EuGH: Vereinbarkeit von Vorfälligkeitsentschädigung mit EU-Recht

Der EuGH hat die Praxis der Banken gebilligt, im Falle der vorzeitigen Kündigung eines Immobiliendarlehens vom Kunden eine Vorfälligkeitsentschädigung zu verlangen.

Die vorzeitige Kündigung eines Kreditvertrages mit einer Bank durch den Bankkunden löst in der Regel einen Anspruch der Bank auf Zahlung einer sogenannten Vorfälligkeitsentschädigung aus. Diese Praxis ist nach einer Entscheidung des EuGH mit EU-Recht vereinbar. Hinsichtlich der möglichen Höhe einer Vorfälligkeitsentschädigung hat der EuGH den Banken allerdings Grenzen gezogen.

Bankkunden klagten auf Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung

Im konkreten Fall ging es um Vorlagefragen eines Gerichts in Ravensburg. In dem dort anhängigen Verfahren hatten 2 Bankkunden ihre Bank auf Rückzahlung einer von der Bank berechneten Vorfälligkeitsentschädigung verklagt. Die beiden Kunden hatten im Jahr 2019 eine Eigentumswohnung gekauft und hierfür von der Bank einen Kredit in Höhe von 236.000 EUR erhalten. Im Kreditvertrag wurde eine Zinsbindung von 10 Jahren vereinbart.

10-Jahreskredit bereits nach 1 Jahr abgelöst

Bereits ein Jahr nach Vertragsabschluss verkauften die beiden Bankkunden die Eigentumswohnung und zahlten den Kredit vorzeitig zurück. Die von der Bank berechnete Entschädigung für die vorzeitige Ablösung des Kredits zahlten sie zunächst, forderten dann aber von der Bank die Rückzahlung und machten ihren Anspruch gerichtlich geltend. Die Kläger argumentierten, dass die Bank eine Entschädigung für den entgangenen Zinsgewinn nicht verlangen dürfe. Sie erkannten lediglich einen Anspruch der Bank auf Erstattung der dem Kreditinstitut durch die vorzeitige Ablösung entstandenen tatsächlichen Kosten an.

Gesetzliche Regelung der Vorfälligkeitsentschädigung

Gemäß § 502 Abs. 1 Satz 1, 2 BGB kann der Darlehensgeber im Fall der vorzeitigen Rückzahlung eines Verbraucherdarlehens eine angemessene Entschädigung für den unmittelbar mit der vorzeitigen Rückzahlung zusammenhängenden Schaden verlangen, wenn

  • der Darlehensnehmer zum Zeitpunkt der Rückzahlung Zinsen zu einem gebundenen Sollzinssatz schuldet und
  • der gebundene Sollzinssatz bei Vertragsschluss vereinbart wurde.
  • Gemäß § 502 Abs. 3 BGB ist bei Verbraucherdarlehen die Vorfälligkeitsentschädigung auf ein Prozent des vorzeitig zurückgezahlten Betrages begrenzt (auf 0,5 % bei einer verbleibenden Laufzeit bis zu einem Jahr).
  • Außerdem darf die Vorfälligkeitsentschädigung den Betrag der für die Gesamtlaufzeit des Darlehens noch geschuldeten Soll-Zinsen nicht überschreiten.

Vorlage an den EuGH

Das mit der Sache befasste LG hatte Zweifel, ob die gesetzliche Regelung der Vorfälligkeitsentschädigung in Deutschland mit den Richtlinien der EU über Verbraucherkredite und über Wohnimmobilienkredite vereinbar ist und legte die damit verbundenen Fragen dem EuGH zur Beantwortung vor. Im Vordergrund stand dabei die Frage, ob eine Bank die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung nach dem ihr entgangen Zinsgewinn bemessen darf. Der EuGH hat nun entschieden, dass die Regelung der Vorfälligkeitsentschädigung in Deutschland und auch die Einbeziehung des entgangenen Zinsgewinns mit EU-Recht vereinbar sind.

EuGH billigt Berechnung nach Aktiv-Passivmethode

Der EuGH hat die in Deutschland auf der Grundlage des § 502 BGB übliche Berechnungsmethode der Banken, die sogenannte Aktiv-Passivmethode, für rechtens erklärt. Nach dieser Methode errechnet die Bank zunächst die Höhe des ihr insgesamt entgangenen Gewinns. In einem 2. Berechnungsschritt korrigiert die Bank den so errechneten Betrag unter Berücksichtigung der von ihr am Kapitalmarkt durch Anlage der vorzeitig zurückgezahlten Darlehenssumme erzielbaren Erträge.

EuGH formuliert Kriterien für die Berechnung

Der EuGH hat diese Berechnungsmethode unter 3 Voraussetzungen gebilligt:

  • Es muss sichergestellt werden, dass die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung nicht zu einer Überkompensation des finanziellen Verlustes der Bank führt.
  • Außerdem darf im Fall der Erhebung einer Vorfälligkeitsentschädigung gegenüber dem Verbraucher keine zusätzliche Vertragsstrafe verhängt werden und
  • die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung muss insgesamt angemessen sein.

Die konkrete Prüfung der Frage, ob diese Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt sind, obliegt nach der Entscheidung des EuGH den nationalen Gerichten

Balance zwischen Bankeninteressen und Verbraucherschutz gewahrt?

Im Ergebnis hat der EuGH damit die Position der Banken gegenüber ihren Kunden gestärkt. Insbesondere bei der vorzeitigen Ablösung von Immobilienkrediten können Vorfälligkeitsentschädigungen eine erhebliche Höhe erreichen. Insoweit ist allerdings nicht zu übersehen, dass der EuGH zum Schutz der Verbraucher auch Grenzen für die mögliche Höhe einer Vorfälligkeitsentschädigung gezogen hat.

(EuGH, Urteil v.14.3.2024, C-563/22)