Folgen des Nichtbeachtens der aktiven Nutzungspflicht

Wird ein Schriftsatz nicht in der ab dem 1.1.2022 vorgeschriebenen Weise eingereicht, hat dies prozessualen Folgen wie u. U. die Unzulässigkeit der Klage oder die Verfristung des Rechtsmittels. Wie sehen die Vorgaben für die Übermittlung aus? Was gilt bei technischen Pannen und welche Formen der Ersatzeinreichung kommen in Betracht? 

Digitale Kommunikation mit den Gerichten ist nicht nur ein Angebot. Es ist eine Vorgabe, deren Einhaltung durch die Anwälte aufgrund negativer Folgen der Missachtung zwingend ist.

Nichtbeachtung der aktiven Nutzungspflicht hat Folgen für Gerichtsverfahren

Ignoriert ein der aktiven Nutzungspflicht unterworfener Verfahrensbeteiligter den elektronischen Rechtsverkehr, kann er jedenfalls formwahrend keine Schriftsätze mehr einreichen. Die prozessualen Folgen reichen von unzulässigen Klagen und Anträgen von Aktivparteien, über unzulässige Rechtsbehelfe und Rechtsmittel bis hin zu Versäumnisurteilen im schriftlichen Verfahren bei Passivparteien.

In Gerichtsbarkeiten mit Amtsermittlungsgrundsatz stellt sich allerdings sehr dringlich die Frage des Umgangs mit nicht formbedürftigen Posteingängen. Diese dürften kaum vom Gericht ignoriert werden können.

Ersatzeinreichung bei technischen Problemen mit dem beA

Für den Fall, dass die Technik streikt, kommt eine Ersatzeinreichung gem. § 130d S. 2-3 ZPO in Betracht. Hierfür kann dann auf die Post, Fax oder auch Boten zurückgegriffen werden. Die Störung muss nach dem Wortlaut der Norm und ihrem Sinn und Zweck bloß vorübergehend sein. Professionelle Einreicher können sich daher nicht auf § 130d ZPO berufen, wenn ein zugelassener Übermittlungsweg noch gar nicht in Betrieb genommen oder eingerichtet worden ist, selbst wenn dies kurz vor Eintritt der aktiven Nutzungspflicht noch in Angriff genommen, aber nicht abgeschlossen ist. Hierzu zählt bspw. auch die (fehlende) Erstregistrierung des beA, die Beantragung der entsprechenden beA-Karten oder die Beschaffung der notwendigen Hard- und Software.

Die Ursache der Störung muss technischer Natur sein. Ein Verschuldenselement enthält § 130d S. 2-3 ZPO aber nicht. Grundsätzlich soll gelten, dass jede Form eines technischen Ausfalls nicht zum Nachteil des Einreichers gereicht. So können etwa auch Fehlbedienungen und vergessene Passwörter das Merkmal der technischen Störung erfüllen. Die äußere Grenze dürfte der Rechtsmissbrauch sein.

Allerdings ist die vorübergehende Unmöglichkeit bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen. Zur Feststellung von Störungen empfiehlt es sich, den EGVP-Newsletter (unter www.egvp.de) zu abonnieren, um per E-Mail über Störungen informiert zu werden.

→ Heilung anwaltlicher Formfehler im elektronischen Rechtsverkehr

Abbau von Fehlerquellen durch Entspannung bei Dateiformatvorgaben

Durch Rechtsänderungen aufgrund des ERV-Ausbau-Gesetzes mit Wirkung zum 1.1.2022 hat der Gesetzgeber rechtzeitig zum Eintritt der aktiven Nutzungspflicht noch einige Fallstricke im elektronischen Rechtsverkehr abgeräumt, die vor allem in der Arbeitsgerichtsbarkeit zuletzt für Aufregung gesorgt hatten. Die Vorgaben an die zulässigen Dateiformate wurden deutlich vereinfacht.

Zusammenfassend gilt ab dem 1.1.2022 zwingend:

  • Das formbedürftige elektronische Dokument muss
    • im konkreten Einzelfall
    • ohne wesentliche zusätzliche Aufwände
    • durch das Gericht mit den hierfür vorgesehenen technischen Mitteln (insbesondere mit dem Fachverfahren bzw. der eAkten-Software des Gerichts) zu verarbeiten sein.
    • Verarbeiten bedeutet dabei: die Darstellung, die Möglichkeit der inhaltlichen Kenntnisnahme und die Möglichkeit der Hinzufügung zur Gerichtsakte (durch Ausdruck oder durch Speicherung), sowie die Möglichkeit der unveränderten Weiterleitung an die übrigen Verfahrensbeteiligten.
    • Darauf, dass diese Hürde genommen wird, kann sich ein Einreicher grundsätzlich dann verlassen, wenn er die Vorgaben der Bekanntmachungen zum elektronischen Rechtsverkehr einhält, die ab 1.1.2022 als „Soll-Bestimmung“ ausgestaltet sind. Hierzu gehört insbesondere, dass die Datei druckbar ist und einer bestimmten Dateinamenkonvention folgt.
  • Dateiformat PDF (bzw. TIFF, falls eine bildliche Darstellung in PDF nicht verlustfrei möglich ist).

Die Bearbeitbarkeit ist ferner dann nicht gegeben, wenn die übersandte Datei aus anderen Gründen als dem Dateiformat nicht zu öffnen ist, bspw. aufgrund eines Virenverseuchung oder, weil sie „korrupt“ ist.

Stellt sich das eingereichte Dokument als nicht bearbeitbar heraus, ergibt sich hieraus nicht sofort eine negative Rechtsfolge. Vielmehr muss das Gericht auf die mangelnde Bearbeitbarkeit gem. § 130a Abs. 6 ZPO unverzüglich hinweisen, das Problem konkret benennen und auf die geltenden technischen Rahmenbedingungen verweisen. Der Einreicher kann dann – allerdings ebenfalls unverzüglich – das Dokument nochmals einreichen. Wurde das Problem behoben, gilt das Dokument als zum Zeitpunkt der früheren Einreichung (also regelmäßig fristwahrend) als eingegangen.

Die Pflichten bei der aktiven beA-Nutzung

Im Ergebnis gelten daher folgende Schlussfolgerungen hinsichtlich der Verpflichtungen des Nutzers:

  • Das beA muss vom Rechtsanwalt beherrscht werden. Dies umfasst eine sachgerechte und haftungssichere Einbindung des beA in die Kanzleiorganisation, die notwendige Aus- und Fortbildung für die Nutzung und die Vorplanung für einen Supportfall.
  • Die Adressierung muss korrekt sein.
  • Die zum Betrieb des beA erforderlichen technischen Einrichtungen müssen vorgehalten werden. Dies betrifft vor allem die Hardwareausstattung und auch einen hinreichenden Internetzugang.
  • Auch für das beA wird die Rechtzeitigkeitsrechtsprechung gelten. Hier ist insbesondere die Uploadgeschwindigkeit des Internetzugangs zu beachten. Der Zugang beim empfangenden Gericht ist dann erfolgt, wenn der Upload auf den Intermediär noch innerhalb einer laufenden Frist vollständig war. Das Risiko hierfür trägt der Einsender.
  • Es besteht eine Kompensationspflicht. Scheitert die Übermittlung, sind Alternativen zu erwägen. Zu den Alternativen zählen elektronische Alternativen (EGVP, De-Mail) oder konventionelle Alternativen (Telefax, Bote), soweit diese tatsächlich verfügbar sind. Es besteht andererseits keine Verpflichtung des Rechtsanwalts einen weiteren elektronischen Übermittlungsweg neben dem beA als Ausfallsicherheit bereit zu halten.
  • Derzeit offen ist, inwieweit eine Beobachtungspflicht für das EGVP-Netz angenommen werden wird. Empfehlenswert ist es dennoch den entsprechenden Newsletter, der über Ausfälle per E-Mail informiert, unter www.egvp.de zu abonnieren und die Meldungen ggf. auch zu speichern, um einen Ausfall glaubhaft machen zu können.
  • Die automatisierte Empfangsbestätigung des Intermediärs gem. § 130a Abs. 5 S. 2 ZPO ist zu kontrollieren und aufzubewahren. Die Kontrolle kann bei entsprechender Schulung und Kanzleiorganisation an Bürokräfte delegiert werden. Die Eingangsbestätigung ist hierzu aus dem beA-Webclient zu exportieren.