Leitsatz (amtlich)

Ein KfZ-Haftpflichtversicherungsvertrag kann auch dann wirksam zustande kommen, wenn die Fahrzeugidentifikationsnummer in den Zulassungspapieren und im Versicherungsschein unrichtig ist.

 

Verfahrensgang

LG Stendal (Urteil vom 01.10.2014; Aktenzeichen 23 O 373/12)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Stendal vom 01.10.2014, Az.: 23 O 373/12, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Berufungsinstanz trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ebenso wie jetzt auch das angefochtene Urteil des LG Stendal vom 01.10.2014, Az.: 23 O 373/12, soweit es die Beklagte bzw. Erstbeklagte in erster Instanz betrifft, sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Klägerin hat nach Regulierung des ihrer Versicherungsnehmerin in der Kaskoversicherung in Höhe von 8.641,26 EUR entstandenen Pkw-Unfallschadens aus übergegangenem Recht gemäß § 86 Abs. 1 VVG deren auf Missachtung des Vorfahrtsrechts gestützte Ersatzansprüche erfolgreich in erster Instanz gegen den Unfallgegner als Zweitbeklagten und die Erstbeklagte als dessen gemäß § 115 Abs. 1 VVG zugleich direkt gesamtschuldnerisch haftenden Kfz-Haftpflichtversicherer geltend gemacht.

Allein noch streitig ist in zweiter Instanz die Haftung der Erstbeklagten, die im Gegensatz zum Zweitbeklagten Berufung gegen das am 01.10.2014 antragsgemäß ergangene Urteil des LG Stendal deswegen eingelegt hat, weil, wie sie meint, ein wirksamer Haftpflichtversicherungsvertrag mit dem Beklagten nicht zustande gekommen sei. Denn - so das an sich unstreitige Faktum - die Fahrzeugidentifikationsnummer in den Zulassungspapieren und im Versicherungsvertrag über den fraglichen VW Golf des Zweitbeklagten stimme nicht mit der tatsächlichen, nachträglich im Bereich der Karosserie veränderten Identifikationsnummer des Fahrzeugs überein. Wenn die Zulassungsbehörde die gebotene Überprüfung der Identität des Fahrzeuges anhand der in den Unterlagen ausgewiesenen Fahrzeugidentifikationsnummer unterlasse, seien die dort enthaltenen Angaben für die vertraglichen Willenserklärungen in der Kfz-Haftpflichtversicherung maßgeblich.

Eine überobligatorische Leistungspflicht nach § 115 Abs. 1 Satz 2 VVG in Verb. mit § 117 Abs. 1 VVG sei in jedem Falle nach § 117 Abs. 3 Satz 2 VVG ausgeschlossen, weil, wie sich aus der Klage ergebe, die kaskoversichert gewesene Unfallgegnerin eben von der Klägerin als anderem Schadensversicherer Ersatz ihres Schadens erlangt habe, womit sie, die Beklagte, leistungsfrei geworden sei. Im Übrigen beziehe sich die Kfz-Haftpflichtversicherung gerade auf das nicht mehr existierende Fahrzeug mit der in den Unterlagen ausgewiesenen Fahrzeugidentifikationsnummer, weshalb auch, in Ermangelung des dafür notwendigen Nichtbestehens eines Versicherungsverhältnisses, ein Fall der Nachhaftung gemäß § 117 Abs. 2 VVG ausscheide.

Von der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird unter Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil und die - im Wesentlichen ausschließlich Rechtsfragen behandelnden - Schriftsätze der Parteien in zweiter Instanz gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 ZPO in Verb. mit den §§ 313a ZPO, 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO abgesehen.

II. Die nach § 511 Abs. 1 und 2 Nr. 1 ZPO statthafte und auch sonst formell zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gemäß den §§ 517, 519, 520 ZPO eingelegte und begründete Berufung der Beklagten und vormaligen Erstbeklagten bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Zu Recht ist das LG in der angefochtenen Entscheidung davon ausgegangen, dass die Klägerin gemäß § 86 Abs. 1 VVG kraft gesetzlichen Forderungsübergangs mit der Regulierung des in Höhe von 8.641,26 EUR unstreitigen Pkw-Kaskoschadens ihrer Versicherungsnehmerin deren - mittlerweile rechtskräftig feststehenden - Ersatzanspruch, resultierend aus den §§ 7, 17 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1 und 2 BGB in Verb. mit § 9 Abs. 3 StVO, gegen den Zweitbeklagten als Fahrer und Halter des für den Unfall verantwortlichen VW Golf erworben hat und damit zugleich auch im Wege der Legalzession der hinsichtlich dieses Schadensersatzanspruchs nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verb. mit § 1 PflVG bestehende Direktanspruch gegen die Erstbeklagte als Kfz-Haftpflichtversicherer des Zweitbeklagten für den unfallursächlich gewordenen VW Golf auf die Klägerin übergegangen ist.

Die nach § 115 Abs. 1 Satz 4 VVG gesamtschuldnerische Haftung der Erstbeklagten neben dem Zweitbeklagten (als ihrem ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer) besteht auch gemäß § 115 Abs. 1 Satz 2 VVG im Rahmen der Leistungspflicht des Versicherers aus dem Versicherungsverhältnis (1), da ein wirksames Vertragsverhältnis über die Kfz-Haftpflichtversicherung zwischen den Beklagten hinsichtlich des streitgegenständlichen Pkw zustande gekommen ist.

Unbeschadet dessen ergäbe sich auch, sofern eine Leistungspflicht aus dem Versicherungsverhältnis nicht gegeben sein sollte, in Ansehung des Dritten, an dessen Stelle die Klägerin im Wege der Legalzession getreten ist, grundsätzlich eine gesetzliche Ha...

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