Selbstbestimmungsgesetz

Am 12.4.2024 hat der Deutsche Bundestag das neue Selbstbestimmungsgesetz beschlossen. Transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nicht binäre Menschen sollen künftig ihren Geschlechtseintrag durch einfache Erklärung ändern können.

Bundesfamilienministerin Lisa Paus und Bundesjustizminister Marco Buschmann sehen in dem Gesetz einen Meilenstein zur Ermöglichung einer eigenverantwortlichen, selbstbestimmten Geschlechtszuordnung. Das „Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag“ (SBGG) wird das inzwischen als unzureichend empfundene und in Teilen vom BVerfG (BVerfG, Beschluss v. 11.1.2011,1 BvR 3295/07; BVerfG, Beschluss v. 27.5.2008, 1 BvL 10/05) als verfassungswidrig erklärte Transsexuellengesetz (TSG) von 1980 ablösen.

Selbstbestimmte Geschlechtszuordnung für alle

Der Gesetzentwurf selbst formuliert in § 1 SBGG-E das Ziel des Gesetzes. Hiernach sollen die personenstandsrechtliche Geschlechtszuordnung und die Vornamenswahl von der Einschätzung dritter Personen vollständig gelöst werden, die Selbstbestimmung der betroffenen Personen gestärkt und das „Recht jeder Person auf Achtung und respektvolle Behandlung in Bezug auf die Geschlechtsidentität“ verwirklicht werden. Das Gesetz gilt nicht nur für deutsche Staatsangehörige, sondern auch für Ausländer, die ein unbefristetes Aufenthaltsrecht, die blaue Karte der EU oder eine verlängerte Aufenthaltserlaubnis bei aktuell rechtmäßigem Aufenthalt im Inland besitzen. Eine Einschränkung gilt, wenn der Aufenthaltstitel in naher Zeit ausläuft, § 2 Abs. 4 SBGG-E.

Eckpunkte des geplanten Selbstbestimmungsgesetzes

Die wesentlichen Eckpunkte des neuen Gesetzes sind:

  • Das SBGG-E kennt bei der Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen keine Unterscheidung zwischen transgeschlechtlichen, intergeschlechtlichen und nicht binären Personen.
  • Gemäß § 2 SBGG-E kann jede Person, deren Geschlechtsidentität von ihrem Geschlechtseintrag im Personenstandsregister abweicht, gegenüber dem Standesamt durch einfache Erklärung eine Änderung des Geschlechtseintrags bewirken.
  • Hierbei kann die Angabe im Personenstandsregister durch eine andere der in § 22 Abs. 3 Personenstandsgesetz vorgesehenen Angaben (männlich, weiblich oder divers) ersetzt oder komplett gestrichen werden.
  • Die betreffende Person hat eine Eigenversicherung abzugeben, dass der gewählte Geschlechtseintrag ihrer Geschlechtsidentität am besten entspricht und sie sich der Tragweite der durch die Erklärung bewirkten Folgen bewusst ist.
  • Gemäß § 2 Abs. 3 SBGG-E hat die betreffende Person mit der Erklärung die Vornamen anzugeben, die sie künftig führen will und die dem gewählten Geschlechtseintrag entsprechen.

Besonderheiten bei Minderjährigen und betreuten Personen

Bei Minderjährigen und betreuten Personen ist zu unterscheiden:

  • Eine beschränkt geschäftsfähige minderjährige Person, die das 14. Lebensjahr vollendet hat, kann die Erklärung zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen nur selbst abgeben, bedarf jedoch der Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters. Diese kann durch das Familiengericht ersetzt werden, wenn dies dem Kindeswohl nicht widerspricht, § 3 Abs. 1 SBGG-E.
  • Daneben muss die minderjährige Person – in Ergänzung zum ursprünglichen Regierungsentwurf – erklären, dass sie beraten, d. h. über die Bedeutung und Tragweite ihrer Erklärung informiert ist, § 3 Abs. 2 SBGG-E.
  • Ist die minderjährige Person geschäftsunfähig oder hat das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet, kann nur der gesetzliche Vertreter die Erklärungen zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen abgeben. Auch er muss versichern, über Bedeutung und Tragweite der Erklärung beraten zu sein. Bei der Erklärung beim Standesamt muss die minderjährige Person – in Ergänzung zum ursprünglichen Regierungsentwurf – selbst anwesend sein. Kinder, die das 5. Lebensjahr vollendet haben, müssen der Änderung zustimmen, § 3 Abs. 2 SBGG-E.
  • Ein Vormund bedarf gegebenenfalls der Genehmigung des Familiengerichts.
  • Bei betreuten Personen muss das Betreuungsgericht die Änderung genehmigen, wenn eine Betreuung für diese Angelegenheit angeordnet wurde, § 3 Abs. 3 SBGG-E.

Erklärung muss 3 Monate vorher angemeldet werden

Die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen ist von der erklärenden Person 3 Monate vor der Erklärung mündlich oder schriftlich bei dem Standesamt anzumelden, § 4 Abs. 1 Satz 1 SBGG-E. Die Anmeldung soll ab dem 1.8.2024 möglich sein. Sie wird gegenstandslos, wenn die Erklärung nicht innerhalb von 6 Monaten nach der Anmeldung abgegeben wird.

Sperrfrist für weitere Änderungen

Um zu vermeiden, dass Betroffene ihren Geschlechtseintrag in kurzen Abständen wiederholt ändern, soll nach einer Änderung gemäß § 5 SBGG-E eine Sperrfrist von einem Jahr für weitere Änderungen gelten. Hierdurch sollen Betroffene vor übereilten Entscheidungen geschützt und die Ernsthaftigkeit des Änderungswunsches sichergestellt werden.

Rechtliche Wirkungen des Geschlechtseintrags

§ 6 SBGG-E erklärt den aktuellen Geschlechtseintrag und die jeweils aktuellen Vornamen als für den Rechtsverkehr maßgeblich, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. Für den Zugang zu Einrichtungen und Räumen und für die Teilnahme an Veranstaltungen bleibt es gemäß § 6 Abs. 2 SBGG-E allerdings bei der Vertragsfreiheit und dem Hausrecht des jeweiligen Eigentümers oder Besitzers. Gemäß § 10 SBGG-E haben die betroffenen Personen ein Recht auf Änderung der Einträge zu ihrem Geschlecht und ihrer Vornamen in amtlichen Registern.

Weitere Regelungsbereiche

Darüber hinaus enthält das Gesetz Regelungen für das bestehende Rechtsverhältnis zwischen Eltern und ihren Kindern, § 11 SBGG-E, für die Einhaltung von Quotenregelungen bei der Besetzung von Gremien und Organen, § 7 SBGG-E, der Zuordnung zum männlichen Geschlecht im Spannungs- und Verteidigungsfall, § 9 SBGG-E sowie in § 13 SBGG-E ein Offenbarungsverbot hinsichtlich der vor der Änderung bestehenden Eintragungen. Insoweit bestehen allerdings Ausnahmen, wenn die Kenntnis der Voreintragungen aus Gründen des öffentlichen Interesses oder eines glaubhaft gemachten rechtlichen Individualinteresses oder zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben (Strafverfolgung) erforderlich ist.

Verabschiedung des Selbstbestimmungsgesetzes noch vor Jahresende

Das am 12.4.2024 vom Bundestag verabschiedete SBGG bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrats und soll zum 1.11.2024 in Kraft treten. Aus diesem Grunde ist die nach § 4 SBGG-E erforderliche Anmeldung beim Standesamt bereits ab dem 1. August 2024 möglich.

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