Leitsatz (amtlich)

1. Die Vereinbarung einer Reitbeteiligung zwischen einer Pferdehalterin und einer Reiterin, die es der Reiterin erlaubt, gegen Zahlung eines regelmäßigen Entgelts und Mithilfe im Stall an festgelegten Tagen selbständige Ausritte mit dem Pferd machen zu dürfen, begründet keine Mithaltereigenschaft der Reiterin.

2. Eine derartige Reitbeteiligung rechtfertigt auch dann nicht ohne weiteres die Annahme eines konkludent vereinbarten Haftungsausschlusses, wenn Unfälle im Rahmen einer Reitbeteiligung vom Versicherungsschutz der Pferdehalterin ausgenommen sind.

3. Stürzt die Reiterin bei einem selbständigen Ausritt vom Pferd und kann sie sich nicht entlasten, so ist bei der Prüfung ihrer Ersatzansprüche gegen die Pferdehalterin ein vermutetes Mitverschulden der Reiterin als Tieraufseherin anspruchsmindernd zu berücksichtigen.

4. Bei Unaufklärbarkeit der näheren Umstände des Sturzes können die Haftungsanteile der Halterin und der Reiterin gleich hoch zu bewerten sein.

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 12 O 7714/12)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 12.04.2013 abgeändert.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin aus übergegangenem Recht 50 % des Schadens und Aufwands zu ersetzen hat, der entsteht und entstanden ist aus dem Reitunfall vom 08.10.2009 des Mitglieds der Klägerin N. Z. (verheiratete H.), geb. am 8. Februar 1981, in der Krankenversicherung und in der Pflegeversicherung.

III. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.

IV. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

V: Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

VI. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 103.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Die Klägerin begehrt als gesetzliche Krankenversicherung die Feststellung von auf sie übergegangenen Schadensersatzansprüchen ihres Mitglieds aufgrund eines Reitunfalles.

Die Klägerin ist der gesetzliche Krankenversicherer für N. H. (geb. Z.; im Folgenden: Geschädigte). Zwischen dieser und der Beklagten bestand eine Vereinbarung dahingehend, dass die Geschädigte das im Eigentum der Beklagten stehende Pferd "S..." an drei Tagen pro Woche nach Belieben ausreiten durfte und hierfür monatlich 100,00 Euro an die Beklagte zu zahlen hatte. Die Geschädigte stürzte am 08.10.2009 gegen 14.30 Uhr bei einem Ausritt auf der Koppel von dem Pferd und erlitt eine Querschnittslähmung.

Die Klägerin behauptet, die Geschädigte sei davon ausgegangen, dass das Pferd der Beklagten ordnungsgemäß versichert gewesen sei. Alle Kosten für die Unterhaltung des Pferdes, insbesondere für Stallmiete, Steuern, Versicherung und Fütterung habe die Beklagte getragen. An den Tagen, an denen die Geschädigte das Pferd reiten durfte, habe sich diese teilweise auch um das Füttern und Einstreuen gekümmert. Die Nutzung des Pferdes durch die Geschädigte habe längstens vier Monate gedauert. Es habe keine festen Nutzungstage gegeben, vielmehr seien diese jeweils abgesprochen worden. Der Unfall habe sich auf der eingezäunten Koppel so zugetragen, dass das Pferd unerwartet durchgegangen sei, den Kopf nach vorne gerissen und die Geschädigte abgeworfen habe, woraufhin diese kopfüber zu Boden gestürzt sei. Im Zusammenhang mit dem Unfall seien der Klägerin Kosten für die Heilbehandlung und Pflege sowie für Krankengeld von bislang insgesamt 129.177,83 Euro entstanden.

Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt:

es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin aus übergegangenem Recht gem. § 116 SGB X allen Schaden und Aufwand zu ersetzen hat, der entsteht und entstanden ist aus dem Reitunfall des Mitglieds der Klägerin, N. Z., G., ... K.l, geb. am 08.02.1981, vom 08.10.2009 in der Krankenversicherung und in der Pflegeversicherung.

Die Beklagte hat in erster Instanz beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, für ihr Pferd bestehe zwar eine Haftpflichtversicherung, eine Reitbeteiligung sei jedoch nicht vom Versicherungsschutz umfasst. Die Geschädigte habe an den Reittagen unumschränkte Einflussmöglichkeit auf das Pferd gehabt. Es habe eine nicht geschäftlich geprägte Reitbeteiligung bestanden, innerhalb derer die Geschädigte wie eine Tierhalterin auf Zeit anzusehen sei. Sie habe auch teilweise die Fütterungskosten übernommen. Im Übrigen habe zur Geschädigten ein freundschaftliches Verhältnis bestanden. Daher - so meint die Beklagte - sei von einem konkludenten vertraglichen Haftungsausschluss auszugehen.

Mit Endurteil vom 12.04.2013, auf dessen tatsächliche Feststellungen und Darstellung des Parteivortrags in erster Instanz einschließlich der übergebenen Anlagen gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ergänzend Bezug genomme...

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