BVerfG: Geschäftsmäßige Sterbehilfe bleibt vorerst strafbar

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung weiterhin strafbar ist. Vier Sterbewillige scheiterten mit ihrem Eilantrag, das gesetzliche Verbot bis zur endgültigen Entscheidung über ihre Verfassungsbeschwerde vorläufig außer Vollzug zu setzen.

Die Sterbehilfe kommt nicht zur Ruhe: Erst Ende des vergangenen Jahres, am 10. Dezember 2015, trat der neue § 217 StGB in Kraft (eingeführt durch das Gesetz zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung vom 3.12.2015, BGBl. I 2015, S. 2177) und steht schon jetzt wieder auf dem Prüfstand.

Nach der neuen Regelung wird derjenige mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, der die Selbsttötung eines anderen fördert, indem er ihm geschäftsmäßig dazu die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt. Nahestehende Personen oder Angehörige bleiben als Teilnehmer straffrei, wenn sie nicht geschäftsmäßig handeln.

Recht auf selbstbestimmtes Sterben

Im Mai 2013 hegten vier Mitglieder des Vereins Sterbehilfe Deutschland erstmals den Wunsch, ihrem Leben in naher Zukunft aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen selbst ein Ende zu setzen. Der Verein sagte ihnen daraufhin im Frühsommer 2014 zu, sie bei einer Selbsttötung zu unterstützen. Im Hinblick aber auf die zukünftige Strafandrohung durch den neuen Sterbehilfe-Paragrafen teilte der Verein dann im November 2015 mit, keine Suizidbegleitungen mehr durchzuführen.

Außervollzugsetzung des Regelung zur Strafbarkeit beantragt

Mit ihrem Eilantrag strebten die vier Mitglieder des Vereins beim Verfassungsgericht die Außervollzugsetzung des neuen Regelung an.

  • Sie rügten, die Vorschrift verletze ihr grundgesetzlich geschütztes Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG), das auch das selbstbestimmte eigene Sterben umfasse.
  • Die Inanspruchnahme von professionellen Dritten werde nach Ansicht der Beschwerdeführer durch die Strafandrohung für geschäftsmäßige Suizidhelfer vereitelt.

Auch sie selbst – als Suizidwillige – könnten sich als Anstifter zu der Tat strafbar machen.

BVerfG lehnt Eilantrag ab

Das Bundesverfassungsgericht wies den Antrag als unbegründet zurück. Bei der Prüfung von Eilanträgen über die Außervollzugsetzung eines Gesetzes seien immer die Folgen für den Fall der

  • Ablehnung des Eilantrags bei einem späteren Erfolg der Verfassungsbeschwerde 

und die Folgen für den Fall der

  • Aussetzung des Gesetzesvollzugs bei einer späterer Erfolglosigkeit der Verfassungsbeschwerde

gegeneinander abzuwägen. Die Nachteile für die Beschwerdeführer bei einem Fortbestehen der Strafnorm waren nach Auffassung der Richter im vorliegenden Fall aber nicht so schwerwiegend, dass ihnen ein Abwarten bis zur endgültigen Entscheidung der Hauptsache nicht zugemutet werden könne.

Unterstützung beim Suizid wird nicht gänzlich vereitelt

Die Richter räumten zwar ein, dass die Beschwerdeführer bei einer Fortgeltung des § 217 StGB momentan auf die Hilfe und Unterstützung durch den geschäftsmäßig handelnden Vereins verzichten müssen, da diese Handlungen strafbewehrt seien. Ein Abwarten bis zur endgültigen Entscheidung in der Hauptsache stelle aber lediglich einen weiteren zeitlichen Aufschub dar, zumal der erstmals 2013 und erneut 2014 geäußerte Wunsch nach einer begleiteten Selbsttötung bislang nicht aktualisiert wurde. Bei einem späteren Erfolg der Verfassungsbeschwerde bliebe der Wunsch weiterhin in der beabsichtigten Form realisierbar.

Durch die Fortgeltung des § 217 StGB sei das Vorhaben der Beschwerdeführer aber auch zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausgeschlossen.

Es bestehe immer die Möglichkeit, sich professionelle ärztliche Unterstützung zu holen, solange diese nicht unter den Tatbestand des § 217 StGB fällt, also nicht geschäftsmäßig erfolgt.

Schwerwiegende und irreversible Nachteile der Beschwerdeführe seien daher nicht zu befürchten.

Gefahr des Anscheins einer Normalität

Die Verfassungsrichter stellten auf der anderen Seite fest, dass die Folgen einer Außervollzugsetzung des § 217 StGB schwerwiegender wären.

  • Nach der Gesetzesbegründung entstehe im Falle der Straffreiheit einer geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung der „fatale Anschein einer Normalität“.
  • Im schlimmsten Fall könne sogar die Gefahr der sozialen Gebotenheit der Selbsttötung entstehen und dadurch auch Menschen zur Selbsttötung verleitet werden, die dies ohne ein Angebot eines assistierten Suizids aus eigenem Antrieb nicht täten.

Nach Auffassung der Richter seien diese Erwägungen des Gesetzgebers nicht offensichtlich fehlerhaft. Die tatsächlichen Feststellungen und die prognostizierte Entwicklung des Gesetzgebers entbehren auch nicht einer rationalen Grundlage. Der durch § 217 StGB bezweckte Schutz des menschlichen Lebens vor einer jedenfalls abstrakten Gefährdung würde bei einer Außervollzugsetzung des Gesetzes jedoch entfallen.

Teilnahme von Suizidwilligen an § 217 StGB straflos

Zu guter Letzt stellte das BVerfG noch fest, dass eine Strafbarkeit der Beschwerdeführer wegen einer Teilnahme – als Anstifter oder Beihelfer – an der Straftat nach § 217 grundsätzlich ausgeschlossen sei. Als Suizidwillige gehören sie zum geschützten Personenkreis des § 217 StGB. Zusätzlich ist ihre Mitwirkung für die Verwirklichung des Straftatbestandes sogar notwendig (Grundsatz der notwendigen Teilnahme). Da sie als gleichzeitig geschützte Opfer bei einer Mitwirkungshandlung straflos bleiben, gilt dies erst recht für eine Teilnahme.

(BVerfG , Beschluss v. 21.12.2015, 2 BvR 2347/15).

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