Rn 47

Die dauernde Verhinderung meint den Fall, dass ohne Richterwechsel ein Richter aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen für immer oder auf unabsehbare Zeit ganz oder tw nicht in der Lage ist, die ihm nach dem Geschäftsverteilungsplan obliegenden Aufgaben der Rspr wahrzunehmen (BGHZ 164, 87, 90; weniger streng: Kissel/Mayer § 21e Rz 114; MüKoZPO/Pabst § 21e GVG Rz 50). Daran fehlt es, wenn der Richter in ein höheres Richteramt eines höheren Gerichts befördert, aber gleichzeitig wirksam gem § 37 DRiG rückabgeordnet wird (BGH NJW 09, 381 [BGH 10.12.2008 - 1 StR 322/08] Rz 3, 13). Entsprechendes ist anzunehmen, wenn der Richter ohne Beförderung an ein anderes Gericht versetzt und gleichzeitig rückabgeordnet wird – in beiden Fällen verliert er seine geschäftsverteilungsplanmäßige Zuständigkeit aufgrund der gleichzeitigen Wirkungen der beiden personalrechtlichen Maßnahmen nicht.

 

Rn 48

Ist die Verhinderung – das meint jede tatsächliche oder rechtliche Unmöglichkeit, den Vorsitz zu führen (BGHSt 14, 11, 15) oder das Richteramt auszuüben – nur vorübergehend, greift die Vertretungsregelung, die das Präsidium gem Abs 1 S 1 für alle Richter und Spruchkörper zu bestimmen hat. Ist sie erschöpft, muss nach Abs 3 S 1 diese ergänzt werden; die Bestellung eines ›Sondervertreters‹ kann gegen Art 101 I 2 GG verstoßen (BGH Beschl v 28.1.10 – 4 StR 622/09 Rz 5). Daher ist die vorübergehende von der dauernden Verhinderung – auch rechtsbegrifflich und revisionsrechtlich nachprüfbar (BGHZ 164, 87, 91f) – zu unterscheiden, weil nur die dauernde Verhinderung einen tragfähigen Grund für die Änderung des Präsidiumsbeschlusses im laufenden Geschäftsjahr darstellt.

 

Rn 49

Ab welchem Zeitpunkt eine Verhinderung als dauernd zu verstehen ist, bestimmt das Gesetz nicht. Eindeutig vorübergehend und nicht dauerhaft sind Verhinderungsgründe wie Urlaub, Dienstbefreiung, Dienstreisen, Wahrnehmung vorrangig anderer Dienstgeschäfte, etwa iRd Gerichtsverwaltung durch den Präsidenten, oder tatsächliche Nichterreichbarkeit (Schorn/Stanicki S 138). Als vorübergehend anerkannt sind auch die Verhinderung durch die Abfassung eines umfangreichen Urteils (BGH NJW 74, 1572; aber wohl nur, wenn es anderenfalls nicht binnen gesetzlicher Frist zur Geschäftsstelle gebracht werden kann), die Abhaltung einer Lehrveranstaltung (BGH DRiZ 83, 234; aber wohl nur iRe nebenamtlich nach § 42 DRiG wahrnehmungspflichtiger Unterrichtsaufgaben), die Unmöglichkeit zur erforderlichen Vorbereitung (sehr zweifelhaft, denn für den Vertreter würde das erst recht gelten) oder die zeitgleiche Ladung des Richters als Zeugen in einem anderen Prozess (MüKoZPO/Pabst § 21e GVG Rz 62).

 

Rn 50

Dauerhaft ist die Verhinderung offenkundig bei Tod, Ruhestand, anderweitiger Versetzung, gesetzlicher Inhabilität gem § 41 ZPO oder erfolgreicher Ablehnung gem §§ 42 ff ZPO, ferner bei vorläufiger Dienstenthebung im Disziplinarverfahren. Ist der nach Abs 1 S 1 iVm § 21 f I bestimmte Vorsitzende Richter dauerhaft verhindert, ist das Präsidium berechtigt und verpflichtet, den ausgeschiedenen Vorsitzenden nach Abs 3 S 1 zu ersetzen, und zwar mit vorgreiflicher Wirkung für die nach Abs 1 S 1 iVm § 21 f II 1 getroffene Vertreterregelung (BGH NJW 09, 931 [BGH 08.01.2009 - 5 StR 537/08] Rz 14).

 

Rn 51

Problematisch ist die Abgrenzung in den Fällen der Erkrankung des Richters. Die Auslegung zum Begriff der Dauerhaftigkeit der Erkrankung erfordert die krankheitsbedingte Abwesenheit ›auf unabsehbare Zeit‹ (BGHZ 164, 87, 90f). Auf unabsehbare Zeit ist die krankheitsbedingte Abwesenheit dauernde Verhinderung, wenn aufgrund einer ex ante-Betrachtung eine dauernde Dienstunfähigkeit iSd Richter- und Beamtenrechts etwa nach § 44 I BBG bzw § 26 BeamtStG festgestellt wird (Zö/Lückemann § 21e GVG Rz 39b). Das Dilemma besteht darin, dass deren Voraussetzungen – etwa die Beurteilung, dass nach menschlicher (BGHZ 164, 87, 90) oder ärztlicher Voraussicht nicht mit einer baldigen, ggf binnen 6 Monaten eintretenden Wiederherstellung der Gesundheit zu rechnen ist – weder für den betroffenen Richter noch für den zuständigen Amtsarzt mit der gebotenen Prognosesicherheit feststellbar ist bzw attestiert wird, iÜ der betroffene Richter auch nicht außerhalb der Anordnung zur amtsärztlichen Begutachtung iSd § 44 VI BBG verpflichtet ist, dem Dienstherrn die Art des medizinischen Befundes zu offenbaren, sodass der Dienstherr nicht etwa aufgrund eines konkreten Befundes, sondern nur aufgrund einer sich hinziehenden krankheitsbedingten Abwesenheit zur Anordnung – kein Verwaltungsakt: BVerwG NVwZ 12, 1483 [BVerwG 26.04.2012 - BVerwG 2 C 17.10] Rz 14 f – der Untersuchung der Wiederherstellbarkeit der Dienstfähigkeit befugt ist. Die Annahme der Dienstunfähigkeit nach § 26 I 2 BeamtStG erfordert nicht, dass die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit binnen 6 Monaten mit absoluter Gewissheit ausgeschlossen ist, sondern es genügt, wenn sie nach konkreten tatsächlichen Anhaltspunkten mit hinreichender Sicherheit nicht zu erwarten steht, also unwahr...

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