Entscheidungsstichwort (Thema)

Glücksspiele

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Unternehmen, das nachweislich an einer "Kampagne" zur Verfolgung von Wettbewerbsverstößen teilnimmt, deren Abwehr für den betroffenen Mitbewerber von "Aufwand und Nutzen völlig außer Verhältnis" stehen soll, um diesen erklärtermaßen in einer anderweitigen gerichtlichen Auseinandersetzung zum Einlenken zu bewegen, handelt rechtsmissbräuchlich im Sinn des § 8 Abs. 4 UWG.

2. Wendet sich ein Unternehmen an ein anderes Unternehmen, von dem ihm bekannt ist, dass es Wettbewerbsverstöße bestimmter Mitbewerber (hier: der staatlichen Glücksspielunternehmen) dokumentiert, um mit Hilfe der so erworbenen Informationen gegen den betreffenden Mitbewerber im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vorzugehen, muss es sich bei der Prüfung der Eilbedürftigkeit die Kenntnis des beauftragten Unternehmens entsprechend § 166 BGB zurechnen lassen.

 

Normenkette

UWG § 8 Abs. 4, § 12 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Bonn (Urteil vom 18.03.2015; Aktenzeichen 1 O 46/15)

 

Tenor

Die Berufung der Antragstellerin gegen das am 18.3.2015 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des LG Bonn - 1 O 46/15 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Antragstellerin.

 

Gründe

(anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen gemäß § 540 Abs. 1 ZPO)

I. Die Antragstellerin ist eine in Gibraltar lizenzierte Anbieterin von Sportwetten, die einen Antrag auf Erteilung einer Konzession zur Veranstaltung von Sportwetten nach dem GlüStV (2012) gestellt hat. Eine Konzessionserteilung ist bislang nicht erfolgt.

Die Antragsgegnerin ist eine staatliche Lotteriegesellschaft des Bundeslandes Nordrhein Westfalen. Sie organisiert und veranstaltet im Rahmen des Deutschen Lotto- und Totoblocks gemeinsam mit den übrigen Landeslotteriegesellschaften in Deutschland auf dem Gebiet des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen mit behördlicher Erlaubnis Glücksspiele, unter anderem die Lotterien "6 aus 49", "Spiel 77", "Glücksspirale" und "Eurojackpot". Hierzu bedient sich die Verfügungsklägerin eines breit gefächerten Handelsvertreternetzwerkes, im Rahmen dessen die so genannten Lottoannahmestellen auf Provisionsbasis den Abschluss von Glücksspielverträgen vermitteln.

Zwischen den Parteien war ein Verfahren umgekehrten Rubrums anhängig, in dem die Antragsgegnerin die Antragstellerin bereits im Jahr 2008 aufgrund eines ihrer Ansicht nach illegalen Internetangebots auf Unterlassung in Anspruch genommen hatte (Senat, Urt. v. 3.9.2010 - 6 U 196/09 = BGH, I ZR 171/10). Vor dem Senat waren die dortigen Beklagten, darunter die Antragstellerin, überwiegend unterlegen, wie sich aus der Kostenentscheidung ergibt. Ein Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof über die von den Beklagten eingelegte Revision war am 12.2.2015 anberaumt; mittlerweile ist das Verfahren durch Rücknahme der Revision beendet worden (BGH GRUR 2015, 820 - Digibet II).

Unter dem 11.2.2015 sandte Rechtsanwalt Dr. S. aus der Sozietät der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin an den Deutschen Sportwettenverband e.V. ein Schreiben, in dem er auf das vorgenannte Verfahren Bezug nahmen. In dem Schreiben hieß es unter anderem:

"...der vorstehende BGH-Termin bietet Risiken wie Chancen. [...] Andererseits überrascht die bei der D. und Westlotto offenbar bestehende Siegesgewissheit, weil nach der Sachlage eine Verständigung eigentlich mehr als naheläge. Die dahingehenden Versuche sind bislang gescheitert.

Digibet hat sich deshalb gezwungen gesehen, zu wettbewerbsrechtlichen Gegenschlägen anzusetzen. Diese sind nach meiner Beurteilung bislang noch von chirurgischer Art. Sie sollten ausgeweitet werden.

[...]

Zum weiteren Vorgehen durch Digibet oder andere kommen folgende Schritte in Betracht:

1. Es werden weitere Rechtsverstöße im Lotto-Annahmestellennetz festgestellt und dokumentiert. Hierzu erfolgen Abmahnungen an Westlotto und an Lottoannahmestellenbetreiber. Rechtsanwalt G. und möglicherweise auch noch jemand anders werden beauftragt, ihre Erfassung von Verstößen auszuweiten.

2. Anschließend werden einstweilige Verfügungen gegen Westlotto, zum Teil auch gegen Wettbürobetreiber beantragt.

3. Die Werbung wird großflächig angegriffen.

4. Eine dritte Welle soll den Minderjährigenschutz betreffen. Nordrhein-Westfalen sieht zwar eine Schutzvorschrift zugunsten von Westlotto vor, wonach nicht behördliche Testkäufe mit Minderjährigen verboten sind. Der Verstoß ist eine Ordnungswidrigkeit. Anwälte haben sich bereitgefunden, die Aktionen gleichwohl durchzuführen und etwaige Ordnungswidrigkeitsverfahren in Kauf zu nehmen. [...] Parallel dazu würden mehrere hundert Verstöße gegen den Jugendschutz dokumentiert und zum Gegenstand von Verfahren gemacht. Diese bieten dann eine zusätzliche Plattform, den laxen Umgang der Wettbürobetreiber mit Minderjährigenschutz zu brandmarken. Eine Reihe von Schritte sind hierzu schon vorbereitet. Nach Vorgesprächen halten wir es für wahrscheinlich, dass die Presse das Thema verbreitet aufgreifen wird.

5. [...]

6. Das G...

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