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[5] II. (…) Die Bekl. war gem. § 233 S. 1 ZPO ohne ihr Verschulden verhindert, die Berufungsfrist als Notfrist einzuhalten. Der Beklagtenvertreter, dessen Verschulden sich die Bekl. gem. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müsste, hat die Sorgfaltspflichten bei der Versendung per Fax eingehalten (dazu 1). Der Beklagtenvertreter war auch nicht verpflichtet, die Berufungsschrift über sein besonderes Anwaltspostfach zu versenden (dazu 2).
[6] 1. Ein Verschulden des Beklagtenvertreters an der erfolglosen Übermittlung der Berufungsschrift am 17.6.2019 kann nicht angenommen werden.
[7] Die Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Fax ist in allen Gerichtszweigen uneingeschränkt zulässig. Der Nutzer hat mit der Wahl eines anerkannten Übermittlungsmediums, der ordnungsgemäßen Nutzung eines funktionsfähigen Sendegeräts und der korrekten Eingabe der Empfängernummer das seinerseits Erforderliche zur Fristwahrung getan, wenn er so rechtzeitig mit der Übermittlung beginnt, dass unter normalen Umständen mit ihrem Abschluss bis 24 Uhr zu rechnen ist (BVerfG NJW 1996, 2857 [2858]; BGH NJW-RR 1997, 250 [250]; NJW-RR 2004, 283).
[8] Gemessen an diesen Anforderungen hat der Beklagtenvertreter das Erforderliche für eine fristwahrende Übermittlung per Fax getan. Dies lässt sich den vorgelegten 43 Sendeberichten entnehmen: Bereits um 17.17 Uhr am 17.6.2019 hat er erstmals versucht, die Berufungsschrift zu übermitteln. Dabei hat er die korrekte Faxnummer des LG verwendet. Zwar umfasst die Sorgfaltspflicht bei der Versendung per Fax auch, dass aus allgemein zugänglichen Quellen gegebenenfalls weitere Faxnummern des LG zu ermitteln sind, um den Versand an andere Geräte zu versuchen (BGH NJW-RR 2017, 1084 [1084]). Auf der Internetseite des LG Mannheim wird indessen nur die vom Beklagtenvertreter verwendete Faxnummer angegeben. Unter normalen Umständen war mit einem Eingang der Sendung am 17.6.2019 zu rechnen. Die in vielen Sendeberichten angegebene Fehlermeldung (“NO ANS: Keine Antwort') deutet auch nicht auf eine Fehlbedienung des Faxgeräts, sondern auf eine technische Störung des Faxgeräts des LG hin.
[9] 2. Der Beklagtenvertreter hat die Versäumung der Berufungsfrist auch nicht dadurch verschuldet, dass er die Berufungsschrift nicht über sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) an das LG übermittelt hat.
[10] Der Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes verbietet es den Gerichten, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BVerfGE 69, 381 = NJW 1986, 244 [244]; BVerfGE 88, 118 = NJW 1993, 1635 [1635]; BGH NJW-RR 2003, 861). Die Gerichte dürfen daher bei der Auslegung der die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand regelnden Vorschriften die Anforderungen an das, was der Betroffene veranlasst haben muss, um Wiedereinsetzung zu erlangen, nicht überspannen (BVerfGE 40, 88 = NJW 1975, 1355 [1355]; BVerfGE 67, 1 = NJW 1984, 2567; BVerfG NJW 1996, 2857 [2857]; NJW 2000, 1636; BGH NJW-RR 2003, 861).
[11] Wenn die Gerichte das Fax uneingeschränkt als Kommunikationsmittel zulassen, dürfen die aus den technischen Gegebenheiten herrührenden besonderen Risiken nicht auf den Nutzer dieses Mediums abgewälzt werden. Dies gilt im Besonderen für Störungen des Empfangsgeräts im Gericht. In diesem Fäll liegt die entscheidende Ursache für die Fristsäumnis in der Sphäre des Gerichts (BVerfG NJW 2001, 3473 [3473]; BGH NJW-RR 2003, 861).
[12] Von einem Rechtsanwalt, der sich und seine organisatorischen Vorkehrungen darauf eingerichtet hat, einen Schriftsatz durch Fax zu übermitteln, kann daher beim Scheitern der gewählten Übermittlung infolge eines Defekts des Empfangsgeräts oder wegen Leitungsstörungen nicht verlangt werden, dass er innerhalb kürzester Zeit eine andere als die gewählte, vom Gericht offiziell eröffnete Zugangsart sicherstellt (BVerfG 1996, 2857 [2858]; BGH NJW-RR 2003, 861 [861]; NJW-RR 2004, 283 [284]).
[13] So kann auch im vorliegenden Fall dem Beklagtenvertreter nicht vorgehalten werden, dass er anstelle der Übermittlung per Fax eine andere Zugangsart, nämlich die Übermittlung im elektronischen Rechtsverkehr hätte wählen müssen. Derzeit ist es Rechtsanwälten nicht zumutbar, im Fall einer Störung der Faxübermittlung eine Übermittlung per beA vorzunehmen (a.A. OLG Dresden NJW 2019, 3312; Beschl. v. 18.11.2019 – 4 U 2188/19; BeckRS 2019, 32256, LG Krefeld NJW 2019, 3658).
[14] Der elektronische Rechtsverkehr ist bei allen Zivilgerichten in Deutschland seit dem 1.1.2018 eröffnet. Es handelt sich – neben Post und Fax – um eine dritte offiziell eröffnete Zugangsart. Entsprechend der dargestellten verfassungsrechtlichen Anforderungen ist ein Rechtsanwalt nicht verpflichtet, einen anderen Übermittlungsweg zu wählen, wenn eine Übermittlung per Fax scheitert, obwohl er das seinerseits Erforderliche zur Fristwahrung getan hat.
[15] Dies gilt auch für die Alternative der Übermittlung im elektronischen Rechtsve...