Betriebsgefahr: Haftung beim Auffahrunfall in der Waschstraße

Ein Auto verlässt die Waschstraße nicht rechtzeitig und verursacht dadurch einen Auffahrunfall der beiden nachfolgenden Fahrzeuge. Wer ist für den entstandenen Schaden verantwortlich? Kernfrage zur Betriebsgefahr: Befinden sich Autos auf dem Förderband der Waschstraße überhaupt im Betrieb?

Unfallort Waschstraße. Drei Fahrzeuge befinden sich in der Waschanlage. Beim ersten Fahrzeug war der Waschvorgang bereits beendet, das Fahrzeug war vom automatischen Förderband geschoben worden. Da der Motor nicht ansprang, konnte das Fahrzeug die Waschanlage aber nicht verlassen.

Karambolage in der Waschstraße

Um nicht aufzufahren, bremste das zweite Fahrzeug, das sich noch auf dem Förderband befand ab. Dann passierte, was passieren musste: Das dritte und letzte Fahrzeug in der Waschstraße wurde auf das vor ihm befindliche zweite Fahrzeug des Klägers geschoben, das dadurch beschädigt wurde.

Wann befindet sich ein Auto in einer Waschstraße in Betrieb?

Wer haftet für den Schaden, der am Klägerfahrzeug entstanden ist?

  • Von entscheidender Bedeutung war dabei die Frage, ob sich das erste Fahrzeug, das die Waschstraße nicht ordnungsgemäß verlassen hatte, im Betrieb befand oder nicht.
  • Die Beantwortung der Frage ist diffizil.
  • Ein Betrieb ist jedenfalls zu verneinen, wenn ein Auto, dessen Motor abgeschaltet ist,
  • bei einem automatisierten Waschvorgang auf einem Förderband durch eine Waschstraße bewegt wird.

In einem derartigen Fall geht keine eigene Betriebsgefahr von einem Fahrzeug aus (vgl. LG Parderborn, Urteil v. 26.11.2014, 5 S 65/14).

Pflicht nach dem Waschvorgang: Waschstraße schnellstens verlassen

Doch im vorliegenden Fall stellt sich die Situation anders dar: Der automatisierte Waschvorgang war ja schon vollständig beendet und das Fahrzeug hatte das Förderband der Waschstraße bereits verlassen. Deshalb befand es sich bereits wieder im Verkehrsraum, den es so schnell wie möglich mit Hilfe des Motors hätte verlassen müssen – die Ampel in der Waschanlage hatte den Fahrzeugführer dazu aufgefordert.

Stehenbleiben nach dem Waschvorgang = Gefahr für nachfolgenden Fahrzeuge

Dadurch, dass der Motor nicht gestartet wurde, sei es aufgrund technischer Probleme oder aufgrund eines Bedienfehlers – stellte das Auto eine Gefahr für die nachfolgenden Fahrzeuge dar, so das Gericht.

  • Diese Gefahr ging nicht von der Waschanlage oder vom automatisierten Transportvorgang aus,
  • sondern allein vom nicht startenden Fahrzeug.

Damit sah das Gericht das Tatbestandsmerkmal „bei Betrieb des Kraftfahrzeugs“ i.S.d. § 7 StVG als gegeben an.

Bremsvorgang begründet keine Mithaftung

Eine Mithaftung des Klägers über § 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG – als eine Schadensverursachung durch mehrere der beteiligten Fahrzeuge – sah das Gericht nicht. Denn dafür wäre es notwendig, dass auf Seiten des Klägers eine Betriebsgefahr berücksichtigt hätte werden müssen. Doch dem war nicht so. Denn anders als der Beklagte befand sich der Kläger mit seinem Fahrzeug zum Kollisionszeitpunkt ja noch im automatisierten Waschvorgang.

Das Gericht sah auch keinen Ansatzpunkt für ein Mitverschulden des Klägers nach §§ 9 StVG, 254 BGB.

Der Kläger habe letztlich nur abwägen können, ob er auf das Fahrzeug vor ihm auffahren solle oder ob das Fahrzeug hinter ihm auf ihn auffahre. Fahrlässigkeit könne man ihm bei dieser Konstellation nicht vorwerfen.

Im Ergebnis hat der Kläger Anspruch auf Zahlung des gesamten Schadens, der durch das Auffahren des hinteren Fahrzeugs entstanden ist.

(LG Kleve, Urteil v. 23.12.2016, 5 S 146/15).






Hintergrundwissen:

Mit dem Begriff der Betriebsgefahr wurde ein weitreichender Ausnahmetatbestand von dem im deutschen Schadensrecht geltenden Verschuldensprinzip geschaffen. Grundgedanke dieses Haftungsbegriffs ist die Annahme, dass mit dem Betrieb bestimmter technischer Maschinen und Geräte wie Kraftfahrzeugen, Schienenbahnen, Luftfahrzeugen u.ä. eine besondere Gefahrenquelle für die Allgemeinheit oder für Einzelne geschaffen wird.

Eine regelmäßig in eigenem Interesse geschaffene und zum Einsatz gebrachte abstrakte Gefahrenquelle soll im Falle eines Unfallereignisses bei der Klärung der Haftungsfrage angemessen berücksichtigt werden. Als grundsätzlich verschuldensunabhängige Mitverantwortung mindert die Betriebsgefahr regelmäßig die sonstigen Verschuldensanteile der anderen unfallbeteiligten Personen. Seinen praktisch größten Niederschlag hat dieses Prinzip in § 7 StVG gefunden. Nach § 7 STVG haftet der Fahrzeughalter im Falle eines Unfallereignisses allein deshalb, weil er durch das Halten eines Kfz eine Gefahrenquelle eröffnet.


Schlagworte zum Thema:  Verkehrssicherungspflicht, Haftung, Kraftfahrzeug