Leitsatz (amtlich)

1. Auch ein Versicherungsnehmer, der sich unterhalb der Grenze der absoluten Fahruntüchtigkeit von 1,1 Promille in deutlich alkoholisiertem Zustand ans Steuer eines Kraftfahrfahrzeugs begibt, handelt i.S.d. § 61 VVG in objektiver und subjektiver Hinsicht grobfahrlässig.

2. Hinsichtlich der Unfallursächlichkeit der Alkoholisierung ist es Sache des Versicherungsnehmers, die denkbare Möglichkeit eines alkoholunabhängigen Geschehensablaufs plausibel darzulegen.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 11.11.2003; Aktenzeichen 14 O 229/02)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Saarbrücken vom 11.11.2003 - 14 O 229/02 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 7.158,09 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Vollkaskoversicherung mit einer vereinbarten Selbstbeteiligung i.H.v. 1.000 DM. Am 26.10.2001 gegen 0:10 Uhr verursachte er mit seinem Pkw auf der Landstraße in Höhe der Universität des Saarlandes in Richtung D. fahrend einen Verkehrsunfall, bei dem das Fahrzeug einen wirtschaftlichen Totalschaden erlitt, der sich unstreitig auf 15.000 DM beläuft. Der Kläger hatte vor dem Unfalls Alkohol zu sich genommen; die Feststellung der Blutalkoholkonzentration zum Zeitpunkt der Blutentnahme um 1:48 Uhr ergab einen Mittelwert von 0,95 Promille.

Der Kläger hat behauptet, das Fahrzeug sei beim Befahren der Landstraße plötzlich nach links ausgebrochen und gegen die Leitplanke geprallt. Ursache hierfür sei gewesen, dass der linke vordere Reifen geplatzt sei.

Die Beklagte hat behauptet, der Verkehrsunfall sei allein auf die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des Klägers zurückzuführen, da der Kläger an einer übersichtlichen und ohne jede Gefahr zu befahrenden Stelle die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren habe. Die Behauptung des Klägers, vor dem Unfall sei der linke Reifen geplatzt, sei frei erfunden. Das Beschädigungsbild am Fahrzeug des Klägers spreche gegen einen "Reifenplatzer"; auch habe der Kläger ggü. den den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten nicht erwähnt, dass sich der Unfall infolge eines geplatzten Reifens ereignet habe.

Das LG hat der Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Behauptung des Klägers stattgegeben.

Hiergegen wendet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie die Abweisung der Klage erstrebt. Sie rügt, das LG habe ein zu strenges Beweismaß zu Grunde gelegt. So sei nicht hinreichend berücksichtigt worden, dass der Sachverständige bei Auswertung seiner schriftlichen Ausführungen der von dem Kläger geschilderten Unfallverlauf nur als unwahrscheinliche Möglichkeit dargestellt habe. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass die Hypothesen des Sachverständigen zu einem möglichen Unfall nach einem Reifenplatzer in Widerspruch zu den Angaben des Klägers stünden. Denn während der Sachverständige darauf hingewiesen habe, dass sich der Unfall nach einem Reifenplatzer infolge einer hierdurch ausgelösten Schleuderbewegung ereignet haben könnte, habe der Kläger vorgetragen, das Fahrzeug sei unmittelbar nach links gezogen. Darüber hinaus habe der Sachverständige darauf hingewiesen, dass Pkw-Reifen heutzutage nur sehr selten, insb. bei Vorschädigungen platzten, für die es keinen Anhaltspunkt gebe. Schließlich habe der Sachverständige bestätigt, dass das Platzen eines Reifens mit einem lauten Knall verbunden sei. Auch diesen habe der Kläger nach seiner eigenen Einlassung nicht wahrgenommen. Für eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des Klägers im Unfallzeitpunkt spreche auch der Umstand, dass der Kläger es für richtig gehalten habe, das Fahrzeug nach den Schadensfall noch für eine Strecke von 300 Metern mit Motorkraft fortzubewegen. Auch dies hätte jeder halbwegs nüchtern denkende Fahrer nicht getan. Entgegen der Auffassung des LG sei bei der Bestimmung des Beweismaßes zu Gunsten der Beklagten dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Kläger noch im Dezember 2001, also ungewöhnlich kurzfristig nach Aufstellung der neuen Behauptung über den Unfallverlauf, Veranlassung gesehen habe, den verunfallten Wagen zu veräußern. Dieses Verhalten erfülle den Vorwurf einer fahrlässigen Beweisvereitelung, da der Kläger entgegen dem Rat seines Rechtsanwalts keine Maßnahmen getroffen habe, das defekte Rad zu sichern. Dieser Schluss sei erst recht gerechtfertigt, da der Kläger durch ein Schreiben der Beklagten vom 5.11.2001 darauf hingewiesen worden sei, dass er sich vor einer Veräußerung des unreparierten Fahrzeugs unbedingt mit der Beklagten in Verbindung setzen solle.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteils des LG Saarbrücken vom 11.11.2003 - 14 O 229/02 - die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung. Er tritt dem Vorwurf entgegen, er habe die beschädigten Teile zum Zwecke der...

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