Berufunfähigkeit: Keine Zahlung trotz positiven Privatgutachtens

Versicherer holen häufig Gutachten ein, bevor sie entscheiden, ob sie einem Antrag auf Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung stattgeben. Doch gebunden sind sie an das Ergebnis nicht.

Ein Versicherter hatte erhebliche Beschwerden am Handgelenk und beantragte deshalb Leistungen aus seiner Berufsunfähigkeitsversicherung. Die Versicherung prüfte den Fall, sah bei dem Versicherten eine Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht und erklärte den Rücktritt sowie die Anfechtung. Vor Gericht verlor die Versicherung allerdings, Rücktritt und Anfechtung waren rechtswidrig. Doch damit war die Angelegenheit für den Versicherten noch nicht in trockenen Tüchern.

Von der Versicherung beauftragter Gutachter bestätigt Berufsunfähigkeit

Die Versicherung beauftragte nach dem Urteil einen Sachverständigen, um die Verletzung, die die damit einhergehende Einschränkung beim Versicherungsnehmer zu begutachten. Zwar bestätigte der Gutachter die Berufsunfähigkeit, doch die Versicherung lehnte es trotzdem ab, zu zahlen. Dies hatte eine erneute Klage des Versicherungsnehmers zur Folge.

Gerichtlich bestellter Sachverständiger sieht dagegen keine Berufsunfähigkeit

Der vom Landgericht beauftragte Sachverständige kam zu der Einschätzung, dass keine Berufsunfähigkeit vorliege, die Klage wurde abgewiesen. In der Berufung trug der Kläger vor, das Landgericht hätte keine Beweisaufnahme durchführen und deshalb das von ihm eingeholte Sachverständigengutachten nicht zur Urteilsgrundlage erheben dürfen. Die beklagte Versicherung hätte im Rahmen des vorgerichtlich eingeholten Gutachtens ihre Leistungspflicht anerkennen müssen, so der Kläger.

Gericht: Versicherer ist nicht an das Ergebnis eines Privatgutachtens gebunden

Dieser Argumentation widersprach das OLG. Der BU-Versicherer sei nach dem abgeschlossenen Vertrag dazu verpflichtet, eine fristwahrende Erklärung darüber abzugeben, „ob er seine Leistungspflicht anerkennt“ (§ 173 Abs. 1 VVG) bzw. „ob und in welchem Umfang er eine Leistungspflicht anerkennt“ (§ 11 Allgemeine Versicherungsbedingungen). Dieser Erklärungspflicht sei die beklagte Versicherung nachgekommen.

Es sei aber weder vertraglich noch gesetzlich bestimmt, dass der Versicherer an das Ergebnis und/oder die Begründung eines von ihm eingeholten Privatgutachtens gebunden wäre:

  • Der BU-Versicherer kann im Rahmen einer außergerichtlichen Leistungsprüfung nicht vorgeschrieben werden, dass er das Ergebnis des Gutachtens vorbehaltlos akzeptieren muss, wenn dieses den Eintritt des Versicherungsfalls zugunsten des Versicherten attestiert.
  • Der Versicherer ist vielmehr frei in seiner abschließenden Bewertung, ob er das eingeholte fachmedizinische Gutachten inhaltlich für überzeugend hält oder nicht.

Der Argumentation des Klägers, es hätte nach Vorliegen des vorgerichtlichen Gutachtens „eine positive Leistungsentscheidung" geben müssen, weil sich nach einer Gesamtschau zu diesem Zeitpunkt das Vorliegen einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit aufdrängt, überzeugte das Gericht nicht.

(OLG Nürnberg, Beschluss v. 22.08.2023, 8 U 344/23)