Der Anwalt, sein Büropersonal und die Fristwahrung

Eine schlechte Orga­ni­sa­tion der Fris­ten­kon­trolle und das Fehlen was­ser­dichter Routine bei der Bear­bei­tung der aus­ge­henden Post sind Sarg­nägel für jeden Wie­der­ein­set­zungs­an­trag. Doch auch unsach­ge­mäße und unvoll­stän­dige Auf­träge sind schäd­lich.

Eine Kanzlei ist so zu orga­ni­sieren, dass Frist­ver­säum­nisse prak­tisch aus­ge­schlossen sind. Dazu gehören die Führung eines Fris­ten­ka­len­ders und einer sorgfältigen Post-Ausgangskontrolle. Mit der Frist­no­tie­rung und -über­wa­chung muss eine Fach­kraft betraut werden. Vor der Über­las­sung der Fris­ten­kon­trolle muss der Anwalt mit der aus­ge­wählten Fach­kraft die kon­krete Vor­ge­hens­weise erör­tern und dies auch schrift­lich fest­legen sowie die Mit­ar­bei­terin auf Kenntnis der rele­van­testen Fristen und Frist­be­rech­nung prüfen.

Ver­trauen ist nicht gut

Regel­mäßig muss der Anwalt stich­pro­ben­artig kon­trol­lieren, ob die Fristen richtig und nach dem kanz­lei­spe­zi­fisch vor­ge­schrie­benen Pro­ze­dere notiert wurden. Der Anwalt hat sein Personal insoweit periodisch zu unterweisen und über neue Entwicklungen, auch der Rechtsprechung zu unterrichten. Er hat konkrete Anweisungen zur Technik der Fristennotierung und Fristenkontrolle zu erteilen.

Früher Vogel hält die Frist

Bei der Orga­ni­sa­tion des Fris­ten­we­sens in seiner Kanzlei muss der Rechts­an­walt durch geeig­nete Anwei­sungen sicher­stellen, dass die zur wirk­samen Fris­ten­kon­trolle erfor­der­li­chen Hand­lungen zum frü­hest­mög­li­chen Zeit­punkt und im unmit­tel­baren zeit­li­chen Zusam­men­hang mit dem im Frist­ab­lauf aus­lö­senden Ereignis vor­ge­nommen werden. Dies gilt nicht zuletzt auch im Hinblick auf den Umgang mit dem BeA. Die mit dem Versand über das BeA betrauten Mitarbeiter hat er bis ins Detail zu unterrichten. Dazu gehören

  • die Belehrung über den Unterschied zwischen einem Übermittlungsprotokoll und einer Eingangsbestätigung,
  • eine Unterweisung darüber, an welcher Stelle innerhalb der in der Kanzlei benutzten Software die elektronische Eingangsbestätigung zu finden ist und
  • darüber welchen Inhalt sie haben muss.

Ist dem Personal trotz sorgfältiger Unterrichtung ein Fehler unterlaufen und soll darauf ein Wiedereinsetzungsantrag gestützt werden, so muss der Anwalt in dem Wiedereinsetzungsantrag die Art der Unterrichtung und Belehrung des Personals konkret darlegen und glaubhaft machen (BGH, Beschluss v. 10.1.2023, VIII ZB 41/22).

Büro­per­sonal macht keine Rechts­be­ra­tung

„Zwar darf der Anwalt ein­fache Ver­rich­tungen, die keine beson­dere juristischen Denkleistungen erfor­dern oder juris­ti­sche Schu­lung ver­langen, wie etwa Boten­gänge oder die Ein­tra­gung vorher vom Anwalt ver­fügter Fristen, zur selb­stän­digen Erle­di­gung auf sein geschultes und zuver­läs­siges Büro­per­sonal über­tragen“, schreibt der BGH in einem wei­teren Ver­fahren (Beschluss v. 2.10.2012, VI ZB 71/11). Rechts­be­ra­tungs­auf­träge gehören aber nicht dazu: In dem Fall hatte der Anwalt die Büro­kraft ange­wiesen, den Man­danten anzu­rufen und danach zu fragen, ob er Beru­fung ein­legen solle oder nicht, wobei der Anwalt die Beru­fungs­ein­le­gung bereits emp­fohlen hatte.

Die Ange­stellte ver­stand den Man­danten am Telefon falsch, wor­aufhin der Anwalt die Beru­fung nicht ein­legte. Die spätere Wiedereinsetzung begrün­dete er mit dem angeb­li­chen Ver­sagen seiner Mit­ar­bei­terin. Der BGH belehrte ihn eines Bes­seren. Denn die Frage der Beru­fungs­ein­le­gung falle „in den ori­gi­nären Ver­ant­wor­tungs­be­reich des Rechts­an­walts, der sich inso­weit nur auf eine schrift­liche oder ihm selbst erteilte münd­liche Weisung der Man­dant­schaft ver­lassen und ihm vor­ge­legte, nicht von der Partei auto­ri­sierte Tele­fon­ver­merke nicht unge­prüft über­nehmen darf“, warnen die BGH-Richter.   

Bei der kon­kreten Bear­bei­tung der Sache immer Fristen über­prüfen

Ein Rechts­an­walt darf die Berech­nung und Notie­rung ein­fa­cher und in seinem Büro geläu­figer Fristen einer gut aus­ge­bil­deten, als zuver­lässig erprobten und sorg­fältig über­wachten Büro­kraft über­lassen, soweit nicht beson­dere Gründe gegen deren Zuver­läs­sig­keit spre­chen. Beschäf­tigt sich der Anwalt aller­dings später konkret mit der Sache, muss er die Frist nach­prüfen „Inso­weit ent­spricht es der stän­digen Recht­spre­chung des Bun­des­ge­richts­hofs, dass sich der Rechts­an­walt nur von der rou­ti­ne­mä­ßigen Frist­be­rech­nung und Fris­ten­kon­trolle durch Über­tra­gung dieser Tätig­keit auf zuver­läs­sige und sorg­fältig über­wachte Büro­kräfte ent­lasten kann. Hiervon ist die Prüfung des Frist­ab­laufs im Zusam­men­hang mit der Bear­bei­tung der Sache zu unter­scheiden. Diesen hat der Rechts­an­walt eigen­ver­ant­wort­lich nach­zu­prüfen, wenn ihm die Sache zur Vor­be­rei­tung der frist­ge­bun­denen Pro­zess­hand­lung vor­ge­legt wird“, betont das OLG Saar­brü­cken (Beschluss vom 8.1.2013, 2 U 19/13).

Elek­tro­ni­scher Fris­ten­ka­lender – periodische Kontrolle erforderlich

Über­lässt der Anwalt die Berech­nung und Notie­rung von Fristen einer gut aus­ge­bil­deten, als zuver­lässig erprobten und sorg­fältig über­wachten Büro­kraft, hat er durch geeig­nete orga­ni­sa­to­ri­sche Maß­nahmen dennoch sicher­zu­stellen, dass die Fristen zuver­lässig fest­ge­halten und kon­trol­liert werden. Auch die elek­tro­ni­sche Kalen­der­füh­rung eines Pro­zess­be­voll­mäch­tigten darf nach gefes­tigter höchst­rich­ter­li­cher Recht­spre­chung grund­sätz­lich keine gerin­gere Über­prü­fungs­si­cher­heit bieten als die eines her­kömm­li­chen Fris­ten­ka­len­ders.