I. Die Parteien wenden sich mit wechselseitig eingelegten Berufungen gegen die erstinstanzliche Entscheidung, mit der das Landgericht (Limburg, Urt. v. 17.5.2023 – 1 O 153/20) die Beklagten teilweise zur Zahlung von Schadensersatz wegen der Folgen eines Verkehrsunfalls verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen hat.

Am 5.2.2019 gegen 19:30 Uhr befuhr der im Eigentum der Klägerin stehende Marke1 Modell1, amtliches Kennzeichen … die Straße1 in Stadt1 in Fahrtrichtung Straße2. Dieses Fahrzeug wurde von A, dem Sohn der Klägerin gesteuert. Beifahrerin war dessen damalige Freundin B. Zur selben Zeit befuhr das Notarzteinsatzfahrzeug der Beklagten zu 1 mit dem amtlichen Kennzeichen … , welches bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversichert war, die Straße3 in Fahrtrichtung Innenstadt. Das Einsatzfahrzeug wurde von C gesteuert. Beifahrer war D.

An der Kreuzung Straße1/Straße3, auf die die Fahrzeuge der Parteien zeitgleich zufuhren, befindet sich eine Lichtzeichenanlage. Als das Fahrzeug der Klägerin die Kreuzung erreichte, wechselte das Lichtzeichen von Rot auf Grün. Zu diesem Zeitpunkt zeigte die Lichtzeichenanlage für das Beklagtenfahrzeug Rot. Auf der rechten Fahrspur der Straße1 stand ein weiteres Fahrzeug, das trotz Grünlichts nicht anfuhr, sondern stehenblieb. In diesem Fahrzeug befanden sich die Eheleute E. Herr A wechselte deshalb noch vor der Kreuzung von der rechten auf die linke Fahrspur der Straße1 und fuhr in den Kreuzungsbereich ein. Dort kollidierte das Fahrzeug der Klägerin mit dem Fahrzeug der Beklagten zu 1. An beiden Fahrzeugen entstandenen Sachschäden.

Zum Unfallzeitpunkt wartete Herr F mit seinem Fahrzeug auf der Linksabbiegerspur der Straße1, Frau G mit ihrem Fahrzeug auf Straße3 in Fahrtrichtung des Beklagtenfahrzeugs.

Die Klägerin hat 75 % der ihr unfallbedingt entstandenen Schäden auf Grundlage des Schadensgutachtens des H vom 18.2.2019 geltend gemacht, die sie wie folgt beziffert hat:

 
Wiederbeschaffungsaufwand 10.530,00 EUR (15.000,00 EUR Wiederbeschaffungswert abzüglich 4.470,00 EUR Restwert)
Nutzungsentschädigung 26,00 EUR (14 × 59,00 EUR)
Sachverständigenkosten 1.494,05 EUR

Mit Schreiben vom 18.3.2019 übermittelte die Beklagte zu 2 der Klägerin ein Kaufangebot der I-GmbH über 6.570,00 EUR brutto für das unfallbeschädigte Fahrzeug der Klägerin.

Die Klägerin hat behauptet, das Einsatzfahrzeug der Beklagten zu 1 sei mit einer unangemessenen Geschwindigkeit von mindestens 50 bis 60 km/h in die Kreuzung eingefahren, wobei dessen Fahrer, Herr C, nicht ausreichend auf andere Verkehrsteilnehmer, insbesondere den Querverkehr auf der Straße1 geachtet habe. Sie hat die Auffassung vertreten, Herr C habe daher den Verkehrsunfall weit überwiegend verschuldet, sodass die Beklagten mit einer Haftungsquote von 75 % wegen der entstandenen Schäden haften müssten.

Die Beklagten haben behauptet, am Einsatzfahrzeug seien beim Herannahen an den Kreuzungsbereich das Martinshorn und das Blaulicht eingeschaltet gewesen. Herr C habe sich der Kreuzung mit geringer Geschwindigkeit genähert und sei zunächst an der Kreuzung stehengeblieben. Er habe sich vergewissert, dass der von links kommende Verkehr ihn bemerkt. Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, Herr A habe den Unfall allein verursacht. Die Klägerin könne daher keinen Schadensersatz verlangen. Jedenfalls müsse sich die Klägerin das Restwertangebot von 6.570,00 EUR anrechnen lassen, sodass der ersatzfähige Schaden geringer ausfalle.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen A, B, C, D, J, E, F und G sowie durch Einholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens. Sodann hat das Landgericht die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 5.375,03 EUR aus §§ 823 BGB, 7, 17 StVG, 115 VVG, 3 PflVG und zur Freistellung von vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten auf der Grundlage einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr verurteilt. Im Übrigen hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Parteien hafteten nach einer Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge gem. § 17 Abs. 1 und 2 StVG unter Berücksichtigung der Betriebsgefahren jeweils zu 50 % für die Folgen des Verkehrsunfalls. Der Zeuge C habe das Vorfahrtsrecht des Zeugen A missachtet, indem er trotz für ihn eingeschalteter roter Lichtzeichenanlage in den Kreuzungsbereich eingefahren sei. Zwar sei der Zeuge C gem. § 35 Abs. 5a StVO dazu berechtigt gewesen, trotz für ihn auf Rot geschalteter Lichtzeichenanlage in die Kreuzung einzufahren, da er sich mit seinem Fahrzeug im Notfalleinsatz befunden habe. Allerdings dürften Sonderrechte gem. § 35 Abs. 8 StVO nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeübt werden. Auch wenn Blaulicht und Martinshorn des Rettungswagens bereits vorkollisionär eingeschaltet gewesen seien, wovon aufgrund der insoweit übereinstimmenden Angaben der Zeugen C, D, G und E auszugehen sei, hätte der Fahrer des Rettungswagens nur dann weiter in...

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