Verfahrensgang

LG Osnabrück (Aktenzeichen 3 O 123/20)

 

Tenor

I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Hinweisbeschluss und Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Berufung unter Kostengesichtspunkten binnen zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses.

II. Der Senat lässt sich bei seiner Absicht, nach § 522 Abs. 2 ZPO zu verfahren, von folgenden Überlegungen leiten: Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten. Die Berufung hat auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, weil das Landgericht der Klage gegen die Beklagte zu Recht in dem von ihm tenorierten Umfang stattgegeben hat. Entgegen der Auffassung der Berufung kann die Beklagte den Entlastungsbeweis gem. § 833 S. 2 BGB nicht führen, sondern haftet überdies auch aus den §§ 280 Abs. 1, 611, 241 Abs. 2, 278 S. 1 BGB. Auch gegen die Schmerzensgeldbemessung durch das Landgericht gibt es nichts zu erinnern.

 

Gründe

1. Delegiert, wie hier, ein Tierhalter die Beaufsichtigung seines Tieres auf einen Dritten, indem er eine Person mit der Beaufsichtigung des Tieres betraut, so trifft den Tierhalter nicht nur die selbstverständliche Verpflichtung, den Aufsichtführenden sorgfältig auszuwählen und zu überwachen. Überdies sind seine Sorgfaltspflichten darauf gerichtet zu verhindern, dass das Tier außer Kontrolle gerät (vgl. BGH NJW 1990, 789, 790). In diesem Zusammenhang vergrößern sich die Aufsichtspflichten nicht nur mit der von dem Tier konkret ausgehenden Gefahr, sondern auch mit der Art und Größe des durch ihn drohenden Schadens (Wagner in Münchener Kommentar, 8. Auflage, § 833 Rn. 55). Beim Kontakt von Kindern mit Tieren gelten deutlich erhöhte Sicherheitsstandards, die lediglich über das Kriterium der Zumutbarkeit der Anstrengungen eine Begrenzung erfahren (Wagner a.a.O.).

Unter Berücksichtigung dessen ist der Beklagten der von ihr für eine Enthaftung von dem unstreitig verwirklichten Tatbestand des § 833 S. 1 BGB zu fordernde Nachweis im Sinne des S. 2 der Norm, es treffe sie in Bezug auf das Unfallgeschehen keine Sorgfaltspflichtverletzung, nicht gelungen. Insbesondere steht nicht fest, dass die konkrete Reitstunde ohne Sorgfaltspflichtverletzung abgelaufen ist.

Die Klägerin war zum Unfallzeitpunkt 8 Jahre alt. Allein wegen dieses Alters hätte die vormalige Beklagte DD sich keinesfalls auf die Angaben des Mädchens zu etwaiger Reiterfahrung verlassen dürfen, sondern hätte davon ausgehen müssen, dass diese gänzlich unerfahren oder unfähig im Umgang mit Pferden ist. Schon deswegen wäre es erforderlich gewesen, sich zunächst im Rahmen eines Einzelunterrichts von den Fähigkeiten der Klägerin zu überzeugen. Gegen diese schon zutreffend durch das Landgericht dargelegte Einschätzung lässt sich auch nicht einwenden, dass dies beim sog. Kirmesreiten auch nicht getan werde. Selbst wenn sofortiges Gruppenreiten mit Kindern ohne vorherige Kontrolle den Usancen kommerziellen Reitunterrichts bzw. des Kirmesreitens entspräche, ist der Rückschluss, dass dieses Vorgehen frei von rechtlichen Risiken ist, unzulässig.

Ferner konnte die Beklagte nicht beweisen, dass die Auswahl des Pferdes für ein reitunerfahrenes Mädchen nicht sorgfaltswidrig erfolgt ist. Es hat sich in der Beweisaufnahme herausgestellt, dass die Beklagte das Pony erst im September 2018 erworben hat. Deren Geschäftsführer konnte zu seinem und dem Verhalten des weiteren beteiligten Ponys lediglich angeben: "Soweit ich weiß sind sie lieb und brav. Das ist das, was ich mitbekommen habe. Nach meiner Kenntnis haben sie außer hier noch nie ein Kind abgesetzt.". Seine Ehefrau, die Zeugin EE, hat konkreter angegeben, dass sie über die Vorgeschichte der Ponys keine gesicherten Erkenntnisse hatte. Sie hat die Ponys zunächst den Betrieb kennenlernen, dann mit erfahrenen Kindern reiten lassen und sie später für den Anfängerunterricht genutzt. Unsicherheiten hätten sich nicht gezeigt. Der Senat hält dies für die Verwendung des Ponys im konkreten Fall nicht für ausreichend.

Ein reitunerfahrenes 8-jähriges Mädchen darf in seiner Schnupperreitstunde auf ein frei laufendes Pony - sofern dieses nicht ohnehin einzeln geführt werden muss - nur gesetzt werden, wenn zuvor explizit und vielfach getestet worden ist, dass es jedweden schwerwiegenden Reitfehler eines Kindes stoisch toleriert und in diesem Zusammenhang nicht den Halt verliert und stürzt. Wie der Unfall zeigt, war dies, selbst wenn man den Vortrag der Beklagten zugrunde legt, dass die Klägerin stark an den Zügeln gezogen hat, nicht der Fall.

2. Überdies haftet die Beklagte aus den §§ 280 Abs. 1, 611, 241 Abs. 2, 278 S. 1 BGB.

Entweder besteht ein Schuldverhältnis, dessen Schwerpunkt in der Leitung von Reitstunden liegt und daher einen Dienstleistungsvertrag...

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