Autounfall: Mitverschulden des verletzten Fußgängers

Eine 81-Jährige gehbehinderte Frau wurde beim Queren einer Straße von einem Auto angefahren und erheblich verletzt. Die Betriebsgefahr von Autos spiegelt sich im Fall eines Unfalls häufig in einer höheren Haftungsquote des Autofahrers. Es sei denn, dem Fußgänger kann grobe Fahrlässigkeit unterstellt werden.

Eine 81-jährige gehbehinderte Frau war dabei, bei Dunkelheit zu Fuß eine Straße zu überqueren. Sie hatte die Straßenmitte bereits überschritten, als sie von einem von rechts kommenden Auto erfasst und schwer verletzt wurde.

Die Frau forderte vom Fahrer des Pkw Schadenersatz. Vor Gericht musste die Haftungsverteilung geklärt werden. Das Amtsgericht Meißen war von einem 80-prozentigen Haftungsanteil des Autofahrers ausgegangen, das Landgericht sah dagegen den Haftungsanteil des Autofahrers bei nur einem Drittel.

Fußgängerin hätte in der Straßenmitte anhalten und die Verkehrslage prüfen müssen

Das OLG Dresden kam zu einer Haftungsverteilung von 50 zu 50. Der Frau hätte bewusst sein müssen, dass sie sich aufgrund ihrer Gehbehinderung nur langsam fortbewegen konnte. Sie hätte daher nach Erreichen der Fahrbahnmitte erneut prüfen müssen, ob von rechts Verkehr nahe. Spätestens dann hätte sie das ordnungsgemäß beleuchtete und damit gut erkennbare Fahrzeug erkennen können.

Worauf Fußgänger beim Queren eine Straße achten müssen

  • Ein Fußgänger darf gemäß § 25 Abs. 2 StVO die Fahrbahn nur unter Beachtung des Vorrangs des Fahrzeugverkehrs überqueren.
  • Dabei hat er den fließenden Verkehr vor dem Betreten und auch beim Überqueren der Fahrbahn genau zu beachten.
  • Fußgänger dürfen zunächst auch nur bis zur Mitte einer Straße gegen und dort den rechts kommenden Verkehr abwarten (vgl. etwa BGH, Urteil v. 29.4.1975, VI ZR 225/73).

Fußgängerin hat grob fahrlässig gehandelt

Verstößt ein Fußgänger gegen seine Verpflichtung aus § 25 Abs. 3 StVO, handelt er in der Regel grob fahrlässig. Dies sah das Gericht beim Verhalten der alten Dame als gegeben an.

Autofahrer hat gegen Sichtfahrverbot verstoßen

Berücksichtige man zudem die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs und dem Verstoß des Fahrers gegen das Sichtfahrverbot, sei eine Haftungsverteilung von 50 zu 50 angemessen, so das Oberlandesgericht.

Mit Blick darauf, dass die Erkennbarkeit der Frau für den Autofahrer festgestellt und berücksichtigt wurde, fallen weitere Umstände, die die Klägerin im Zusammenhang damit geltend gemacht hatte – Unaufmerksamkeit des Fahrers, ihre erkennbare Behinderung – nicht zusätzlich verschuldenserhöhend ins Gewicht.

(OLG Dresden, Urteil v. 8.3.2022, 14 U 1267/21)

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