der mit derartigem Kolonnenspringen verbundenen abstrakten Selbst- und Fremdgefährdung unterlassen. Insbesondere deshalb, weil die Straße kurvig und schmal – nur 5 Meter breit – war und der Tesla inklusive Außenspiegel schon 2,1 Meter breit war. Zudem hatte die Straße weder Mittellinie noch Bankett.

Rechtsfahrgebot: Gewisser Sicherheitsabstand zur Fahrbahnbegrenzung ist zulässig

Dem Astrafahrer könne auch nicht ein Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot aus § 2 Abs. 2 StVO vorgeworfen werden. Zwar habe er zugegeben, dass er unmittelbar vor der Kollision nach dem Durchfahren einer S-Kurve noch nicht ganz am rechten Fahrbahnrand gefahren sei. Daraus könne aber kein Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot abgeleitet werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH sei das Rechtsfahrgebot keine starre Regel. Vielmehr gewähre es dem Kraftfahrer einen gewissen Spielraum („möglichst weit rechts“).

Es komme darauf an, ob der Kraftfahrer nach den gesamten Umständen vernünftig weit rechts fahre, wobei ein gewisser Sicherheitsabstand zur Fahrbahnbegrenzung eingehalten werden dürfe.

Der Astrafahrer sei nicht verpflichtet gewesen, stets am äußersten rechten Rand der nur knapp 5 Meter breiten Kreisstraße zu fahren. Er dürfte insbesondere aufgrund des fehlenden Banketts und des im Unfallzeitpunkt fehlenden Gegenverkehrs vernünftigerweise einen Sicherheitsabstand zum rechten Fahrbahnrand einhalten.

Keine Verpflichtung, am äußersten rechten Rand zu fahren, damit Kolonnenspringer überholen kann

Das Gericht führte zudem aus, dass auch keine Verpflichtung bestehe, am äußersten rechten Rand zu fahren, um einem Kolonnenspringer ein riskantes Überholmanöver zu ermöglichen.

Im Ergebnis trete die einfache Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs hinter die aufgrund des als grob fahrlässig zu verurteilenden Verstoßes des Teslafahrers gegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO erhöhte Betriebsgefahr des Klägerfahrzeugs zurück. Der Teslafahrer hat damit keinen Anspruch auf Schadensersatz.

(LG Ellwangen, Urteil v. 20.03.2024, 1 S 70/23)

Schlagworte zum Thema:  Verkehrsunfall, Verkehrsrecht, Schadensersatz, StVO, Urteil