Krisenfolgen: Insolvenzrechtsänderung

Mit dem „Gesetz zur vorübergehenden Anpassung sanierungs- und insolvenzrechtlicher Vorschriften zur Abmilderung von Krisenfolgen“ (SanInsKG) hat der Gesetzgeber die Regeln zur Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung modifiziert.

Mit der Reform will der Gesetzgeber die durch die Ukraine-Krise entstandenen und entstehenden Belastungen der Wirtschaft abmildern. Konnte eine unkontrollierbare  Insolvenzwelle infolge der mit der Corona-Pandemie einhergehenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten durch staatliche finanzielle Unternehmenshilfen noch weitgehend abgewendet werden, befürchtet die Wirtschaft als Folge des Ukraine-Kriegs und der reduzierten Gaslieferungen nun eine deutliche Verschärfung der Insolvenzproblematik. An dieser Stelle soll die Reform mit einer Änderung des Insolvenzrechts - wie schon in der Corona-Pandemie mit dem COVInsAG - gegensteuern. Die Existenz im Kern gesunder Unternehmen soll auf diese Weise gesichert werden.

Insolvenzgrund der Überschuldung

Eine wesentliche Änderung betrifft die insolvenzrechtlichen Überschuldungsregeln. Der Prognosezeitraum für die Überschuldungsprüfung gemäß § Abs. 2 19 InsOwird von bisher zwölf auf vier Monate verkürzt, § 4 Abs. 2 Nr.1 SanInsKG. Mit dieser Neuerung soll dem Problem Rechnung getragen werden, dass die derzeitig besonders volatilen Energie- und Gaspreise wie auch die insgesamt schwierige wirtschaftliche Lage die Prognose hinsichtlich einer Überschuldung bzw. deren Überwindung für Unternehmen deutlich erschweren.


Wichtig: Die bisherige Höchstfrist zur Antragstellung von 3 Wochen wegen Zahlungsunfähigkeit gemäß § 15 a Abs. 1 Satz 1 InsO bleibt unberührt. Außerdem dürfen - wie bisher - die Höchstfristen nicht ausgeschöpft werden, wenn bereits vor Fristablauf feststeht, dass eine Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung nicht erwartet werden kann.

2-stufige Überschuldungsprüfung bleibt

Die 2-stufige Prüfung der Überschuldung bleibt dabei im Grundsatz unangetastet, d.h. eine Überschuldung ist nach § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO dann gegeben, wenn das Aktivvermögen des Schuldners die Verbindlichkeiten nicht deckt. Ergibt die Überprüfung in der 2. Stufe, dass eine Fortführung des Unternehmens in den nächsten 4 statt bisher 12 Monaten dennoch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erfolgreich sein wird, liegt eine Überschuldung nicht vor. Durch die Verkürzung des Prognosezeitraums soll angesichts der derzeit unsicheren Wirtschaftslage die Fortbestehensprognose erleichtert und damit auch das Haftungsrisiko des Geschäftsführers minimiert werden.

Verlängerung der Insolvenzantragfrist

Die Maximalfrist zur Stellung eines Insolvenzantrags bei Überschuldung gemäß § 15 a Abs. 1 Satz 2 InsO wird von derzeit sechs auf acht Wochen verlängert, § 4a SanInsKG. Dies soll dem Umstand Rechnung tragen, dass Planungsunsicherheiten zu einer Verzögerung der Sanierungsbemühungen führen können. Dem Geschäftsführer eines Unternehmens soll durch die Verlängerung der Insolvenzantragspflicht ein längeres Zeitfenster zur Abklärung der Sanierungschancen eingeräumt werden.

Modifizierte Planungszeiträume für Eigenverwaltungs- und Restrukturierungsplanungen

Geänderte Planungszeiträume (4 statt 6 Monate) mit einer vereinfachten Eigenverwaltungs- und Restrukturierungsplanung sollengemäß § 4 Abs. 2 Nr. 2 u. 3 SanInsKG Unsicherheiten bei der Planung entgegenwirken und die Möglichkeiten zur Beantragung eines Schutzschirm- oder Eigenverwaltungsverfahrens sowie die Einleitung von Stabilisierungs- und Restrukturierungsmaßnahmen nach § 50 Abs. 2 Nr. 2 „Unternehmenstabilisierungs- und –restrukturierungsgesetz“ (StaRUG) sowie gemäß § 270a Abs. 1 Nr. 1 InsO erleichtern.

Gefahr für den Gläubigerschutz?

Sowohl die BRAK als auch das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) sehen die Maßnahmen zum Teil kritisch. Insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes verweisen sie auf die Gefahr, dass am Ende Unternehmen verleitet werden könnten, unausweichliche Insolvenzanträge später zu stellen. Dies bedeute eine erhebliche Gefahr für die Wahrung der Gläubigerinteressen und damit für die Wirtschaft insgesamt.

IDW kritisiert zu breiten Anwendungsbereich

Das IDW kritisiert darüber hinaus, dass die neuen Regeln auf alle insolvenzantragspflichtigen Unternehmen Anwendung finden, ohne dass die Frage der Kausalität der aktuellen Krisensituation für die wirtschaftlichen Probleme und die aufgetretenen Liquiditätsengpässe eine Rolle spielen würde. Im übrigen hätten Unternehmen nach wie vor bei der Erstellung ihrer Jahresabschlüsse zum Zwecke der handelsrechtlichen Fortführungsprognose einen zwölfmonatigen Planungshorizont gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB zugrunde zu legen. Der Gesetzgeber argumentiert demgegenüber mit zu erwartenden erheblichen praktischen Schwierigkeiten, die eine erforderliche Kausalitätsprüfung mit sich bringen würde.

Was sich nicht verändert hat

Im Rahmen der Reformvorbereitung wurde auch eine allgemeine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wie während der Corona-Pandemie diskutiert. Dieser Vorschlag hat keinen Eingang in die Reform gefunden. Auch der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit besteht ohne Modifikation fort.

Änderungen sollen bis 31.12.2023 gelten.

Die mit der Reform geplanten Änderungen des Insolvenzrechts sollen zunächst vorübergehend bis zum 31.12. 2023 gelten, Verlängerung je nach Lageentwicklung nicht ausgeschlossen.


Schlagworte zum Thema:  Insolvenz, Insolvenzverfahren, Insolvenzantrag