Leitsatz (amtlich)

1. Der in § 47 Abs. 4 S. 1 GmbHG zum Ausdruck gebrachte allgemeine Grundgedanke, dass von einem selbst am Geschäft beteiligten Gesellschafter nicht zu erwarten ist, er werde bei der Stimmabgabe in der Gesellschafterversammlung die eigenen Belange denen der Gesellschaft nachstellen, gilt auch bei einer Kommanditgesellschaft.

2. Ein Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft hat bei der Beschlussfassung, die die Vornahme eines Rechtsgeschäftes ihm gegenüber betrifft, kein Stimmrecht und darf ein solches auch nicht für andere ausüben.

3. Ein Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft ist einem demnach grundsätzlich bestehenden Stimmverbot wegen eigener Betroffenheit ausnahmsweise dann nicht unterworfen, wenn über einen körperschaftlichen Sozialakt Beschluss gefasst werden soll.

4. Eine Ausnahme von dem für einen Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft wegen eigener Betroffenheit bestehenden Stimmverbot ist nicht schon allein wegen des Vorliegens eines außergewöhnlichen Geschäfts im Sinne des § 116 Abs. 2 HGB zu machen.

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 29.11.2017, Az. 8 HK O 6624/17, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Dieses Urteil sowie das in Ziffer 1 genannte Endurteil des Landgerichts München I sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleitung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Die Parteien streiten um die Nichtigkeit eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 23.03.2017 über den Verkauf von Immobilien.

Die Beklagte ist eine Publikumskommanditgesellschaft, deren Zweck nach § 2 des "Kommanditgesellschaftsvertrages" (Anl. A 3) es war, zur Bildung eines Immobilienfondsvermögens direkt oder indirekt über Beteiligungen unbebaute Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte zum Zwecke der Bebauung zu erwerben, Gebäude zu errichten oder bebaute Grundstücke anzukaufen, um diese Objekte oder Teile davon zu vermieten oder zu verpachten und alle damit zusammenhängenden Geschäfte zu tätigen. Mehrheitsgesellschafterin und nach § 4 Ziffer 3 des Kommanditgesellschaftsvertrages geschäftsführende Kommanditistin der Beklagten ist die F. V. R. AG mit einer Pflichteinlage von über 14 Mio. EUR.

§ 5 des Kommanditgesellschaftsvertrages (Anl. A 3) lautet:

"1. (...) Die Komplementäre und die geschäftsführende Kommanditistin sind von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.

2. (...) Für alle außergewöhnlichen Geschäftsvorgänge ist ein Gesellschafterbeschluss erforderlich.

Dies gilt insbesondere in folgenden Fällen:

a) Erwerb und Veräußerung von Grundbesitz;"

§ 6 des Kommanditgesellschaftsvertrages lautet:

"1. Angelegenheiten, die das Verhältnis der Gesellschaft zu den Gesellschaftern oder der Gesellschafter untereinander betreffen, sowie sonstige, nach diesem Vertrag beschlussbedürftige Angelegenheiten bedürfen, vorbehaltlich anderweitiger Regelungen in diesem Gesellschaftsvertrag, der Beschlussfassung durch die Gesellschafterversammlung.

3. Alle Beschlüsse werden mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst, sofern in diesem Vertrag nichts anderes bestimmt ist. Stimmenthaltungen gelten als nicht abgegebene Stimmen.

6. Folgende Maßnahmen bedürfen der Beschlussfassung durch 66 % aller abgegebenen Stimmen, wobei zumindest ein persönlich haftender Gesellschafter oder die geschäftsführende Kommanditistin anwesend oder vertreten sein müssen:

a) Veräußerung und Erwerb von Grundbesitz oder Veräußerung von wesentlichen Teilen des Gesellschaftsvermögens;"

Die Klägerin ist als Direktkommanditistin mit einer Pflichteinlage von 79.793,78 EUR an der Beklagten beteiligt.

Das Immobilienvermögen der Beklagten besteht aus drei Grundstückskomplexen in Quickborn (P. 15/15a nebst Parkplatzgrundstücken) und Chemnitz (H.-L.-Str. 35 sowie B. 1-7/.T.straße 34a).

In der Gesellschafterversammlung vom 08.07.2015 fassten die Gesellschafter unter TOP 8 folgenden Beschluss:

"Der Vermarktung der Fondsimmobilien mit dem Ziel der Liquidation der Gesellschaft wird bei 4.181 Ja-Stimmen und 334 Nein-Stimmen mit 92,60 % der abgegebenen Stimmen zugestimmt (67 Stimmenthaltungen und 0 nicht abgegebene Stimmen). (...)" (Anl. B 2)

Im Rahmen der Umsetzung dieses Gesellschafterbeschlusses wurde ein Bieterverfahren durchgeführt, an dem sich auch die F. V. R. AG mit einem Angebot zum Kauf der drei Immobilienkomplexe der Beklagten zum Preis von insgesamt 20,5 Mio. EUR beteiligte (Anl. B 6).

Zum 31.12.2016 stellte ein Gutachter einen Marktwert der drei Grundstückskomplexe in Höhe von insgesamt 25,6 Mio. EUR fest.

Mit Schreiben vom 10.03.2017 lud die Komplementärin der Beklagten zu einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung der Beklagten am 23.03.2017 ...

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