Entscheidungsstichwort (Thema)

Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht. Umfang der Entbindung. Zeugnisverweigerungsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Entbindet ein Prozeßbeteiligter gegenüber dem Gericht einen Arzt von der Schweigepflicht, so hat das Gericht von Amts wegen zu prüfen, in welchem Umfang der Arzt von der Schweigepflicht entbunden ist.

2. Der Arzt ist nicht berechtigt, das Zeugnis zu verweigern mit dem Argument, das Gericht habe ihm gegenüber die Schweigepflichtsentbindung nicht nachgewiesen. Es ist ausreichend, wenn das Gericht dem Arzt mitteilt, daß die entsprechende Erklärung vorliegt.

 

Tatbestand

Die weiteren Beteiligten streiten über die Bewilligung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach dem Sechsten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB 6).

In seiner Erklärung vom 23. März 1998 gab der Kläger an, im genannten Diakoniekrankenhaus im genannten Zeitraum stationär behandelt worden zu sein. Weiter erklärte der Kläger, er sei damit einverstanden, daß die zur Beurteilung seiner gesundheitlichen Verhältnisse für erforderlich gehaltenen Unterlagen (z. B. Krankengeschichte, Untersuchungsergebnisse, Röntgenaufnahmen) von den genannten Krankenhäusern und sonstigen Einrichtungen bzw. Behörden/Stellen beigezogen und insoweit ergänzende Auskünfte eingeholt würden. Der Kläger entband deshalb diese Ärzte/Ärztinnen, auch diejenigen, bei denen er in den betreffenden Krankenhäusern oder sonstigen Einrichtungen in Behandlung oder zur Untersuchung sei oder gewesen sei, von ihrer Schweigepflicht.

Durch formularmäßiges gerichtliches Schreiben vom 6. April 1998 bat das Gericht das genannte Krankenhaus zur Aufklärung des Sachverhaltes, Krankengeschichten, Entlassungsberichte, Röntgenfilme und sonstige Krankenunterlagen über den Kläger alsbald zur Einsicht oder in Fotokopie zu übersenden. Die Behandlung solle vom 31. Januar bis 13. Februar 1996 stattgefunden haben. Das Gericht teilte weiter mit, eine Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht liege ihm vor.

Am 16. April 1998 teilte der Antragsteller mit, die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht müsse ihm vorgelegt werden.

Das Gericht teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 20. April 1998 mit, die Übersendung der hier schriftlich vorliegenden Schweigepflichtsentbindungserklärung sei nicht möglich, da diese noch andere schutzwürdige Daten enthalte. Der Antragsteller dürfe stets auf die gerichtlichen Mitteilungen vertrauen, daß eine Schweigepflichtsentbindung hier vorliege, auch wenn diese Erklärung ihm nicht in Kopie oder Original mitgesandt sei.

Durch Schreiben vom 27. April 1998 teilte der Antragsteller mit, natürlich gehe er davon aus, daß gerade von gerichtlicher Seite nichts unkorrektes geschehen würde. Andererseits müsse er gerade bei gerichtlicher Seite darauf achten. daß die rechtlichen Voraussetzungen zur Herausgabe von schutzwürdigen Daten bei ihm vorlägen. Es gehe auch nicht an, daß er bei einem Richter die Aussage akzeptiere, bei einem Rechtsanwalt vielleicht schon nicht mehr, oder bei Krankenkassen sowieso nicht. Um dieses Dilemma der unterschiedlichen Einstufung der Glaubwürdigkeiten zu vermeiden und um eine einheitliche Disziplin in dem Diakoniekrankenhaus, dem er als Ärztlicher Direktor vorstehe, einzuhalten, könne er der gerichtlichen Bitte so nicht nachkommen und bitte seinerseits das Gericht, den Kläger eine aktuelle Schweigepflichtsentbindung ausfüllen zu lassen und dem Antragsteller zuzusenden.

Durch gerichtliches Schreiben vom 28. April 1998 teilte das Gericht dem Antragsteller mit, im Gesetz (SGG, ZPO) sei ausdrücklich keine Pflicht vorgesehen, daß das Gericht dem Arzt nachweise, daß ihn sein Patient von der Schweigepflicht entbunden habe (vgl. § 385 Abs. ZPO). Das Gericht bat um Mitteilung, ob der Antragsteller diese Rechtsfrage durch eine letztinstanzliche Gerichtsentscheidung geklärt wissen wolle.

Durch Schreiben vom 4. Mai 1998 teilte der Antragsteller mit, er sei tief betroffen über diesen Schriftwechsel, den er in seinem Leben in dieser Form noch nie nötig gehabt hätte. Seinen guten Willen, die Schweigepflicht zu achten und ihm eine Entbindung von der Schweigepflicht zuzusenden, habe das Gericht in einen Machtkampf ausgeweitet. Dabei sei der Antragsteller selbstverständlich in der schwächeren Position, weil er sich einen Rechtsbeistand nehmen müßte, um zu erkennen, was z. B. § 385 Abs. ZPO, den das Gericht ihm einfach vorführe, als müsse er diesen kennen, bedeute. Genauso dürfe er aufgrund der juristischen Einlassung in der Medizin mit den Patienten nicht umgehen. Er fordere das Gericht auf, ihm alle Rechtsgrundlagen verständlich für Laien vorzulegen, nach denen er verpflichtet sei, dem Gericht ohne Schweigepflichtsentbindung Unterlagen über einen Patienten zukommen zu lassen und ihn umgekehrt eine genauso klare und einfache Erklärung vorzulegen, nach der er erkennen könne, ob ein Rechtsstreit in einer "letztinstanzlichen Gerichtsentscheidung" für ihn mit Nachteilen ausgehen könne. Wenn das Gericht dazu nicht bereit sei, w...

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