Rz. 679

Der gerichtlichen Kontrolle nicht entzogen ist die unternehmerische Entscheidung auf der Ebene der Umsetzung. Das Gericht prüft in vollem Umfang, ob der Arbeitgeber tatsächlich eine zur Verringerung des Arbeitsvolumens führende unternehmerische Entscheidung getroffen und umgesetzt hat, ob die Gründe, auf denen sie beruht, existieren und ob die getroffene Entscheidung für den Wegfall des Arbeitsplatzes kausal gewesen ist. Ein organisatorisches Unternehmerkonzept wird auf der Ebene der Umsetzung somit dahingehend überprüft, ob seine Durchführung oder eingeleitete Durchführung einer derzeit bestehenden Beschäftigungsmöglichkeit zukünftig die Grundlage entziehen wird.[1]

 

Rz. 680

Im Hinblick auf die die unternehmerische Entscheidung bedingenden Gründe differenziert die Rechtsprechung zwischen außerbetrieblichen und innerbetrieblichen Gründen, wobei die Unterscheidung nicht rechtlich zwingend ist.[2] In erster Linie hilft diese deskriptive Differenzierung, den Kündigungssachverhalt im Prozess transparent zu machen und die Prüfungsschritte zu systematisieren.[3] Darüber hinaus spielt die Differenzierung in einem möglichen Kündigungsschutzprozess auch bei der Verteilung der Darlegungslast eine Rolle. Denn Inhalt und Umfang der Darlegungslast des Arbeitgebers sind abhängig von den tragenden Kündigungsgründen.

 

Rz. 681

Außerbetriebliche Kündigungsgründe: Unter außerbetrieblichen Gründen versteht man externe, von der Betriebsgestaltung und -führung unabhängige Umstände, die einen konkreten Bezug zum Betrieb des Arbeitgebers haben und sich auf bestimmte Arbeitsplätze auswirken, mithin kausal sind für den Rückgang des Beschäftigungsbedarfs.

 

Rz. 682

Keine kündigungsschutzrechtlich relevanten Faktoren sind dagegen arbeitsmarkt-, beschäftigungs- oder sozialpolitische Aspekte, die den Arbeitgeber dazu veranlassen, einen Arbeitsplatz anderweitig zu besetzen, da ihnen der unmittelbare Bezug zum betroffenen Betrieb fehlt. Will ein Arbeitgeber einen Teil seiner Belegschaft etwa durch Arbeitslose oder Leiharbeitnehmer ersetzen, fehlt es an einem dringenden betrieblichen Erfordernis, da kein Arbeitskräfteüberhang besteht. Es handelt sich dann um eine rechtswidrige Austauschkündigung. Es ist dem Arbeitgeber somit verwehrt, ohne eine Verringerung des Beschäftigungsbedarfs einen vollständigen oder partiellen Personalaustausch vorzunehmen.[4]

 

Beispiel

Nach BAG, Urteil v. 13.3.1987, 7 AZR 724/85:

Der Arbeitgeber beschäftigt in seinem Betrieb, welcher der Erwachsenenfortbildung dient, im Wesentlichen verbeamtete Lehrerinnen und Lehrer, die ihre Unterrichtsstunden im Nebenberuf und in Teilzeit abhalten. In Anbetracht einer hohen Arbeitslosenquote unter ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern beschließt der Arbeitgeber, die Stundenlehrer zu kündigen und arbeitslose Lehrerinnen und Lehrer in Vollzeit zu beschäftigen. Diese arbeitsmarktpolitische Motivation stellt kein dringendes betriebliches Erfordernis i. S. d. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG dar.

 

Beispiel

Nach BAG, Urteil v. 26.9.1996, 2 AZR 200/96:

Der Arbeitgeber möchte den durch Tariflohnerhöhungen verursachten Kostensteigerungen dadurch entgegenwirken, dass er sämtliche Arbeitnehmer entlässt und nur noch mit – kostengünstigeren – Leiharbeitnehmern zusammenarbeitet. Eine Fremdvergabe der Arbeiten an ein Drittunternehmen kommt nicht in Betracht, da er sich das Direktionsrecht im Betrieb vorbehalten will. Vor diesem Hintergrund kündigt er allen bisher Beschäftigten. Diese Kündigungen sind nicht sozial gerechtfertigt, denn sie dienen – unter Beibehaltung von Arbeitsplätzen und Arbeitskapazitäten – der Umgehung der Tarifbindung und damit nur dem unzulässigen Austausch von Arbeitnehmern durch Leiharbeitnehmer.

Ausgehend hiervon liegt ein betriebliches Kündigungserfordernis wohl selbst dann nicht vor, wenn der Arbeitgeber Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen neu besetzen will, um die Quote i. S. v. § 154 Abs. 1 Satz 1 SGB IX zu erfüllen.[5]

Dem Arbeitgeber ist es auch nicht möglich, inländische durch ausländische Arbeitnehmer zu ersetzen, mit der Absicht, sich aus dem Anwendungsbereich des deutschen Arbeitsrechts zu lösen.[6]

 

Rz. 683

Außerbetriebliche Faktoren sind nur dann geeignet, eine betriebsbedingte Kündigung zu rechtfertigen, wenn sie einen Überhang an Arbeitskräften auslösen, durch den mittelbar oder unmittelbar das Bedürfnis zur Weiterbeschäftigung eines oder mehrere Arbeitnehmer entfällt.[7] So kann etwa ein Auftragsrückgang eines Unternehmens unmittelbar zum Rückgang der Arbeitsmenge in der Versand- und Logistikabteilung führen und betriebsbedingte Kündigungen rechtfertigen.[8]

 

Beispiele

  • Auftrags- oder Umsatzrückgang
  • Veränderung der Marktstruktur
  • Rohstoff- oder Energiemangel
  • Kürzung oder Streichung von Drittmitteln
 

Rz. 684

Es ist jedoch kaum denkbar und schwer vorstellbar, dass sich der Arbeitgeber ohne eine zwischengeschaltete Unternehmerentscheidung allein aufgrund des Eintretens von außerbetrieblichen Gründen, etwa eines Umsatzrückgangs, zur Reduzierung des Personals "entscheiden" ...

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