EuGH: Ausgleichszahlung für Flugverspätung

Der Anspruch auf eine Ausgleichszahlung des Fluggastes für einen verspäteten Flug setzt voraus, dass der Fluggast einen realen Zeitverlust erleidet. Erscheint er nicht zur Flughafenabfertigung oder bucht rechtzeitig um, entfällt die Entschädigung.

Im Fall der Annullierung von Flügen und bei großen Verspätungen haben Passagiere nach der Europäischen Fluggastrechteverordnung (Art. 6 u. 7 EU-VO Nr.261/2004) einen Anspruch auf eine pauschale Ausgleichszahlung von 250 bis zu 600 EUR je nach Länge der Flugstrecke. Nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) in der Vergangenheit die entsprechenden Vorschriften meist großzügig zugunsten der Fluggäste ausgelegt hat, hat das Gericht nun in 2 aktuellen Fällen die Ansprüche von Fluggästen auf Ausgleichszahlung wegen verspäteter Flüge abgelehnt.

Nach Verspätungsankündigung Flug erst gar nicht angetreten

In den beiden vom EuGH entschiedenen Fällen ging es um Flüge von Düsseldorf nach Palma de Mallorca. In einem Fall war ein Geschäftsmann erst gar nicht in der Abfertigungshalle des Flughafens erschienen, weil er sich aufgrund der angekündigten Verspätung sicher war, dass er den avisierten Geschäftstermin auf Mallorca verpassen würde. Im 2. Fall hatte der Reisende nach Ankündigung der Verspätung selbst einen Ersatzflug gebucht. Infolgedessen kam er in Palma nicht ganz so spät an, nämlich mit etwas weniger als der für eine Ausgleichszahlung erforderlichen Mindestverspätung von 3 Stunden.

Vorlage zum EuGH

In beiden Fällen hatte der Rechtsdienstleister „flightright“ bis zum BGH auf Ausgleichszahlung geklagt. Der BGH bat den EuGH um Klärung der Rechtsfrage, ob auch in diesen Fällen des Nichterscheinens zur Flugabfertigung bzw. der geringeren Verspätung infolge der Umbuchung auf einen Ersatzflug ein Anspruch auf Ausgleichszahlung nach der EU-Fluggastrechteverordnung besteht.

Ausgleichszahlung hat keinen Schadenersatzcharakter

In seinen Entscheidungen vertritt der EuGH die Ansicht, dass Fluggäste auch im Fall eines verspäteten Fluges grundsätzlich verpflichtet sind, zur Flugabfertigung zu erscheinen. Anders als im Fall einer Annullierung solle ein verspäteter Flug prinzipiell stattfinden. Wer gar nicht erst zur Abfertigung erscheine und deshalb auch nicht den mit dem verspäteten Flug verbundenen Zeitverlust erleide, für den sei die Ausgleichszahlung nicht gedacht. Verpasse der Fluggast in diesem Kontext einen Geschäftstermin, so müsse er gegebenenfalls auf andere Weise versuchen, von der Fluggesellschaft Schadenersatz zu erhalten. Die pauschalierte europäische Ausgleichszahlung habe nämlich nicht den Charakter einer Schadensersatzleistung, sondern diene allein einem pauschalen Ausgleich für erlittene Unannehmlichkeiten des Fluggastes infolge des erlittenen Zeitverlustes.

Ohne Zeitverlust keine Ausgleichszahlung

Die gleichen Erwägungen gelten nach Auffassung des Gerichts für den Fall, dass der Fluggast infolge der Buchung eines Ersatzfluges mit weniger als 3 Stunden Verspätung am Zielort ankommt. In diesem Fall habe er den nach der Europäischen Fluggastrechteverordnung vorausgesetzten irreversiblen Zeitverlust nicht erlitten, so dass auch hier die pauschale Ausgleichszahlung entfalle. Auch hier wies der EuGH darauf hin, dass die Ausgleichszahlung den Charakter eines Ausgleichs für die erlittenen Unannehmlichkeiten durch die Flugverspätung habe. Daher sei der Fluggast auch in einem solchen Fall nicht gehindert, nach anderen Vorschriften Schadenersatz gegen die Fluggesellschaft, z. B. wegen der Kosten für den Ersatzflug, geltend zu machen.

(EuGH, Urteile v. 25.1.2024, C-474/22 u. C-54/23)

Hintergrund:

In der Vergangenheit hatte der EuGH bereits mehrfach die Rechte der Fluggäste bei Verspätungen gestärkt. So hatte das Gericht entschieden,

  • dass Reisende auch dann Anspruch auf Entschädigung haben, wenn ein in der EU gestarteter Flug mit Verspätung auf einem Flughafen außerhalb der EU landet, auch wenn der Flug von der Fluggesellschaft eines Drittstaates durchgeführt wurde und mit mehrfachem Umsteigen in Drittländern verbunden war (EuGH, Urteil v. 7.4.2022, C-561/20).
  • Bei einheitlichen Buchungen besteht der Entschädigungsanspruch auch bei Verspätungen direkter Anschlussflüge anderer Fluggesellschaften, vorausgesetzt die Flüge mit unterschiedlichen Airlines waren Gegenstand einer einheitlichen Buchung (EuGH, Urteil v. 6.10.2022, C-436/21).
  • Auch im Fall einer Vorverlegung des Fluges um mehr als 1 Stunde besteht ein Anspruch auf Ausgleichszahlung, da eine solche Vorverlegung nach Auffassung des EuGH einer Annullierung des gebuchten Fluges gleichkommt (EuGH, Urteil v. 21.12.2021, C-146/20, C-196/20 u. a.).

In seinen aktuellen Entscheidungen hat der EuGH nun die Grenzen des Ausgleichsanspruchs bei Flugverspätungen deutlich gemacht.


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