Entscheidungsstichwort (Thema)

Incoterm "DDP Cologne" als Vereinbarung eines Erfüllungsorts

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Incoterm DDP regelt nicht nur die Gefahr- und Kostentragung, sondern auch den Lieferort.

2. Die Vereinbarung über den Lieferort in Incoterms beinhaltet zugleich eine die gerichtliche Zuständigkeit begründende Vereinbarung über den Erfüllungsort i.S.v. § 29 ZPO oder Art. 5 Nr. 1 EuGVVO, ohne dass es hierzu einer weiteren, auf die Begründung der gerichtlichen Zuständigkeit gerichteten Willensübereinstimmung der Parteien bedarf.

 

Normenkette

ZPO § 29 Abs. 2; EuGVVO Art. 5 Nr. 1; CISG Art. 31

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 29.03.2011; Aktenzeichen 87 O 158/09)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 07.11.2012; Aktenzeichen VIII ZR 108/12)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 29.3.2011 verkündete Urteil der 7. Kammer für Handelssachen des LG Köln - 87 O 158/09 - aufgehoben. Das LG Köln ist zur Entscheidung des Rechtsstreits international zuständig. Im Übrigen wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Berufung, an das LG Köln zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 8.500.000 EUR festgesetzt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien sind weltweit tätige Kabelhersteller. Sie standen seit 2003 in ständiger Geschäftsbeziehung.

Die in Köln ansässige Klägerin bezog von der Beklagten, die ihren Sitz in der Republik Korea (Südkorea) hat, Glasfasern (Lichtwellenleiter). Diese verarbeitete die Klägerin zu Glasfaserkabeln, welche sie an ihre Kunden, große Energieversorgungsunternehmen, weiterverkaufte. Die Kabel werden auf Strommasten installiert und dienen dort als Blitzschutzseile sowie zur schnellen Datenübertragung, für die sie von den Energieversorgungsunternehmen an Telekommunikationsunternehmen vermietet werden. Mehrere der Endkunden der Klägerin rügten temperaturabhängige Dämpfungsphänomene, die zu einer Reduzierung der Geschwindigkeit der Datenübertragung führen. Zwischen den Parteien ist streitig, ob dieser Mangel auf fehlerhafte Produktion der von der Beklagten gelieferten Lichtwellenleiter oder auf einer mangelhaften Verarbeitung durch die Klägerin zurückzuführen ist.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz. Die Beklagte macht mit Hilfsaufrechnung und Widerklage die Bezahlung von bisher unbezahlten Rechnungen geltend.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.075.587,94 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 961.121,69 EUR seit dem 28.12.2009 und aus einem Betrag von 114.466,50 EUR seit dem 8.7.2010 zu zahlen, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche weiteren Schäden zu ersetzen, die ihr daraus entstanden sind und noch entstehen, dass Glasfasern, welche die Beklagte der Klägerin bis einschließlich Januar 2009 geliefert hat, nach der Integration in Lichtwellenleiterseile ein nicht dem Stand der Technik entsprechendes temperaturabhängiges Dämpfungsphänomen, nämlich einen Dämpfungsanstieg von mehr als 0.05 dB/km, zeigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und hilfsweise widerklagend die Klägerin zu verurteilen, an sie 81.522 EUR nebst Zinsen i.H.v. 6 % aus 62.455,68 EUR vom 23.2.2009 bis zum 12.11.2010, i.H.v. 6 % aus 19.066,32 EUR vom 24.3.2009 bis zum 12.11.2010 sowie i.H.v. 20 % aus 81.522 EUR seit dem 12.11.2009 zu zahlen.

Die Klägerin hat beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Die Parteien streiten zunächst über die internationale Zuständigkeit des LG Köln. Die Bestellungen der Klägerin enthalten neben einem Verweis auf ihre Einkaufsbedingungen 05/2003 den Zusatz: "Terms of delivery: DDP Cologne" (d.h. Lieferung nach Köln frachtfrei und verzollt). Die Beklagte versandte keine Auftragsbestätigungen, ihre Rechnungen und Transportdokumente enthalten ebenfalls die Incoterm-Klausel "DDP Cologne".

Das LG, auf dessen Urteil wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstand Bezug genommen wird, hat die Klage wegen fehlender internationaler Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, welche sie neben dem Incoterm "DDP" auch auf eine Gerichtsstandsvereinbarung und eine Vereinbarung über den Erfüllungsort in Ziff. 10 ihrer erstmals in der Berufung vorgelegten Einkaufsbedingungen 05/2003 stützt. In der deutschen Fassung der vorgelegten Vertragsbedingungen (GA 549) heißt es in § 10 u.a.:

"Sofern der Lieferant Kaufmann ist, ist unser Geschäftssitz Gerichtsstand; wir sind jedoch berechtigt, den Lieferanten auch an seinem Sitz zu verklagen.

Für die Rechtsbeziehungen im Zusammenhang mit diesem Vertrag gilt deutsches materielles Recht unter Ausschluss des Übereinkommens der Vereinten Nationen über den internationalen Warenkauf (CISG)."

Die Klägerin behauptet, der Inhalt dieser "General conditions of purchase of O GmbH, 05/2003" sei der Beklagten seit Beginn der Geschäftsbeziehungen bekannt gewesen.

Die Klägerin ...

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