Auf einen Blick

Das Pflichtteilsrecht in seiner jetzigen Form ist hoch streitanfällig und ggf. sogar streitauslösend. Gleichzeitig entspricht das Pflichtteilsrecht traditionellen Gerechtigkeitsvorstellungen.
Reinhard Zimmermann hat mit seinen Mitarbeitern den radikalen Vorschlag unterbreitet, das geltende Pflichtteilsrecht komplett abzuschaffen, mithin die entsprechenden Passagen im BGB vollständig zu streichen.
Anstelle des bisherigen Pflichtteilsrechts tritt ein bedarfsorientierter Unterhaltsanspruch naher Angehöriger des Erblassers gegen die Erben. Diese Unterhaltsansprüche sind also Nachlassverbindlichkeiten. Der Vorschlag ist konkret in einzelnen Normvorschlägen für das BGB ausformuliert.
Bestehen Unterhaltsansprüche, weil zu erwarten ist, dass einzelne nahe Angehörige bedürftig sind, werden diese nach dem Vorschlag im Grundsatz kapitalisiert, es ist also von den Erben eine Abfindung zu leisten. Der Entwurf sieht unter bestimmten Voraussetzungen aber auch vor, dass der Unterhalt durch die Erben in Raten geleistet werden kann. Weil der Unterhaltsanspruch eine Nachlassverbindlichkeit ist, ist von zentraler Bedeutung für den Vorschlag auch die Einordnung des Unterhaltsanspruchs in das System der Erbenhaftung. Dabei löst sich der Entwurf für die Bemessung der Höhe der Unterhaltsabfindung vom Wert und damit der Leistungsfähigkeit des Nachlasses, sodass es vermehrt zu Nachlassinsolvenzen kommen würde. All dies ist im Einzelnen kritisch zu diskutieren.
Der Reformvorschlag ist ein großer Wurf und gleichzeitig eine exzellente Grundlage für die Detaildiskussion. Angesichts der zum Teil disruptiven Effekte des geltenden Pflichtteilsrechts sollte der Vorschlag intensiv diskutiert werden.

Autor: Dr. Marcus Baum, MJur (Oxford), Rechtsanwalt, Stuttgart

ZErb 4/2024, S. 123 - 128

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