Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtigkeit eines Ehevertrages zwischen einem Deutschen und einer Ausländerin wegen einseitiger Schlechterstellung

 

Leitsatz (redaktionell)

Nichtigkeit eines Ehevertrages zwischen einem Deutschen und einer Ausländerin bei einseitiger Schlechterstellung und einer erheblich schwächeren wirtschaftlichen Position der Ehefrau, die sich bei Vertragsabschluss in einer erheblichen Drucksituation befand.

 

Normenkette

BGB §§ 138, 1408, 1570, 1587

 

Verfahrensgang

AG München (Urteil vom 11.04.2006; Aktenzeichen 555 F 4704/05)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird das Endurteil des AG - FamG - München vom 11.4.5006 in Ziff. 2. wie folgt abgeändert:

Vom Versicherungskonto Nr. ... des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung Bund werden auf das Versicherungskonto Nr. ... der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund Rentenanwartschaften von monatlich 117,60 EUR, bezogen auf den 31.5.2005, übertragen.

Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

3. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antragsteller ist deutscher Staatsangehöriger, die Antragsgegnerin ist russische Staatsangehörige.

Mit Endurteil des AG - FamG - München vom 11.4.2006 wurde die am 25.8.1995 geschlossene Ehe der Parteien aufgrund des der Antragstellerin am 14.6.2005 zugestellten Scheidungsantrags des Antragsgegners in Ziff. 1. des Tenors geschieden und festgestellt, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Zur Begründung führte das Gericht aus, die Parteien hätten den Versorgungsausgleich in einem notariellen Vertrag wirksam ausgeschlossen. Der Vertrag sei weder sittenwidrig, da die Antragsgegnerin den Entwurf mindestens 10 Tage vor Unterzeichnung in Besitz gehabt und wie aus der Feststellung des Notars ersichtlich auch der deutschen Sprache mächtig gewesen sei, noch führe die Rechtsausübungskontrolle zur Unanwendbarkeit, da die Antragsgegnerin durch die Geburt und Erziehung des gemeinsamen Kindes keine versorgungsbedingten Nachteile erlitten habe. Zur genauen Begründung wird auf das Scheidungsurteil vom 11.4.2006 unter II. Versorgungsausgleich, Bl. 47 d.A. verwiesen.

Gegen diese ihr am 28.4.2006 zugestellte Entscheidung legte die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 23.5.2006 Beschwerde ein und beantragte, das Endurteil des AG München vom 11.4.2006 aufzuheben, soweit die Durchführung des Versorgungsausgleichs ausgeschlossen wurde, und diesen durchzuführen. Zur Begründung führte sie aus, der geschlossene Ehevertrag sei sowohl in einzelnen Punkten, insb. im Hinblick auf die weitgehende Einschränkung des nachehelichen Unterhalts sowie den Ausschluss des Versorgungsausgleichs, als auch insgesamt sittenwidrig, da sie die Antragsgegnerin völlig rechtlos stelle. Zum anderen führe auch die Ausübungskontrolle zu einer Unwirksamkeit, da die Antragsgegnerin durch die Ehe und insb. durch die Geburt und Erziehung des Kindes daran gehindert worden sei, Karriere zu machen und damit weitaus höhere Versorgungsanwartschaften zu erwerben. Zum weiteren Vorbringen wird auf die Beschwerdebegründung vom 17.7.2006 (Blatt 60 bis 66 d.A.) verwiesen.

Demgegenüber beruft sich der Antragsteller auf die Wirksamkeit des Ehevertrages. Die Antragsgegnerin habe aufgrund ihrer guten Deutschkenntnisse und vorherigen Kenntnis des Vertragsinhalts den Ehevertrag bewusst abgeschlossen, um durch die Heirat in den Genuss einer Aufenthaltsgenehmigung zu kommen. Er habe klargemacht, dass er ohne Abschluss des Vertrages zu einer Heirat nicht bereit gewesen sei. Zudem habe sich genau der von den Parteien beabsichtigte Zuschnitt der Ehe, nämlich einer Doppelverdienerehe mit beiderseitiger Berufstätigkeit, der auch im Ehevertrag seinen Ausdruck gefunden habe, trotz Geburt des Kindes verwirklicht. Die Antragsgegnerin habe insb. keine ehebedingten Nachteile im Hinblick auf ihre Versorgungslage erlitten.

Zum genauen Inhalt der Vereinbarung wird auf den Ehevertrag vom 24.8.1995 (Anlage zu Bl. 1 bis 5 d.A.) verwiesen.

II. Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist gem. den §§ 629a Abs. 2, 621a Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 6, 621e Abs. 1 und 3, 517, 520 ZPO zulässig und auch begründet.

Die Entscheidung über den Versorgungsausgleich richtet sich nach Art. 17 Abs. 3, Abs. 1, Art 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB nach deutschem Recht. Ein Versorgungsausgleich ist durchzuführen, da der Ausschluss des Versorgungsausgleichs im Ehevertrag vom 24.08.1995 nach § 138 BGB sittenwidrig ist.

Nach § 1408 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 BGB können Ehegatten grundsätzlich Vereinbarungen über Scheidungsfolgen schließen, insb. auch den Versorgungsausgleich ausschließen. Die grundsätzliche Disponibilität der Scheidungsfolgen darf aber nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen wird. Insbesondere darf nicht eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung de...

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